Die Kriminalisierung der Kunden von Sexarbeiterinnen verschlimmert den Menschenhandel

Andrew Wallis, der Geschäftsführer von Unseen, sagt uns, was er wirklich von den Versuchen hält, in Großbritannien Gesetze nach nordischem Vorbild einzuführen.

Dieses Interwiev wurde zuerst auf Beyond Trafficking and Slavery (opendemocracy.net) veröffentlicht.

Andrew Wallis ist Gründer und Geschäftsführer von Unseen, einer in England ansässigen Wohltätigkeitsorganisation, die sich seit 2007 für die Bekämpfung von Menschenhandel und moderner Sklaverei einsetzt. Beyond Trafficking and Slavery sprach mit Andrew Wallis, um ihn zu fragen, warum so viele Organisationen zur Bekämpfung des Menschenhandels, darunter auch Unseen, keine ausdrückliche Position zur Sexarbeit beziehen und welche Konsequenzen diese Nicht-Positionierung haben könnte. Wir fragten ihn auch nach den jüngsten Versuchen der Labour-Abgeordneten Diana Johnson, das nordische Modell der Sexarbeit im britischen Parlament einzuführen. Dieses Interview wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit bearbeitet und gekürzt.

Emily Kenway (BTS): Warum haben Sie Unseen gegründet?

Andrew Wallis (Unseen): Damals, im Jahr 2007, war das Verständnis von Menschenhandel überwiegend das von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Und dann gab es noch diese anderen Dinge – wie Zwangsarbeit und häusliche Sklaverei -, die nur ein Ärgernis am Rande waren. Mir ging es um die Ausbeutung in ihrer Gesamtheit, nicht um irgendetwas davon allein. Ich wandte mich an eine ganze Reihe von Wohlfahrtsverbänden und fragte, was ich tun könne, und sie sagten mir im Grunde, ich solle mich verpissen. Also sagte ich: „Na gut, schön. Ich werde etwas auf die Beine stellen und damit anfangen.

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Die Situation von Sexarbeiter_innen verbessert man nicht durch mehr Repression.

Diskussion Die Situation von Sexarbeiter_innen verbessert man nicht durch mehr Repression. Eine Replik auf den Artikel »Linke Helfer der Sexindustrie« in ak 616

Von Jenny Künkel, ursprünglich veröffentlicht auf akweb.de. Eine längere Version ist auf dem Blog von Jenny Künkel zu finden.

Migration ist inhärent schädlich – denn das System Migration wird durch Rassismus, Sexismus und Kapitalismus hervorgebracht. Es zerstört Migrant_innen seelisch, wie zahlreiche Studien belegen: 68 Prozent aller Migrant_innen leiden unter posttraumatische Belastungsstörungen (hier Studie zu traumatisierten Kriegsflüchtlingen als Quelle einfügen). Die Liberalisierung der Migrationsgesetzgebung in den letzten Jahren führte zu einem Anwachsen von Menschenhandel, mehr toten Flüchtlingen im Mittelmeer und Armutsmigration (das ist evident!). Daher müssen wir die Gewalt der Migration strafrechtlich bekämpfen. Aber ohne die Migrant_innen selbst zu kriminalisieren. Packen wir das Problem also an der Wurzel und setzen bei denen an, die billige migrantische Dienstleistungen in Deutschland nachfragen. Die Nachfrage muss strafbar werden! Es ist ein Skandal, dass linke Kreise die Gewalt in der Migration seit Jahrzehnten leugnen. Sie vertrauen den von Menschenhändler_innen gesteuerten Migrantenorganisationen und ihren Forderungen nach einer Deregulierung und Liberalisierung der Migration. Damit machen sie sich zu Helfer_innen des tödlichen Migrationssystems.

Würde eine linke Zeitschrift einen derart kruden Artikel über Migration veröffentlichen, wäre die Empörung groß. Denn mit dem Thema Migration beschäftigen sich viele Linke. In ak 616 erschien ein entsprechender Artikel über Sexarbeit (»Linke Helfer der Sexindustrie«) – entsprechend deshalb, weil die obige Parodie im Prinzip nur »Prostitution« durch »Migration« ersetzt. Die Autorin Gunhild Mewes vermengt darin aktuelle konservativ-feministische Thesen über Prostitution mit etwas 1970er-Jahre-Abolitionismus (2) à la Alice Schwarzer. Doch das ist leider nicht alles. Der Beitrag macht just in dem Moment Stimmung gegen Prostitution, als ein repressives Prostitutionsgesetz in der Mache ist (siehe Seite 8) und Sexarbeiter_innen Unterstützung der Linken bräuchten. Weiterlesen →

Prostitution: Schwesig hält an Strafen für Prostituierte fest

Die Diskussion über ein neues Prostitutionsgesetz in der Großen Koalition geht inzwischen schon seit über zwei Jahren. Damals, im Oktober 2013, wurde die Diskussion durch Alice Schwarzers Kampagne gegen Sexarbeit geradezu erzwungen.

Besonders sachlich, empirisch und fundiert ging es in der Debatte deshalb nicht zu: Falsche Zahlen und Behauptungen werden seitdem in die Welt gesetzt mit dem einzigen Ziel die Legalität der Sexarbeit einzuschränken oder – wie es Schwarzer gerne sagt – die Prostitution „abzuschaffen“.

Natürlich nennt diese Absicht niemand beim Namen. In der Großen Koalition und im Ministerium von Manuela Schwesig spricht man daher auch von „Schutz“ – Schutz der Prostituierten. Und darüber streiten sich SPD und CDU seit Anfang an – darüber, wie man Prostituierte besser „schützen“ kann.

Worte wie „Selbstbestimmung“ fallen gerne bei der SPD. Bei der CDU ist man etwas ehrlicher und spricht von „Kontrolle“. Von „Rechten“ spricht niemand, weil das neue Gesetz keine neuen „Rechte“ schafft sondern – nach typisch deutscher Manier – nur neue Pflichten und Auflagen.

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Amnesty International fordert Entkriminalisierung von Sexarbeit in Namen der Menschenrechte

Ursprünglich veröffentlicht auf amnesty.ch

An ihrer internationalen Ratstagung 2015 in Dublin haben die Amnesty-Delegierten eine wichtige Entscheidung zum Schutz der Menschenrechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern getroffen.

Mit einer Resolution beauftragten die Vertreterinnen und Vertreter der über 50 Sektionen aus aller Welt ihren Internationalen Vorstand, eine Positionierung zu diesem Thema zu entwickeln und zu verabschieden, die auch die Entkriminalisierung von Sexarbeit einschliessen soll.

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Prostitutionsdebatte: Wie Sexarbeiter*innen und Betroffene von Menschenhandel gegeneinander ausgespielt werden

Dieser Beitrag erscheint anlässlich des Artikels von Ann-Katrin Müller gegen Sexarbeiter*innen (aus meiner Sicht ein „Hetzartikel“), der diese Woche in der Printausgabe des SPIEGELs unter dem Titel „Aus der Deckung. Dubiose Verbände kämpfen gegen Regeln in der Sexbranche“ erscheint. Dass DER SPIEGEL bei diesem Thema gerne „auf Lücke“ arbeitet und einseitig berichtet, wissen wir spätestens seit „Bordell Deutschland“

Sexarbeiter*innen sollen politisch neutralisiert werden. Sie sind unbequem in dieser ganzen Prostitutionsdebatte. Man kann sie nicht ausschließen – wie leben ja schließlich in einer Demokratie. Man will sie aber auch nicht ernst nehmen, ihnen auf Augenhöhe begegnen. Es sind ja schließlich „Huren“. Man lädt eine von ihnen ein, redet mit einer von ihnen, um einen Haken auf der Liste machen zu können. Aber letztendlich ist klar: Es sind Worte, die viele als wertlos betrachten. Das Narrativ steht eh schon fest. Was immer auch Sexarbeiter*innen sagen: Es ist den meisten egal. Das ist die neue politische Strategie gegen Sexarbeiter*innen und ihre Organisationen.

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Pressemitteilung – Koalitionspläne: Prostituierten drohen neue Gefahren

Pressemitteilung vom 28.01.2015, djb.de

Prostituiertenschutz paradox: Statt Prostituierte zu schützen, wie es die Bundesregierung angekündigt hat, würde sich ihre Situation mit der Einführung von Zwangsuntersuchungen, einem Mindestalter von 21 und einer Anmeldepflicht massiv verschlechtern. In einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesministerin Manuela Schwesig sowie die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen haben sich Frauenrechtsorganisationen, Sozialverbände sowie Beratungsstellen für Prostituierte und Opfer von Menschenhandel gegen die noch strittigen Maßnahmen ausgesprochen.

Statt Prostituierte zu kriminalisieren und zu stigmatisieren, sollen sie mit dem neuen Gesetz in ihren Rechten gestärkt und vor Gewalt und Demütigung geschützt werden – das ist Konsens in der Koalition. „Die Prostituierten, die diese Erwerbstätigkeit freiwillig und selbstbestimmt gewählt haben, sollen sich darauf verlassen können, dass der Gesetzgeber ihnen ein sicheres, angstfreies Leben ohne gesellschaftliche Ächtung ermöglichen will,“ so Susanne Kahl-Passoth, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrates. Umso unverständlicher ist die Diskussion um die Anhebung des Mindestalters auf 21. Die Unterzeichnerinnen sehen hier einen Verstoß gegen die Einheit der Rechtsordnung, denn in Deutschland gilt mit 18 Jahren die Volljährigkeit.

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Sexarbeit, Maischberger und die Menschlichkeit

Ein vorab Kommentar zu einer noch nicht existierenden, aber ziemlich vorhersehbaren Folge von Menschen bei Maischberger (20.1.2015).

