Norwegen: Den Prostituierten hilft das „feministische“ Prostitutionsgesetz am wenigsten

Nachdem Schweden 1999 den Kauf sexueller Dienstleistungen verboten und kriminalisiert hat, folgte 2004 auch Norwegen mit einem ähnlichen Gesetz. 

Anmerkung: Die verlinkten  Texte sind größtenteils in norvegischer Sprachen. Diese können mit Hilfe von Google  Translate übersetzt werden.

Als Schweden 1999 Prostitution gesetzlich als Gewalt gegen die Verkaufenden, insbesondere gegen Frauen, einstufte und die Käufer sexueller Dienstleistungen kriminalisierte, wurde dies mit Beifall von den meisten feministische Organisationen in ganz Skandinavien empfangen. Dafür hatten sie hart gekämpft. Der Verkauf von sexuellen Dienstleistungen blieb zwar  „legal“, aber der Kauf wurde untersagt. Das Gesetz geht jedoch einen Schritt weiter: Es hat eine globale Reichweite, d. h. dass schwedische Staatsangehörige, die irgendwo auf der Welt Sex kaufen, an das Heimatland ausgeliefert werden können, um dort vor Gericht zu erscheinen.

Norwegen führte 2004 nach einer längeren Debatte ein ähnliches Gesetz (§201a3) ein. Auch dort hat sich die juristische Fiktion, dass jede Art von Kauf von Geschlechtsverkehr auch Gewalt gegen die Verkaufenden ist, in  der Gesellschaft als unhinterfragte Wahrheit, als Dogma, durchgesetzt. Warum aber konnte sich diese Auffassung durchsetzen?

Nicht nur Feministinnen sondern auch andere Interessentengruppen hatten ein Interesse an diesem Gesetz. Vor allem Konservative haben das feministische Argumente gegen Prostitution genutzt , sozusagen als „politisch korrektes Argument“, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Warum vertrete ich diese These?

Vor 2004 war es bereits strafbar Räume an Prostituierte zu vermieten. Bordelle waren ebenfalls seit über hundert Jahren verboten. Neue Überwachungskameras im Finanzviertel von Oslo hatten die Prostituierten von ihrem gewöhnlichen „Marktplatz“, direkt in die Hauptstraße, vor das Parlament getrieben. Dadurch wurde Prostitution sichtbarer.  Viele waren entsetzt, dass Prostitution so „sichtbar“ war.  Es ist vor diesem Hintergrund, dass sich auch sonst in Gender- und Frauenthemen konservative Christen für das neue Prostitutionsgesetz interessierten. Dass sie dabei mit feministischen Argumenten auftraten, werte ich als reine Strategie. Schließlich wollte man der Straßenprostitution ein Ende bereiten und die Straßen „säubern“.

Sexarbeiter_innen waren nie mit diesem Gesetz einverstanden. In Norwegen haben die Prostituierten immer noch ihre „eigene“ Organisation, Die Organisation „Pro Senter“ wird finanziell vom Staat getragen. Das bedeutet, dass sie hauptsächlich das staatliche Ziel verfolgt, die Prostituierten zum Ausstieg zu bringen. Sie soll nicht wie eine Gewerkschaft funktionieren. Die Organisation ist aber auch seit 1983 ein „Kompetenz-Zentrum„ in Fragen rund um Prostitution in Norwegen. Sie pflegt einen stabilen Kontakt mit den Prostituierten.

Liv Jessen, die Leiterin hat sich, trotz dem vorgeschriebenen Ziel der Organisation, als Verteidigerin der Rechte der Prostituierten eingesetzt. Sie fordert die Legalisierung der Prostitution und behauptet auch, dass „die meisten“ Prostituierten den Beruf freiwillig ausüben.

Deswegen ist das „Pro Senter“ für viele feministische Organisationen und Partei-Fraktionen des Landes ein „Dorn im Auge“. Jessen wurde selbst in der Feministischen Bewegung der Siebziger-Jahre sozialisiert. Doch im Laufe der Zeit hat sie Ihre Ansicht geändert, weil ihr so viele Frauen begegnet sind, die überhaupt nicht in das propagierte Opferbild passten.

Als Jessen 2004, mitten in der Verbotsdebatte, von Amnesty International den „Menschenrechtspreis“ bekam, ging dies für viele Abgeordnete der „Sozialistischen Links Partei“ viel zu weit. Sie brachen jede Zusammenarbeit mit Amnesty ab und wollten die Vermeidung von Amnesty auf Partei-Ebene durchsetzen. Auf die Argumente von Jessen und Amnesty haben sie sich nicht eingelassen.

Jessen hat sich aber nicht einschüchtern lassen. Sie bestätigt das, was schon vor dem Gesetz in der juristischen Debatte diskutiert wurde. Das Gesetz hat kaum Auswirkungen, weil es schwer umzusetzen ist, ohne das in der Verfassung verankerte Recht auf Privat-leben zu verletzen. Außerdem will kaum eine Prostituierte ihre Kunden verklagen, sodass sich eine Beweisgrundlage für ein Gerichtsverfahren ergibt. Prostituierte boykottieren also das Gesetz. Eine neue Untersuchung hat gezeigt, dass das Gesetz sogar negative Folgen für die Sexarbeiter_innen hat und Gewalt gegen Sexarbeiter_innen begünstigt.

Wegen solchen faktischen Aussagen wurde im Norwegischen Parlament das Existenzrecht der „Pro-Senter“ von „Feministisch“ eingebundenen Repräsentantinnen angezweifelt. Sie wollten die Kritik an ihrem Gesetz knebeln. Der Kanzler für Justiz wies aber Letzt endlich die Anfrage der Feministischen Fraktion zurück.

Ganz wirkungslos war das Gesetz aber nicht: Freier und die Prostituierte sind nicht mehr im öffentlichem Raum sichtbar. Sie wurden erfolgreich unsichtbar gemacht.

Ein Beitrag von Nils Johann

 

 

 

2 Kommentare

  1. „Ganz wirkungslos war das Gesetz aber nicht: Freier und die Prostituierte sind nicht mehr im öffentlichem Raum sichtbar. Sie wurden erfolgreich unsichtbar gemacht.“

    …und echte Menschenhandelsopfer verlieren jede Chance, eine vertrauensvolle Beziehung zu Sozialarbeitern aufzubauen um anschliessend aussteigen zu können.

    „Eine neue Untersuchung hat gezeigt, dass das Gesetz sogar negative Folgen für die Sexarbeiter_innen hat und Gewalt gegen Sexarbeiter_innen begünstigt.“

    Diese und weitere negative Folgen sind schon lange von Schweden her bekannt, aber interessieren tut es die eingefleischten Befürworter des Sexkaufverbots nicht. Sogar in der staatlich finanzierten Pseudostudie zum Sexkaufverbot in Schweden wird es zwar erwähnt, aber nur am Rande, als ob dieser Kollateralschaden für das Gesamtwohl (d.h. die Empfindlichkeiten von Prostitutionsgegnern) akzeptabel wäre.

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