Die CDU will schnellstmöglich ein neues „Prostituiertenschutzgesetz“ auf die Wege bringen. Dadurch soll der angeblich explodierende Menschenhandel bekämpft werden, die Prostitution „menschlicher“ werden.

Der Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung ist im Jahr 2013 um 11 % zurückgegangen. Während es 2012 noch 612 Opfer waren, sind es ein Jahr später 542. Auch die Zahl minderjähriger Opfer hat sich zwischen 2009 und 2013 halbiert: Von 145 auf 70 Opfer.

Der Hinweis findet sich im Bundeslagebild Menschenhandel des Bundeskriminalamtes (BKA) vom Herbst 2014. „Die Zahl der in Deutschland festgestellten Fälle von Menschenhandel […] hat im Jahr 2013 den niedrigsten Stand seit dem Jahr 2006 erreicht“, so die Gesamtbewertung des BKA. Weiterlesen →

Roma aus (Süd-)Osteuropa als Betroffene von Frauenhandel

„Urban Shadow“. Foto: M. Accarino. Creative Commons LizenzvertragDieses Bild steht unter einer Creative Commons Lizenz.

Autorin: Romana Riegler. Ursprünglich veröffentlicht auf boell.de 

Eine Untersuchung der Vulnerabilitätsfaktoren

Nach der zweiten EU-Osterweiterung 2007 stieg in Deutschland die Zahl der von Menschenhandel betroffenen Frauen aus Rumänien oder Bulgarien signifikant an. Ein großer Teil von ihnen gehört der Bevölkerungsgruppe der Roma an. Welche Mechanismen führen dazu, dass diese Gruppe offenbar so viel vulnerabler gegenüber dem Menschenhandel ist als andere?

Noch immer sind Roma die wahrscheinlich marginalisierteste Bevölkerungsgruppe Europas, und Beobachter_innen sprechen mit Sorge von einem sich in den letzten Jahren deutlich verschärfenden Antiziganismus (Antiziganismus Watchblog, 2012). Dieser Rassismus gegen Roma wird sichtbar an degradierender Medienberichterstattung, offener Diskriminierung am Arbeits- und Wohnungsmarkt oder durch Polizei und Behörden, einem Anstieg von Gewaltakten und „hate crimes“ gegen Roma und nicht zuletzt an (nicht rechtskonformen) Massenabschiebungen, wie 2010 in Frankreich mit rund 8.000 Roma. Im Zuge dieser Abschiebung bezeichnete der damalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy die Lager der Roma unter anderem als Quelle von Drogenschmuggel, Ausbeutung von Kindern und Prostitution (Süddeutsche Zeitung, 2010).

Während oft auf Roma als Täter_innen bzw. auf die Involviertheit von Romafamilien in (organisierte) Kriminalität verwiesen wird, findet die besondere Vulnerabilität von Roma gegenüber dem Menschenhandel und ihre häufige Viktimisierung seltener Erwähnung. Diese Praxis besteht sowohl aufseiten osteuropäischer Regierungen (vgl. ERRC 2011a, S. 26) als auch der Medien in Westeuropa, die mitunter pauschal von „Roma-Zuhältern“ sprechen, wenn sie über Prozesse gegen Menschenhändler_innen berichten (Amnesty International 2011). Den von Ausländerfeindlichkeit geprägten politischen Diskursen kommt eine solche Herkunft der Täter_innen sehr gelegen.

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Das Schweigen der AbolitionistInnen

Autorin: Helga Pregesbauer. Ursprünglich veröffentlicht auf wortflechte.com

Ich verfolge alle mir bekannten deutschsprachigen Medien von Abolitionistinnen seit zwei Jahren und versuche alles zu lesen, was sie veröffentlichen: Websiten, social media Beiträge, twitter, facebook, Publikationen.

Ich hatte per Mail, persönlich, via Chat und sogar per Telefon mit mindestens 30 Abolitionistinnen Gespräche. Wenn ich Gespräche auf Twitter und auf Facebook (offen mitlesebare) dazurechne kommen noch einmal 30 weitere Personen dazu. Ich habe auch von denen, die mit mir kommuniziert haben, keine einzige Antwort auf eine meiner Fragen bekommen.

Zu meiner abolitionistischen Lektüre gehören ca. zwanzig Blogs, zehn Websites, die persönlichen Einträge auf facebook von ca. zwanzig Personen und zehn Organisationen. Ich war auf jeder einzelnen mir bekannten Veranstaltung zum Thema in Wien, das waren heuer ungefähr 15 Termine. Ich wäre auf die Kofra-Konferenz gefahren, wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich nicht hin darf, weil ich vorher schon von mehreren Personen gehört hatte, dass deren Anmeldung abgelehnt wurde. Leider habe ich die Anmeldung unterlassen, was ein großer Fehler war – die Ablehnung meiner Anmeldung würde ich heute gern herzeigen. Denn die ausgeladenen SexarbeiterInnen stellen sich damit keiner Öffentlichkeit, was ich sehr gut verstehe. Ich bin aber bereit, in persönlichen Gesprächen diese mir übermittelten herzuzeigen und Telefonkontakt herzustellen, den ich übrigens bereits Personen, die mich Lügen schimpften, angeboten habe. Wollten die natürlich nicht. Ich habe von einer Konferenz-Teilnehmerin erfahren, dass auf der Konferenz gesagt wurde, die „happy Sexarbeiterinnen“ wollen sie hier auf der Konferenz nicht haben. Tja, die hätten ihre Thesen ja ganz schön ins Wackeln gebracht. Die vor Ort ausgesprochene Kritik am schwedischen Modell wurde dort nach Aussage dieser Teilnehmerin „nicht ernst genommen“.

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„Moderne Sklaverei“ als Begriff in der Öffentlichkeitsarbeit im Kampf gegen Menschenhandel

Autor*innen: Paula Riedemann, Babette Rohner. Ursprünglich veröffentlicht auf boell.de

Der Verein Ban Ying arbeitet seit 25 Jahren als Berliner Koordinations- und Beratungsstelle gegen Menschenhandel. In diesem Vierteljahrhundert haben wir sehr viel Erfahrung in der Beratung von Betroffenen von Menschenhandel, in der Advocacy-Arbeit sowie auch in der Öffentlichkeitsarbeit gesammelt. Das Ziel unserer Öffentlichkeitsarbeit ist, Gesamtgesellschaft und Fachpublikum für die Problematik des Menschenhandels und ihre Auswirkung auf Betroffene zu sensibilisieren. Neben den Vorträgen und Interviews, die wir regelmäßig zu dem Thema halten und geben, haben wir seit 2005 auch mehrere Öffentlichkeitskampagnen durchgeführt. Bei diesen Kampagnen ist es uns besonders wichtig, Betroffene von Menschenhandel als entscheidungsfähige und schutzberechtigte Personen darzustellen. Unser unterstützender und menschenrechtsorientierter Ansatz, der auf den Schutz der Identität und auf die Interessen unserer Klientinnen achtet, ist der Grund dafür, warum wir bis heute immer – unter anderem auf unserer Webseite – auf fotografische Darstellungen verzichtet haben. In diesem Sinne benutzen wir auch in unserer Öffentlichkeitsarbeit den Begriff „Betroffene“ statt des Begriffes „Opfer“, da wir eine vereinfachende und paternalistische Reduzierung vermeiden möchten.

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Bericht zur Veranstaltung „Rotlicht im Fokus“ in Augsburg (20.11.2014)

Der/die Autor*in bleibt gerne anonym. Vielen Dank für den Bericht! 

Ca. 70 der 100 Plätze in der neuen Stadtbibliothek in Augsburg sind besetzt. Die Veranstaltung läuft von 18:30 bis 21 Uhr. Die Begrüßung übernimmt die Gastgeberin, MdB Ulrike Bahr wahr. Sie spricht zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens bezüglich der Prostitution. Sie dankt dem Familienministerium, an der Expertenanhörung im Sommer teilnehmen zu dürfen. Sie sieht den Graubereich zwischen legaler und illegaler Sexarbeit durch die EU-Osterweiterung wachsen und appelliert auch jene zu schützen, die davon bedroht sind einmal Opfer von Menschenhandel zu werden.

Darauf folgt ein Schauspiel. Das von zwei Frauen entwickelte Stück „Der Nuttenbus von der A8“, was normalerweise in einem Kleinbus gehalten wird, um dem Publikum Enge zu vermitteln, wird aufgeführt. In Vorbereitung zu dem Stück wurde mit deutschen Prostituierten in einem Augsburger Bordell sowie Zuhältern gesprochen. Aus diesen Erzählungen machten sie ein Solostück. Porträtiert wird eine in die Jahre gekommene deutsche Sexarbeiterin, die Hand, Blasen oder „Quicki“ für jeweils 30 € macht und viele Kunden pro Tag braucht um ihre Kosten zu decken. Sie beschwert sich über die „Ostschlampen“ die schnell Kohle machen wollen. Sie erzählt, wie sie angelernt wurde, welche problematische Aspekte ihrer Arbeit hat und dass auch Männer zu ihr kommen, die wissen wollen wie man eine Frau befriedigt.

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Prostitution in Deutschland. Mehr Rechte verhindern Ausbeutung

Autorin: Irmingard Schewe-Gerigk. Dieser Beitrag wurde ursprünglich veröffentlicht auf b-republik.de und wird freundlicher Genehmigung der Autorin weiter veröffentlicht. 

Bis 2002 waren Prostituierte in Deutschland nahezu rechtlos. Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hat diesen Zustand juristisch erstmals beendet. Dennoch bleibt viel zu regeln, um die betroffenen Frauen wirksam zu schützen. Dabei würde sich die Kriminalisierung der Prostitution als Irrweg erweisen.

Kaum ein gesellschaftspolitisches Thema erregt die Gemüter in Talkshows und Magazinen so sehr wie das Thema Prostitution. Zwei Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber: Die Vertreter eines Verbots verkünden missionarisch, dass Prostitution niemals freiwillig sein kann, sondern immer unter Zwang ausgeübt wird. Sie sprechen den Prostituierten die Entscheidungskompetenz ab, wollen Bordelle und Prostitution verbieten und Freier bestrafen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Prostitution tolerieren und als Teil des Selbstbestimmungsrechts von Frauen ansehen, wenn sie freiwillig erfolgt. Sie argumentieren, durch die Stärkung der Rechte von Prostituierten könne ihrer Ausbeutung entgegengewirkt werden.

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Menschenhandel: Breaking the cycle

Autorin: Helga Konrad, Leiterin und Koordinatorin der ‚Regionalen Implementierungs-Initiative zur Prävention & Bekämpfung von Menschenhandel‘ am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa – IDM 

Menschenhandel ist in den vergangenen Jahren viel diskutiert worden – nicht immer frei von Sensationsmeldungen, panikmachenden Zahlen und einer Rhetorik, die oft mehr Skepsis hervorrufen als Anlass und Anstoss zu mehr und wirksameren Gegenmaßnahmen gaben und geben.Und Regierungen, Stakeholder, Behörden und andere scheinen auch tatsächlich schön langsam müde zu werden, immer die gleichen Argumente, Klagen, Beschwerden und Probleme zu hören.

Tatsache ist, dass fast 15 Jahre nach Verabschiedung des UN Protokolls zu Menschenhandel gewisse Probleme immer noch vom Tisch gewischt werden; dass etliche Probleme im Ping Pong zwischen Institutionen und/oder Ländern und Behörden hin und her geschoben werden; dass immer noch verworrene Auffassungen und unklare Abgrenzungen zwischen Menschenhandel und damit verbundenen Bereichen wie (illegale) Migration, Prostitution, Schleuser/Schleppertätigkeit existieren.

Tatsache ist auch, dass wir uns eher auf das Abfedern der Konsequenzen von Menschenhandel als auf dessen Vorbeugung/Prävention konzentrieren – trotz der Beteuerungen, dass pro-aktives Handeln besser ist als reaktives. Prävention ging in den vergangenen Jahren nicht weit über undifferenzierte Aufklärungskampagnen und die Einrichtung von Notrufen hinaus. Letztere verdienen die Bezeichnung ‚Notruf‘ oft gar nicht, da sie oft nur einige Stunden während der in Europa üblichen Dienstzeiten von BeamtInnen besetzt sind und oft nicht multi-lingual agieren können.

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Sexarbeit in Hamburg, St. Georg: Ätzende Spritzer und starke Frauen

Autorin: Leyla Yenirce, ursprünglich veröffentlicht auf boell.de

Die Sexarbeiterinnen im Hamburger Bahnhofsviertel führen ein Leben auf der Straße, geprägt von Sucht und Ausgrenzung. Der Verein Ragazza hilft ihnen, den Alltag zu bewältigen. Porträt eines Milleus

Hamburg, ein gedrungenes Haus in einer unscheinbaren Seitenstraße: Hier arbeitet Ragazza, ein Verein, der sich um drogenabhängige Sexarbeiterinnen kümmert. Der Aufenthaltsraum ist versehen mit Fotos der Mitarbeiterinnen, auf der Küchentheke steht ein Korb mit Brötchen für das Abendessen. Die Mitarbeiterinnen führen eine FSJgruppe  durch die Räume: Schlafraum, Konsumraum, Wundversorgungsraum. Es sieht aus wie im Ikea-Katalog, grelle Farben und helle Holzmöbel.

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Populistische Doku: „Verkauft, verschleppt, missbraucht – Vom Kampf gegen den Menschenhandel“

Die Doku „Verkauft, verschleppt, missbraucht – Vom Kampf gegen den Menschenhandel“ wurde am 21. September noch mal gesendet. Auch dieses Mal bin ich davon überzeugt, dass es sich um eine unsachliche und populistische PR-Kampagne gegen Prostitution handelt. Gezeigt werden mehrere Schicksale von Betroffenen von Menschenhandel, aber auch Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder, die mit „Prostitution“ gleichgesetzt werden und somit verharmlost werden.

Die Schicksale der Frauen werden selten kontextualisiert. Die Beschreibungen, die letztendlich gesendet werden, sind Beschreibungen von Gewalt, die ihnen Täter angetan haben. Von strukturellen Faktoren ist keine Rede. Informationen über die Gesetzeslage finden sich kaum – bis auf die ständigen Verweise, dass das Prostitutionsgesetz (drei mickrige Paragraphen) an allem Schuld sind. Eine populistische monokausale und, mit Verlaub, auch einfach falsche Erklärung wird genutzt, um aus einer Doku über Menschenhandel eine Doku gegen Prostitution und Sexarbeit zu machen. Mit allen verqueren und unsachlichen Vermischungen, die damit einhergehen.

In einen Topf geworfen wird hier vieles: Prostitution, migrantische Sexarbeit, sexuelle Gewalt gegen Kinder, Vergewaltigung von Kindern, Menschenhandel, Zuhälterei, Migration rumänischer Frauen nach Deutschland, Ausbeutung rumänischer Frauen in Deutschland. All das scheint für die Autoren der Doku das gleiche zu sein. Gerechtfertigt scheint diese oberflächliche und populistische Gleichsetzung durch das gemeinsame Ziel all derjeniger die zu Wort kommen: Der Kampf gegen die legale Prostitution. Mit einer Ausnahme. Die Betroffenen von Menschenhandel erhalten außerhalb der graphischen Beschreibung ihrer Ausbeutung keine Stimme. Und Sexarbeiter*innen sowieso nicht. Die Deutungsmacht liegt bei den Autoren, den Anti-Prostitutions-Therapeuten. Ja, gar bei einem Zuhälter und Menschenhändler.

Die Macher der Doku haben den Blick der Menschenhändler dermaßen internalisiert, dass sie selber die Betroffenen von Ausbeutung sowie Sexarbeiter*innen (die erst gar nicht vorkommen) nicht nur als „Ware“ sehen und beschreiben sondern auch als „Ware“ behandeln. Denn in der Doku dürfen sie nicht sprechen. Die Deutungsmacht über ihr Leben, ihre Erfahrungen obliegt den angeblichen Expert*innen, auch wenn diese deutlich zeigen, dass sie kein bißchen Respekt für Sexarbeiter*innen übrig haben. Die Experten haben auch kein Wort über Menschenhandel verloren zumindest kein sachliches Wort, das die Debatte weiterbringt. Sie verteufeln alleine die Prostitution. Die Doku ist ein gutes Beispiel für populistischen Anti-Prostitutions-Journalismus.

Und damit klar wird, warum ich das sage, habe ich im Detail aufgeschrieben, was an dieser Doku alles problematisch ist.

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Gesetze zu Prostitution und Menschenhandel: Stellungnahme des Juristinnenbundes

Autor*in: Deutscher Juristinnenbund e. V.

Stellungnahme zur Reform der Strafvorschriften des Menschenhandels, Verbesserung des Schutzes der Opfer von Menschenhandel und Regulierung der Prostitution vom 15.09.2014 (djb.de)

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat zur Frage der Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU und zur Diskussion weiteren rechtspolitischen Handlungsbedarfs zur Bekämpfung des Menschenhandels, Unterstützung der Opfer von Menschenhandel, Stärkung der Prävention und Regulierung des Prostitutionsgewerbes einen Arbeitsstab eingesetzt, der von Februar bis August 2014 gearbeitet und sich mit aktuellen Forderungen zu Reformen in den genannten Bereichen auseinandergesetzt hat. Der Arbeitsstab hat darüber hinaus eine Anhörung durchgeführt, bei der Vertreterinnen von Beratungsstellen, die mit Opfern von Menschenhandel arbeiten, sowie Vertreterinnen der Verbände von Sexarbeiterinnen anwesend waren. Die Ergebnisse und Empfehlungen aus der Arbeit des Arbeitsstabs fasst diese Stellungnahme zunächst zusammen, das ausführliche Gutachten folgt im Anschluss.

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Was geschieht mit all den Daten? Europäische Datenschutzgesetze und der Schutz der persönlichen Daten von gehandelten Menschen

Autorin: Marjan Wijers. Dieser Beitrag wurde in Berlin, am 25. September 2013 im Rahmen der datACT – Konferenz zu Datenschutz und Menschenhandel vorgetragen. Die englische Originalversion ist hier zu finden. 

Einleitung

Während der letzten Jahre ist ein gesteigertes Interesse an der Erhebung der persönlichen Daten der Opfer von Menschenhandel zu verzeichnen. Personenbezogene Daten gehandelter Menschen werden nicht nur im Kontext polizeilicher Untersuchungen und strafrechtlicher Verfolgungen, oder der Koordination nationaler und nationenübergreifender Hilfsaktionen, gesammelt und ausgetauscht, sondern aus den verschiedensten Gründen auch durch nationale Regierungen, zwischenstaatliche Organisationen, NGOs und private Unternehmen.

Ein Beispiel für die staatlich organisierte Sammlung von Daten sind die National Rapporteur Mechanisms in Europa. Einige beruhen auf der Sammlung anonymisierter, nicht-personifizierbarer Daten über Menschenhandelsopfer, während andere sich auf die Erhebung individuell zuordbarer Opferdaten konzentrieren. Ein Beispiel für eine privat betriebene Unternehmung ist das Polaris Projekt, das federführend von einem in den USA ansässigen Unternehmen durchgeführt wird, und das die Analyse von Trends im Bereich des Menschenhandels zum Ziel hat.1 Letzgenanntes Beispiel zeigt, daß die Daten gehandelter Menschen zunehmend einen wirtschaftlichen Wert darstellen.

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Von Zwangspolitikern und der Registrierungspflicht für Sexarbeiter/-innen (Gastbeitrag)

Autorin: Johanna Weber. Ursprünglich veröffentlicht auf johannaweber.de

Vor einigen Jahren habe ich noch drüber nachgedacht, selber eine politische Laufbahn einzuschlagen. Das kann ich mir jetzt nicht mehr vorstellen. Wie die Jungfrau kam ich zum Kinde und wurde Politische Sprecherin des Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen. Verändern kann ich in der Position nicht viel, aber ich habe sehr tiefe Einblicke in den Arbeitsalltag der Bundespolitiker bekommen. Menschen, die vermeintlich die Geschicke unseres Landes in der Hand haben. Menschen, die klug und weise zum Wohle aller handeln sollten.

Aber wie frei sind diese Menschen in ihren Entscheidungen? Nun gut, mit der Korruption hält es sich in unserem Lande in Grenzen, aber es gibt hier ganz andere Grenzen, die freie und oftmals vernünftige Entscheidungen fast komplett verhindern. Ich sehe unter welchen Zwängen Politiker Tag täglich arbeiten. Selbst wenn sie wollten, können sie nicht wirklich die sinnvollste Lösung anstreben, sondern müssen immer taktieren mit dem Koalitionspartner, den Lobbyisten, den verschiedenen Schichten von Parteigenossen… und am Ende geht es gar nicht mehr um die eigentliche Sache.

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DIE HURE SPRICHT – eine Reflexion über Sexarbeit, Solidarität und politische Wirksamkeit anlässlich der Konferenz „Fantasies that matter- Images of Sexwork in Media and Art“

Autorin: Kristina Marlen arbeitet als tantrische Domina in Berlin. Sie studierte Jura und Physiotherapie bevor sie sich entschloss, ihren Schwerpunkt auf Sexarbeit zu legen. Sie ist ausserdem Tänzerin, Sängerin und Performerin. Webseite: marlen.me Eine englischsprachige version dieses Textes ist erschienen auf Research Project Germany

Ich bin Sexarbeiterin aus Berlin und seit etwa zwei Jahren in der Sexarbeitsbewegung aktiv. Der Kampf gegen die Verschärfung unseres deutschen, bisher glücklicherweise relativ liberalen Prostitutionsgesetzes liegt mir am Herzen.

Am Wochenende vom 8. bis 10. August besuchte ich die Konferenz „Fantasies That Matter, Images of Sex Work in Media and Art“ im Rahmen des Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel in Hamburg.

Was mich als Sexarbeits-Aktivistin mit am meisten beschäftigt und bedrückt, ist die Präsenz und die Schieflage medial reproduzierter Mythen, die sich um Prostitution drehen. Seitdem ich mich politisch engagiere, ist mir klargeworden, dass das, was meinen politischen Zielen am meisten entgegensteht, die planmäßige Verbreitung eines Horrorszenarios um sexuelle Dienstleistungen ist. Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Akteur*innen in der Politik, mit denen wir verhandeln, auch wenn sie fortschrittlich sind, scheinen rationalen Argumenten gegenüber völlig resistent zu sein, weil ein emotional aufgeladener Mythos, an die Stelle sachlicher Analysen gerückt ist – und dieser fußt auf Propagandalügen.

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Was ist denn diese Pro-Prostitutions-Lobby? Plädoyer für eine Differenzierung

Seit circa einem Jahr und insbesondere seitdem Alice Schwarzer im November letzten Jahres ihren „Appell gegen Prostitution“ zeitgleich mit ihrem Buch veröffentlichte, redet Deutschland verstärkt über Prostitution. Es kam zu vielen Diskussionen, Debatten und Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Gruppen, die sich mit dem Thema befassen. Es ist die Rede von den Prostitutionsgegner*innen und den Pro-Prostitution-Lobbyist*innen. Gerade von der sogenannten „Pro-Prostitutions-Fraktion“ wird oft eher abfällig geschrieben, ohne sich näher zu fragen, was denn da genau dahinter steckt. Da ich auch gerne unter die letzte Kategorie gepackt werde und viele sich damit die Mühe ersparen, sich tatsächlich mit Argumenten und Inhalten auseinanderzusetzen, werde ich hier ausbuchstabieren, was denn diese „Pro-Prostitutions-Lobby“ eigentlich ist, warum das ein missverständlicher Begriff ist und warum er sogar gegensätzliche Interessen in einen Topf wirft und somit vor allem Sexarbeiter*innen schadet.

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Doku: „Schreit nicht zu laut“ – Menschenhandel während der WM 2010 in Südafrika

Autorin: Thea Bederke

In dem Dokumentarfilm „Don’t shout too loud“ (2013) thematisiert Courtney D. Campbell den öffentlichen Diskurs über Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung vor und während der FIFA-Fußballweltmeisterschaft in Südafrika im Jahr 2010. Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte des Films zusammengefasst.

Campbell nähert sich dem Thema, indem er Mitarbeiter_innen verschiedener Anti-Trafficking-Organisationen und Forscher_innen sprechen lässt. Auch politische werden eingeblendet. Nachdem er einige Expert_innen verschiedener Anti-Trafficking-Organisationen (z.B. die Internationale Organisation für Migration – IOM sowie das United Nations Office on Drugs and Crime – UNODC) das Problem des Menschenhandels in Südafrika erklären lässt, beginnt er eine Spurensuche. Woher kommt dieser Diskurs über Menschenhandel? Die Suche nach der ursprünglichen Thematisierung von Menschenhandel im globalen Kontext führt in die USA.

Ronald Weitzer, Soziologieprofessor an der George Washington University in Washington, beschäftigt sich wissenschaftlich sowohl mir Prostitution als auch mit Menschenhandel. Er erläutert, dass in den ersten vier Jahren der Bush-Regierung mit insgesamt 400 Millionen Dollar ausländische NGOs gegen Menschenhandel unterstützt wurden und bis 2012 nationale und internationale NGOs insgesamt mit 1.115 Milliarden Dollar finanziert wurden. Diese Ausgaben hängen mit dem so genannten „Trafficking in Persons Report“ (kurz TIP Report) zusammen, der seit 2001 jährlich veröffentlicht wird und auf dem „Trafficking Victims Protection Act“ aus dem Jahr 2000 basiert. Weltweit werden Staaten, je nach Einschätzung des U.S. Departement of State, auf eine Rangliste (engl. „tier“) mit drei Plätzen gesetzt. Die Platzierungen, „tier 1“, „tier 2“ und „tier 3“, werden vergeben, je nachdem, ob die verschiedenen Staaten die in dem „Trafficking Victims Protection Act“ vorgegebenen Mindeststandards einhalten (hier sind sie aktuellen und ältere Platzierungen zu finden). Die Platzierung ab der Stufe 2 und schlechter haben Sanktionen zur Folge.

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Prostitution und Menschenhandel (1): Die „Wahrheit“ über das „Nordische“ und „Schwedische“ Modell

Aktualisiert im November 2022 (Linkliste zu Studien am Ende des Textes und im Text mit Hyperlinks).

Ein paar einleitende Bemerkungen zum sogenannten „schwedischen bzw. nordischen Modell“ 

Das sogenannte „schwedische“ bzw. „nordische“ Modell“ ist ein Prostitutionsverbot, dessen erklärtes Ziel die Abschaffung der Prostitution ist. Die Hauptmaßnahme des „Modell“ ist die pauschale Kriminalisierung aller Kund*innen von Sexarbeitenden, unabhängig von den Arbeitsbedingungen unter denen die Sexarbeit erfolgt. Unterstützer*innen des Modells betonen, dass nicht die Prostituierten, sondern nur die Freier bestraft werden, weshalb auch von „Freierbestrafung“ oder „Sexkaufverbot“ gesprochen wird. De facto handelt es sich um ein Vergütungsverbot für Sexarbeit bzw. sexuelle Dienstleistungen. Statt bessere Bezahlung zu fordern, wird ein Bezahlverbot gefordert.

Das ist aber nicht alles. Es werden alle Akteure rund um die Prostitution und Prostituierten kriminalisiert, sprich Vermietung von Räumlichkeiten und Arbeitsorten oder andere Vermittler*innen, aber auch Kolleg*innen und private Beziehungen. De facto führt das zu einer Deregulierung des Prostitutionsmarktes, denn der Staat reguliert nicht mehr, wo wie und unter welchen Bedigungen Sexarbeit stattfindet. Stattfinden darf sie legal eigentlich nirgends mehr, was zu einer vollständigen Verlagerung ins Dunkelfeld führt.

Weil auch Norwegen und Island, inzwischen auch Nordirland, Irland und Frankreich, den Kauf von Sex verboten haben, sprechen Befürworter von einem „Nordischen“ Modell, obwohl Finland und Dänemark ein allgemeines „Sexkaufverbot“ bereits abgelehnt haben (hier finden sie ältere Beiträge zu Schweden  und Norwegen). Eigentlich gibt es kein „nordisches Modell“, sagen auch Wissenschaftler*innen.

Das sogenannte „Sexkaufverbot“ wird von einer lautstarken Antiprostitutionslobby gefordert, die sich selbst mit dem Begriff „Abolitionismus“ beschreibt (in Anlehnung an den Abolitionismus, der die Abschaffung der Sklaverei forderte, wobei der Vergleich zwischen Sklaverei und Prostitution problematisch ist) und die im feministischen Diskurs auch als „Radikaler Feminismus“ bekannt ist. Sie definieren Prostitution als „Gewalt gegen Frauen“ und als patriarchale Unterdrückung par excellence. Neuerdings wird die Rhetorik des „nordischen Modells“ auch von konservativen Kräften instrumentalisiert, wobei diese unter diesem Deckmantel letztendlich ein Komplettverbot der Prostitution reinschmuggeln, wie neuerdings in Kanada oder auch im EU-Parlament.

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Aber was ist mit Menschenhandel?

Autorin: Megan Rivers-Moore, Soziologin und Assistant Professor in Frauen- und Geschlechterstudien an der Carleton University, Kanada. Ursprünglich veröffentlicht auf Border Criminologies

„Wir möchten Sie einladen, um einen Vortrag über Menschenhandel zu halten. Das Thema stoßt bei unseren Studierenden auf großes Interesse und bereitet ihnen Sorge.“

„Ich habe vor, eine Hausarbeit über sexuelle Sklaverei von Frauen zu schreiben. Jedes Jahr werden Millionen von Frauen in die Sex-Industrie verkauft und das ist ein sehr wichtiges Problem, das Feministinnen ansprechen müssen.“

„Aber was ist mit Menschenhandel? Mit den Frauen, die gegen ihren Willen dazu gezwungen werden, Sex zu verkaufen? Ich möchte über diesen Aspekt Ihrer Arbeit hören.“ 

Obwohl es in meiner Forschung nicht um Menschenhandel geht, erhalte ich regelmäßig diese Art von Einladungen, studentische Arbeiten und Fragen. Als Sexarbeits-Forscherin werde ich häufig mit der sehr frustrierenden Annahme konfrontiert, dass Sexarbeit und Menschenhandel ein und dasselbe sind. Obwohl ich dieses Problem in der Vergangenheit gelegentlich angesprochen habe, denke ich weiterhin darüber nach, was die Beschäftigung mit diesem Thema erklären könnte. Was zeigt das Interesse an Menschenhandel über die komplizierte Beziehung zwischen Feminismus, Rassismus, Einwanderung und Grenzkontrolle auf?

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Projekt „Reurbanizacao“: Massenrazzia gegen Sexarbeiter*innen in Niterói, Rio de Janeiro

Autorin: Janine Ewen (@JanineEwen)

Am 23. Mai 2014 marschierte die Polizei aus dem 76. Polizeirevier in Niterói illegal und ohne richterliche Genehmigung in das Gebäude „Caixa Economica“, wo 300 Sexarbeiter*innen und andere Bewohner leben. Niteroi ist eine Stadt, die gegenüber der Guanabara Bucht von Rio de Janeiro liegt. Unter dem Namen „Reurbanizacao“ (Re-Urbanisierung) ging es bei dieser Polizeioperation um die Entfernung von rund 300 Prostituierten, die zu weiteren Ermittlungen auf Polizeistationen gebracht wurden. Insbesondere vor dem Hintergrund der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2014, die am 12. Juni beginnt, wird angenommen, dass die Operation Teil der Massenhygienisierung (sozialen Säuberung) in der Innenstadt von Niterói ist.

„FIFA Müll -Reiniger sind in der Stadt und unterstützen diese Regierungsbastarde“ (Anwohner)

Sexarbeiterinnen, Menschen, die in den Wohnungen leben und die Bewohner des umliegenden Gebietes wurden vertrieben und deren Geschäfte geschlossen und sind nun ohne Arbeit und Unterkunft. Zu den Gewerben gehörten Geschäfte und Haarsalons, die durch die lokale Sexarbeiter*innen-Gemeinschaft überlebten. Sie wurden gesprengt, geschlossen und versiegelt.

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Sex, Sklaven und Bürgerschaft: Politiken des anti-trafficking

Autorinnen: Bridget Anderson (Oxford) und Rutvica Andrijasevic (Leicester)

Wie der Fokus auf das Übel des Menschenhandels die Debatte über Migration entpolitisiert

Menschenhandel ist in den Nachrichten. National und international ist er auf der politischen Agenda. Tausende von Menschen, Hunderte von Gruppen, Dutzende von Zeitungen sind entschlossen, ihn auszumerzen. Dieser Fokus auf Menschenhandel reflektiert und verstärkt ständig die tiefe Besorgnis der Öffentlichkeit über Prostitution und Sexarbeit, über Einwanderung, sowie über den Missbrauch und die Ausbeutung, die er so häufig beinhaltet. Wenn man den Begriff Menschenhandel oder bestimmte Maßnahmen dagegen hinterfragt, könnte man auch gleich sagen, dass man Sklaverei billigt, gegen Mutterschaft ist und Apfelkuchen nicht mag. Menschenhandel ist ein Thema, das uns alle zusammenbringen sollte. Aber wir glauben, dass es notwendig ist, ja nicht in Verdacht zu geraten, Mutterschaft und Apfelkuchen zu kritisieren und Sklaverei zu befürworten. Denn die moralische Panik in Bezug auf Menschenhandel lenkt die Aufmerksamkeit von den strukturellen Ursachen der Ausbeutung von Wanderarbeiter*innen ab. Das Interesse wird auf die bösen Übeltäter gelenkt statt auf eher systemische Faktoren. Insbesondere wird der staatliche Umgang mit Migration und Beschäftigung ignoriert, der de facto Gruppen von Nicht-Bürger*innen konstruiert, die ungestraft als ungleich behandelt werden können.

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Über Monica Jones, Prostitution und …. Zwang

Manifesting prostitution“ heißt die Straftat, die Monica Jones begangen haben soll und wofür sie am vergangenen Freitag im US-Bundesstaat Arizona verurteilt wurde. „Manifesting prostitution“ heißt im Fall von Monica Jones, die schwarz und transsexuell ist, „auf der Straße laufen“ und „sich hin und wieder mit Leuten unterhalten“. Wer sich so verhält, kann festgenommen und wegen Prostitution angeklagt werden, die im US-Bundesstaat Arizona verboten ist.

Natürlich spazieren viele Leute auf der Straße und unterhalten sich mit Menschen, aber nur wer so oder so aussieht, wird tatsächlich verhaftet. Die ACLU – American Civil Liberties Union – wies deutlich daraufhin, dass das Kriterium für eine Festnahme meistens das Geschlecht und die Hautfarbe sind. Insbesondere transsexuelle women of color würden besonders oft durch die Polizei festgenommen und zwar nach Prinzipien, die ein racial profiling mit einem sexual profiling kombinieren. Nicht nur die Hautfarbe sondern auch das Geschlecht und Sexualitäten, die von der gesellschaftlichen Norm abweichen, werden gezielt unter Strafe gestellt und verfolgt. Das Gesetz lädt quasi zu Diskriminierung ein. Auf ihre erste Verhaftung folgten noch weitere, wie Monica Jones in einem Interview erklärt:

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Interview mit Betroffener von Menschenhandel Jes Richardson (USA)

Jes Richardson.

Ruth: Wie kam es zu Deinem Engagement in der Bewegung gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung?

Jes: Vor vier Jahren habe ich zum ersten Mal von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung (sex trafficking) gehört. Ich hatte an einer Stadtteilversammlung mit einer Freiwilligen-Organisation teilgenommen, wo es einen Vortrag zum internationalen und nationalen Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung gab. Während des Vortrags verstand ich zum ersten Mal, dass ich Menschenhandel erfahren hatte und dass der Missbrauch nicht meine Schuld war. Hinzu kam, dass ich genau in dem Hotel, wo die Stadtteilversammlung abgehalten wurde, zwölf Jahre zuvor gehandelt wurde. In diesem Moment wusste ich, dass ich mich melden musste. Ich musste meine Erfahrung mit anderen teilen. Wenn ich selbst nicht das Bewusstsein darüber hatte, was ich erlebt hatte, dann wie viele andere Menschen musste es noch geben, die die gleichen Erfahrungen hatten? So begann meine Suche nach einem tieferen Verständnis der Sprache zur Beschreibung meiner eigenen Erfahrung und danach, wie wir am effektivsten Menschenhandel stoppen können.

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Kontrolle im Namen des Schutzes: Bekämpfung von Menschenhandel als Vorwand

Häufig sind es andere Interessen, die mit dem Kampf gegen den Menschenhandel durchgesetzt werden können, zB. eine striktere Einwanderungspolitik. Es geht dabei selten um ein „Empowerment“ der ausgebeuteten Menschen. Der Fokus auf die Stärkung der Menschenrechte der Ausgebeuteten ist notwendig um Menschenhandel nachaltig zu bekämpfen. Foto: banspy. Creative Commons LizenzvertragDieses Bild steht unter einer Creative Commons Lizenz.

Autorin: Caroline Ausserer, ursprünglich veröffentlicht auf http://www.gwi-boell.de/ im Dossier: Gleichstellungsprojekt Europa? 

Die Narrative

Auf das Thema Menschenhandel machen Politik, Medien oder NROs mit schockierenden Geschichten aufmerksam. Die meisten dieser Erzählungen beginnen mit einer Form der Täuschung oder des Betrugs um die Aufmerksamkeit der Person zu bekommen. Dabei kann es um falsche Versprechungen einer Heirat oder einer lukrativen Arbeit im Ausland gehen. Auf die Täuschung folgt die Reise, die häufig von kriminellen organisierten Gruppen organisiert wird. Am Zielort angekommen, werden die getäuschten Frauen eingesperrt und dazu gezwungen sich zu prostituieren. Elemente wie: Reiseschulden abzahlen, Dokumente abgeben müssen und die Brutalität der kriminellen Banden unterstreichen die Ausweglosigkeit dieser Frauen.

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(Wütender) Kommentar: Das Europaparlament stimmt für Komplett-Verbot der Prostitution

Heute Mittag hat das Europaparlament über den sogenannten Honeyball-Bericht „über sexuelle Ausbeutung und Prostitution und deren Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter“ abgestimmt. Der Bericht wurde mit einigen kleinen Änderungen angenommen und ist aber noch nicht in seiner endgültigen Form online, aber hoffentlich bald. Mit den heute vorgenommenen Änderungen plädiert der Bericht de facto für ein Prostitutionsverbot, was ein unglaublicher Rückschritt ist.

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‘Respecting the rights of sex workers in our democratic societies’

This piece was originally published on humanrightseurope.com, the Human Rights Blog of the Council of Europe, on February 5th 2014

A few years back, it was 2009, I stumbled upon the first media report on “forced prostitution”. Needless to say, I was shocked that such a thing could exist in our societies. Since then, I have been working on the topic of “human trafficking” with a particular interest on a human rights-based approach. It is in this context that I became aware of the criticism of sex workers’ organisations, as well as human rights groups, towards a certain anti-trafficking framework.

According to La Strada International, a “human rights based approach integrates core human rights principles, such as participation, non-discrimination and empowerment, and opposes anti-trafficking measures that may harm the human rights of trafficked persons or other affected groups“ and in particular human rights based anti-trafficking policies are not used „to directly or indirectly discriminate against women, migrants, sex workers or other groups.”

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Amnesty International, Sexarbeit und Menschenrechte

Letzte Woche wurde ein internes Arbeitspapier von Amnesty International geleaked, in dem Argumente für die Entkriminalisierung von Prostitution bzw. Sexarbeit vorgebracht werden. Unter „Sexarbeit“ versteht Amnesty dem Papier zufolge einvernehmliche, bezahlte sexuelle Handlungen unter Erwachsenen, also zwischen Menschen, die älter als 18 sind. In vielen Ländern ist Sexarbeit (und vor allem Sexworker) kriminalisiert, was zu Gewalt (auch durch die Polizei), Rechtlosigkeit, Ausbeutung und Stigma beiträgt oder zur Inhaftierung von Sexarbeiter_innen führt. Kriminalisierung marginalisiert Sexarbeiter_innen, erschwert den Zugang zum Recht sowie den „Ausstieg“, da sie als „Kriminelle“ wesentlich geringere Chancen zur gesellschaftlichen Reintegration haben.

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Warum es Unsinn ist, das Mindestalter für die Ausübung der Sexarbeit auf 21 zu erhöhen

Die CSU will laut Medienberichten Anfang Januar einen Gesetzesentwurf zum Thema Prostitution beschließen. Daran ist vieles problematisch, da in erster Linie die Prostituierten zusätzlich unter behördliche Kontrolle gestellt werden, ohne gleichzeitig mehr Rechte zu erhalten. Das Argument lautet, wie immer, dass dadurch die „Frauen“ besser vor Menschenhandel geschützt werden sollen – ein Argument, das unkundige Bürgerinnen und Bürger sprachlos macht (wer will den Frauen schon nicht schützen?). Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehören:

  • das Mindestalter für eine Tätigkeit als Sexarbeiter*in auf 21 erhöhen
  • Zwangsuntersuchungen für Prostituierte und Registrierung beim Gesundheitsamt
  • Telekommunikationsüberwachung beim Verdacht auf Zuhälterei
  • Abschaffung des beschränkten Weisungsrechtes, wie es im Prostitutionsgesetz vorgesehen ist

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Veranstaltung am 9.12 in Berlin “Daten und Fakten zur Prostitution, die vielleicht überraschen“

Prostitution Menschenhandel Daten Fakten _Seite_1Veranstaltung 1: 09.12.13 18 Uhr Urania Berlin, Humboldt – Saal

Tickets kann man unter (030) 218 90 91 telefonisch reservieren & an der Abendkasse bezahlen.

“Daten und Fakten zur Prostitution, die vielleicht überraschen”

Vortragende:

Percy MacLean, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht (2002/2003 beurlaubt für das Amt des Direktors des Deutschen Instituts für Menschenrechte)

Christiane Howe, Sozialwissenschaftlerin aus Berlin, Studien Geschlechterverhältnisse im globalisierten Kontext, Prostitution und Menschenhandel, Anwohnerprojekt Straßenstrich Kurfürstenstraße in Berlin

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Solidaritätsbekundung: Missy Magazine und Irmingard Schewe-Gerigk – und vermutlich noch mehr

Angesichts der Angriffe, die das Emma-Magazin in den letzten Wochen gegen Frauen und Feminist*innen veröffentlicht hat, die sich für eine differenzierte Ansicht zum Thema Prostitution einsetzen, möchte ich an dieser Stelle meine Solidarität für diese auf unfaire Weise angegriffenen Menschen äußern, darunter Irmingard Schewe-Gerigk (Terre des Femmes und Bundestagsabgeordnete a.D.) und Stefanie Lohaus (Missy Magazin).

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Das französische Gesetz gegen Prostitution: Wenn der Staat Freiheiten einschränkt – Bevormundung, Entmündigung und Zensur

Einvernehmliche sexuelle Handlungen unter Erwachsenen gegen Entgelt werden unter Strafe gestellt. Webseiten können einfach gesperrt werden. Mit einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheit der Bürger_innen, will Frankreich angeblich für die Befreiung von Prostituierten kämpfen.

Am 28. November 2013 stimmt das französische Parlament über einen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Prostitution ab. Dieses Gesetz wird aus verschiedenen Perspektiven kritisiert. Insbesondere die pauschale Bestrafung von Kunden von Sexarbeitern wird von Organisationen ausverschiedenen Bereichen kritisiert, darunter Sexarbeiter-Organisationen, AIDS-Hilfen, aber auch Frauen-Organisationen.

Gegen den Gesetzentwurf äußern sich auch feministische Stimmen, wie z.B. das „Collectif du 8 mars pour toutES„. Das Kollektiv prangert in einem offenen Brief insbesondere die Exklusion von Prostituierten aus der Debatte, was sie als nicht-feministisch einstufen, sowie den repressiven Charakter des Gesetzes an.

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Der „deutsche Skandal“ der Prostitution. Und wie Sexarbeiter*innen zu Frauenhändlern wurden

Ja, wir müssen uns mit dem Thema Prostitution, der Frage beschäftigen, wie man die Arbeits- und Lebensbedingungen von Prostituierten verbessern kann und wie man Menschenhandel verhindern kann. Aber nicht so. Dieses Buch ist der falsche Ansatz sowohl bei der Bekämpfung des Menschenhandels (der auch in anderen Branchen stattfindet) als auch bei Stärkung der Rechte von Sexarbeitenden. Das Buch wühlt emotional auf, bietet aber kaum eine Quelle an, wenn es um Fakten geht.

Was für ein Wissen ist das, was Alice Schwarzer verkauft? Wie fundiert ist es und was kann man damit anfangen? Kann ich überhaupt solche Fragen an ein Buch herantragen, das weiter entfernt von Wissenschaftlichkeit nicht sein könnte? Wie kann ich ein Buch rezensieren, das auf der Prämisse fundiert zu sein scheint, dass man Wissen erfinden kann, solange die Botschaft ankommt? Und die Botschaft ist klar: Prostitution gehört abgeschafft.

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Mit Razzien gegen Menschenhandel?

Dieser Text ist eine Übersetzung eines Auszugs aus der Studie „The Use of Raids to Fight Trafficking in Persons“ (Die Verwendung von Razzien im Kampf gegen Menschenhandel). Die Studie wurde von Melissa Ditmore für SWP – Sex Workers Project in New York verfasst. Den vollständigen Bericht (Engl.) können Sie hier herunterladen.

Unscharfe Begriffe: „Razzia“ und „Rettung“

Die Begriffe „Razzia“ und „Rettung/retten“ werden oft verwendet, um Polizeiaktionen gegenüber Prostitution und Menschenhandel zu beschreiben. Während das Wort „Razzia“ impliziert, dass Täter verhaftet und bestraft werden, und das Wort „Rettung/retten“ sich darauf bezieht, dass jemand aus einer gefährlichen Situation geholt wird, werden die beiden oft synonym verwendet und und Unterschiede ausgeblendet. „Gerettete“ Menschen werden oft ähnlich behandelt wie jene, die in Polizeirazzien aufgegriffen werden. In Asien werden Prostitution und Menschenhandel von Polizei und NGOs […] so stark vermischt, dass sich dort der Begriff „Rettungs-Razzien“ verbreitet hat.[1] Jene Akteur_innen, die in diese „Rettungen“/Razzien involviert sind, erkennen auch an, dass deren Abläufe und Ergebnisse oft dieselben sind. Holly Burkhalter, derzeit Vizepräsidentin für Government Relations bei der International Justice Mission (IJM), einer religiösen Organisation, die Razzien in asiatischen Bordellen durchführt, schrieb in der Washington Post vom 8. Dezember 2003: „Es gab ein paar erfolgreiche Rettungen in Indien, Kambodscha und Thailand, bei denen die Polizei Razzien in Bordellen durchgeführt hat und die jüngeren Mädchen in Rehabilitationseinrichtungen gebracht hat. Aber die meisten Razzien in Bordellen haben auch dazu geführt, dass erwachsene Sexarbeiter_innen verhaftet und abgeschoben wurden.“[2]

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Vortrag von Ina Hunecke zum Prostitutionsgesetz, seine Hintergründe und Geschichte

Die Rechtswissenschaftlerin Ina Hunecke und Autorin von „Das Prostitutions­gesetz und seine Umsetzung“ hielt am 29.01.2013 einen Vortrag zum Thema „Die Entstehung und Umsetzung des Prostitutionsgesetzes“ an der Universität Kiel. Sie spricht u.a über die Geschichte der Prostitution, das deutsche Prostitutionsgesetz, den Umgang der Medien und zuletzt über das schwedische Modell.

Der Vortrag kann hier als Video gefunden werden.

In der Presse: Appell für und gegen Prostitution

Am Montag veröffenlichten Alice Schwarzer und die EMMA-Zeitschrift ihren Appell gegen Prostitution. Am Tag darauf wurde der Appell für Prostitution durch Sexarbeiter_innen bzw. durch den Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen veröffentlicht und von mir mitgezeichnet und unterstützt.

Warum unterstütze ich den Appell der Sexarbeiter_innen, obwohl ich mich gegen Menschenhandel engagiere? Ich müsste doch Prostitution auch abschaffen wollen? An dieser Stelle möchte ich ein paar kurze Gründe darlegen, warum ich mich für den Appell für Prostitution entschieden habe:

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Zehn Jahre Prostitutionsgesetz und die Kontroverse um die Auswirkungen

Autorinnen: Barbara Kavemann, Elfriede Steffan für bpd.de (19.2.2013)

Am 1. Januar 2002 trat mit dem „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ (Prostitutionsgesetz – ProstG) in Deutschland eine der modernsten und liberalsten Regelungen in Europa in Kraft. Danach ist Prostitution nicht mehr sittenwidrig und Verträge zum Zwecke der Ausübung der Prostitution, beispielsweise bei der Anmietung eines Gewerberaumes oder zwischen Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern und Kunden haben auch vor Gericht bestand. Mit Einführung des Gesetzes wurden gleichzeitig einige Paragrafen des Strafgesetzbuches abgeschafft, die zum Beispiel die (Selbst)-Organisation von Prostituierten und die Gestaltung von deren Arbeitsbedingungen betrafen. Andere Strafrechtsnormen wie beispielsweise §181a StGB (Verbot der Zuhälterei) §184e StGB (Verbot der Prostitution an bestimmten Orten oder Tageszeiten) und §184f StGB (Verbot der „Jugendgefährdenden Prostitution“ in der Nähe von Schulen oder im selben Wohnhaus sowie für unter 18-Jährige) sowie das Verbots des „Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“ (§232 StGB) bleiben bestehen und sind ebenfalls maßgeblich für die gesellschaftliche und rechtliche Behandlung des Themas.

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APPELL FÜR PROSTITUTION – für die Stärkung der Rechte und für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen in der Sexarbeit

Appell für Prostitution –
Für die Stärkung der Rechte und für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Menschen in der Sexarbeit

Prostitution ist keine Sklaverei. Prostitution ist eine berufliche Tätigkeit, bei der sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden. Ein solches Geschäft beruht auf Freiwilligkeit. Gibt es keine Einwilligung zu sexuellen Handlungen, so handelt es sich nicht um Prostitution. Denn Sex gegen den Willen der Beteiligten ist Vergewaltigung. Das ist auch dann ein Straftatbestand, wenn dabei Geld den Besitzer wechselt.

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18. Oktober EU Tag gegen Menschenhandel – Frauenhandel: Prävention und Opferschutz ausbauen

Autor: LEFÖ. Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen (PDF)

LEFÖ„Frauenhandel ist eine Verletzung von Menschen- und Frauenrechten. Das heißt: Im Zentrum aller Maßnahmen zur Bekämpfung des Frauenhandels müssen die Rechte der Betroffenen stehen“, sagt die Leiterin der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandel (LEFÖ-IBF), Evelyn Probst. Sie ortet weiteren Handlungsbedarf beim Ausbau der Rechte der Betroffenen sowie bei Prävention und Opferschutz.

Forderungen, Sexarbeit zu verbieten, wie sie in letzter Zeit wieder laut geworden sind, sieht LEFÖ kritisch. „Ein Verbot von Sexarbeit ist keine geeignete Maßnahme zur Bekämpfung des Frauenhandels. Das stärkt die Position der Frauen nicht, im Gegenteil, das stigmatisiert und kriminalisiert sie. Außerdem ist Sexarbeit nur ein Arbeitsbereich, in den Frauen gehandelt werden; die Forderung, Sexarbeit zu verbieten, ignoriert die Situation von Frauen, die in der Hausarbeit oder der Landwirtschaft ausgebeutet werden, völlig. Egal, in welchem Arbeitsfeld Frauen ausgebeutet werden – ihnen ist nur geholfen, wenn ihre Rechte gestärkt werden.“

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Manifest der SexarbeiterInnen in Europa (2005)

Wir kommen aus vielen verschiedenen Ländern und aus unterschiedlichen Verhältnissen, aber wir haben entdeckt, dass wir bei unserer Arbeit und in unserem Leben mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben.In dem vorliegenden Dokument erkunden wir die gegenwärtigen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, die unser Leben und die Sexindustrie bestimmen, wir fragen nach deren Ursachen, nehmen eine Position dazu ein und stellen sie infrage. Wir stellen darin unsere Sicht derjenigen Dinge dar, die geändert werden müssen, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen, in der SexarbeiterInnen, deren Rechte und deren Arbeit anerkannt und geachtet werden.
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Dieses Manifest wurde von 120 SexarbeiterInnen aus 26 Ländern auf der Europäischen Konferenz  zu Sexarbeit, Menschenrechten, Arbeit und Migration, die vom 15. bis 17. Oktober 2005 in Brüssel, Belgien stattfand, erarbeitet und verabschiedet.
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Jenseits von Toleranz und Mitleid Für die Anerkennung von Rechten
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Wir leben in einer Gesellschaft, in der Dienstleistungen angeboten und nachgefragt werden. Sexarbeit ist eine davon. Sexuelle Dienstleistungen anzubieten, sollte nicht kriminalisiert werden.Es ist nicht akzeptabel, SexarbeiterInnen aufgrund religiöser oder sexualmoralischer Überzeugungen zu verurteilen. Alle Menschen haben das Recht, eine persönliche Auffassung zu Religion und Sexualmoral zu haben. Aber sie sollte keinem anderen Individuum aufgezwungen werden oder irgendeine politische Entscheidung beeinflussen.Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der SexarbeiterInnen ihre soziale Existenzberechtigung nicht abgesprochen wird.Wir verurteilen die Scheinheiligkeit unserer Gesellschaften, in denen unsere Dienste in Anspruch genommen werden, aber unser Beruf oder unsere Unternehmen nicht legalisiert sind. Derartige Gesetzgebungen führen zu Missbrauch und zum Verlust unserer Selbstbestimmung bezüglich unserer Arbeit und unseres Lebens.Wir lehnen die Kriminalisierung von SexarbeiterInnen, ihrer PartnerInnen, KundInnen, ManagerInnen und aller anderen Personen, die im Bereich der Sexarbeit tätig sind, ab. Diese Kriminalisierung verwehrt SexarbeiterInnen den gleichberechtigten Schutz durch das Gesetz.

Migration spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht den Herausforderungen des Arbeitsmarktes zu begegnen. Wir fordern unsere Regierungen dazu auf, die grundlegenden Menschen- Arbeits und Bürgerrechte für MigrantInnen anzuerkennen und zur Anwendung zu bringen.

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Menschenhandel und legale Prostitution: Ein Interview mit Axel Dreher (Uni Heidelberg)

Anmerkungen der Redaktion: Axel Dreher, Professor für Internationale Wirtschafts- und Entwicklungspolitik an der Universität Heidelberg, ist Mitautor einer viel zitierten Studie über den (theoretischen) Zusammenhang zwischen legaler Prostitution und Menschenhandel „Does Legalized Prostitution Increase Human Trafficking?“. Über diese Studie gibt es auch auf „menschenhandel heute“ zwei kritische Beiträge jeweils von mir und von LEFÖ, Wien Ein kritischer Beitrag ist auch auf Forbes erschienen. 

Die Studie von Axel Dreher & Co. wird gerne zitiert, um das Scheitern des deutschen Prostitutionsgesetzes zu verkünden oder, im Ausland, um gegen eine Legalisierung bzw. Entkriminalisierung von Prostitution zu argumentieren. Auch entsteht der Eindruck, dass in den deutschen Medien die Studie eingesetzt wird, um insbesondere die SPD und Bündnis90/Die Grünen für die empirisch nicht belegbare Zunahme des Menschenhandels verantwortlich zu machen, obwohl damals die CDU ein umfassenderes Prostitutionsgesetz blockierte, wodurch viele Schwächen von vornherein vermieden hätten werden können.

Vor diesem Hintergrund habe ich mich dazu entschlossen, Prof. Axel Dreher für ein Interview anzufragen. Schließlich ist die oben genannte Studie differenzierter als die schockierende Meldung, die es in die Medien schafft. Auch habe ich mich gefragt, ob Herr Dreher nicht vielleicht auch mehr zu sagen hat, als „legale Prostitution fördert Menschenhandel“. Ich hoffe, dass dieses (schriftlich geführte) Interview dazu beiträgt, einige Ansichten von Herrn Dreher der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Antworten von Herrn Dreher werden vollständig und unverändert veröffentlicht. Die Fragen wurden von Sonja Dolinsek gestellt.

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Zum medialen Umgang mit dem Thema Menschenhandel im Jahr 2013 – ein kritischer Zwischenruf

Autorin:  Dorothea  Czarnecki,  KOK  e.V.

Mitarbeit:  Jennifer  Pross

Der bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess – KOK e.V. setzt sich für Betroffene von Menschenhandel und für gewaltbetroffene Migrantinnen ein. Der KOK e.V. bildet nicht nur bundes‐, sondern auch europaweit die einzige Koordinierungsstelle mit diesem Fokus und vernetzt erfolgreich alle in diesem Bereich tätigen deutschen NGOs.

1987 von Fachberatungsstellen gegründet, die Betroffene von Menschenhandel unter‐stützen, und 1999 als Verein eingetragen, vereint der KOK e.V. heute 37 Mitgliedsorganisationen unter seinem Dach. Im KOK sind dabei neben den in Deutschland arbeitenden spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel auch andere Organisationen, die sich mit diesem Themenbereich auseinandersetzen, vertreten. Dies sind u.a. Frauenberatungsstellen, Migrantinnen‐Projekte, Frauenhäuser, Prostituiertenberatungsstellen und Wohlfahrtsverbände. Gemeinsames Ziel ist es, für wirksame Verbesserungen der bestehenden Verhältnisse im Bereich von Menschenrechtsverletzungen einzutreten, wie zum Beispiel für einen würdigen Umgang mit den Betroffenen.

Hochs und Tiefs des medialen Interesses

Inwieweit Personen, die dem Menschenhandel zum Opfer gefallen sind, von der Gesellschaft und den Behörden Respekt und Achtung entgegengebracht wird, hängt nicht unerheblich davon ab, wie Presse und Medien über das Thema berichten. Menschenhandel und Ausbeutung stellten lange Zeit keine Themen dar, die bei der Presse auf großes Interesse stießen. Noch 2009 bemerkte Hestermann, Menschenhandel geschehe im Schatten medialer Aufmerksamkeit (1). Lediglich Großereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft 2006 holten das Thema kurzzeitig ans Tageslicht. Doch nach einer medial inszenierten Drohkulisse (2), die vorwiegend auf die Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands durch irreguläre Migration abzielte, verschwand der Menschenhandel größtenteils wieder aus der Presse. Was blieb, sind die medial vermittelten und gesellschaftlich verbreiteten Opferbilder von „Zwangsprostituierten“, gegen die sich der KOK e.V. alsFachverband an dieser Stelle kritisch äußern möchte.

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Alice Schwarzer und Sabine Constabel polarisieren die Debatte um Prostitution – in die falsche Richtung

Vor inzwischen fast drei Wochen löste Alice Schwarzer in der taz eine Debatte um Prostitution aus. Den eingeplanten, letzten Beitrag von Sabine Constabel hätte die taz nur nach einer Überarbeitung veröffentlicht. So kam der Beitrag in die EMMA – inklusive einer Zensur-Anschuldigung. Über diese ganze Debatte habe ich mir ein paar Gedanken gemacht. Eine kurze Einschätzung gibt es auch bei W&V.
Nachtrag: Am 11.09.2013 ist ein weiterer Artikel von Monika Frommel zu diesem Thema in der taz erschienen, den ich sehr empfehle.

Als ich Sabine Constabels Replik auf Dona Carmens Replik auf Alice Schwarzers etwas verkürzten Angriff auf die Grünen gelesen habe, war ich froh, dass diese in der EMMA erschienen war. Dort passt sie einfach besser hin. Wegen der angeblichen Zensur bei der taz kann man sich aufregen, aber vielleicht auch nicht. Mein Profil und meine Seite sind schon sehr lange auf Emma blockiert, nachdem Kommentare ohne Vorwarnung gelöscht wurden. Zensur habe ich von Seiten der EMMA erfahren, die sicherlich auch diesen kritischen Beitrag nicht veröffentlichen würde. Dennoch habe ich kein Recht darauf, einen Begriff wie „Zensur“ in diesem Kontext zu verwenden. Ich kann eben auch woanders schreiben und der Staat verbietet es mir (noch) nicht. Auch Constabels Ansicht ist letztendlich nach außen gekommen und sie ist sichtbar. Zensur heißt in meinen Augen etwas anderes, nämlich Unsichtbarmachung, bewusste und gezielte Unterdrückung von Meinungen – tendenziell durch den Staat. So lange es irgendeine Plattform gibt, auf der Frau Constabel sich äußern kann, ist das keine Zensur. Wenn Emma das Gegenteil behauptet, dann hat EMMA eben auch meine Beiträge zensiert.  Aber darum geht es mir hier nicht. Hier möchte ich ein paar Begriffe und Themen anders aufrollen, als es in den letzten Jahren in Deutschland üblich ist – anders als es EMMA, Alice Schwarzer und Sabine Constabel tun.

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Motive der männlichen Nachfrage nach käuflichem Sex (crossposted)

Autor: Udo Gerheim für bpb.de (19.2.2013)

In diesem Beitrag beschäftige ich mich mit der Frage, aus welchen empirisch bestimmbaren Gründen, heterosexuelle Männer käuflichen Sex nachfragen. Trotz unzureichender Datenlage vertrete ich die These, dass nur ein geringer Teil der bundesrepublikanischen Männer Prostitutionssex dauerhaft nachfragt. Die Gründe hierfür können aus der hybriden und „zerrissenen“ Struktur des Prostitutionsfeldes abgeleitet werden, die zum einen Zugänge zur Prostitution rechtfertigt, zum anderen aber die Nachfragepraxis mit delegitimierender Ambivalenz belegt. Dieser Artikel wird einige dieser Aspekte näher beleuchten und im Schwerpunkt ergründen, welche spezifische Anziehungskraft Prostitution auf die männliche Nachfrageseite ausübt, wie sich der individuelle Weg in dieses Feld hinein im Konkreten gestaltet und wie sich die dortigen Machtverhältnisse darstellen.[1]

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Der Weg zu einem besseren Leben: Eine alternative Perspektive auf Menschenhandel (Gastbeitrag)

Autor: Christian Groes-Green (Anthropologe und assistant professor an der Roskilde Universitet in Dänemark)

Mosambik zählt zum Hauptkorridor des Menschenhandels in die Rotlichtviertel Südafrikas. Dort träumen arme junge Frauen davon, in ein reiches Land zu ziehen, wo sie in der Lage sind, für sich und ihre Angehörigen zu sorgen. Maria, eine 21 Jahre junge Frau, erzählte mir: ‚Wenn ich nur nach Amerika oder Europa kommen könnte, würde meine Familie nicht mehr leiden, und ich konnte mich um sie kümmern.“ Als ich eine großangelegte ethnographische Studien unter jungen Frauen in der seit 2007 mosambikanischen Hauptstadt Maputo durchführte, begann ich zu verstehen, warum viele Frauen innerhalb der sexuellen Ökonomien Afrikas migrierten, um das Wohlergehen ihrer Familien sicherzustellen und warum einige von ihnen hoffen, letztendlich in einem westlichen Land zu landen, trotz der damit verbundenen Risiken (Adepujo 2003; Cole 2004; Hunter 2007). Der erste Schritt der Reise der jungen mosambikanischen Frauen führt in die Hauptstadt Maputo oder in südafrikanische Städte, wo sie durch transaktionalen Sex mit sogenannten „sugar-daddies“, als erotische Tänzerinnen in Sexclubs oder in Bordellen versuchen ein Einkommen zu erwirtschaften (Groes-Green 2011). Aber im Versuch nach Europa, den USA oder in die Finanzzentren Südafrikas zu kommen riskieren sie, in die Fänge von Schleusern oder Menschenhändlern zu geraten, die jeweils für den Transport unter sehr unsicheren Umständen sorgen oder sie in der Sexindustrie ausbeuten (UNESCO 2006).

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Prostituierte zu ihrem Schutz verhaften: Das Augsburger Modell und seine Heuchelei

Twitter : Suche - augsburger straßenstrich Noch vor einem Monat argumentierte auf Twitter Volker Ullrich („Berufsmäßiger Stadtrat und Ordnungsreferent der Stadt Augsburg – CSU-Kandidat für den Deutschen Bundestag im Wahlkreis Augsburg-Stadt“, wie es auf Twitter heißt), dass das Augsburger Verbot der Straßenprostitution der erster „richtige“ Schritt gewesen sei. Daraufhin betonte er:

„in Augbsurg wurde zum Schutz der Frauen die Strassenprostitution verboten. Jetzt ist der BT gefragt!“ (vollständige Unterhaltung auf Twitter)

Heute, am 19. Juli berichtet die Ausgburger Allgemeine über die Inhaftierung von drei bulgarischen Prostituierten (im Alter von jeweils 18, 19 und 25 Jahren), weil sie wiederholt auf der Straße gearbeitet hatten. Die Augsburger Allgemeine schreibt, dass die Frauen trotz „Belehrung“ gegen das Verbot verstoßen hätten. Kritisch hinterfragt wird weder das Gesetz noch der Sinn der Inhaftierung.

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Skandal im Sperrbezirk

Vergleichende Studie Prostitution Niederlande Österreich

von Anja Herberth

Eine internationale Vergleichsstudie nimmt die Prostitutionspolitik in den Niederlanden, Österreich und am Rande Schweden und ihre Folgen genauer unter die Lupe: Welchen Wirkungsgrad haben bestimmte politische Maßnahmen – mit welchem Effekt auf SexarbeiterInnen? Und haben ähnliche Maßnahmen in den verschiedenen Ländern auch einen vergleichbaren Effekt?

Die Städte Den Haag, Utrecht und Rotterdam initiierten aus diesen Fragestellungen ein Projekt, die Zusammenarbeit mit Österreich bot sich an: „Auf Grund des ähnlichen Systems und den Legalisierungstendenzen in beiden Ländern wurde Österreich als Vergleichsland herangezogen“, erklärt die Wiener Sozialwissenschafterin Helga Amesberger vom Institut für Konfliktforschung, die in Österreich die Forschungen leitete.

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