menschenhandel heute.

kritische perspektiven auf die bekämpfung von menschenhandel

Zahlen, Daten und Fakten

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Es gibt keine verlässlichen Zahlen über Menschenhandel und es wird sie auch nie geben. Es gibt zwar Schätzungen und Angaben über identifizierte Opfer von Menschenhandel, aber die Anzahl der nicht-identifizierten Opfer, die sogenannte „Dunkelziffer“, bleibt dabei unbekannt. Einige Angaben über identifizierte Opfer von Menschenhandel finden Sie auf dieser Seite weiter unten. Informationen über „Prostitution“ finden Sie ebenfalls weiter unten.

Die Zahl der erkannten Opfer ist eher niedrig, d.h. sie ist nicht besonders medientauglich (z.B. 640 Opfer in Deutschland im Jahr 2011). Aus diesem Grund werden in den Medien gerne unrealistisch hohe Zahlen verbreitet (z.B. 27 Millionen Sklaven auf der ganzen Welt), mit denen Sie als Leser_in vorsichtig umgehen sollten, da diese gerne politisch instrumentalisiert werden, z.B. im Kampf gegen Migration. Verschiedene Organisationen, die vor allem international  – also außerhalb von Deutshland – gegen Menschenhandel kämpfen, aber nicht direkt Unterstützung für Betroffene anbieten, nutzen diese Zahlen um Spenden einzuwerben und ihre Verwaltung aufzubauen. Selten kommt das Geld den Betroffenen zu. Die Zahlen, die sie verbreiten sind Schätzungen, sie werden aber selten als solche gekennzeichnet. Oft werden Zahlen über Menschenhandel in einem Atemzug mit „Migration“ oder „Prostitution“ genannt, womit sie gerne vermischt werden, obwohl das sehr unterschiedliche Phänomene sind.

Übertrieben hohe Schätzungen von Fällen von Menschenhandel werden in der Forschung ständig kritisiert. Auch Zahlen und Statistiken für einflussreiche und hochkarätige Berichte, wie z.B.  der Global Slavery Index, beruhen nicht auf Studien aus erster Hand. Dieser Index wurde stark kritisiert, weil Zahlen anderer Berichte einfach abgeschrieben wurden, ohne sie zu prüfen. Dieses Abschreib-Verhalten ist in allen Berichten über Menschenhandel vorhanden.

„Instead of conducting high-calibre, ground-level research, agencies such as those behind the index rely on reports from other agencies that they assume will have done the research themselves. Yet often, those agencies haven’t done the research either, since they also rely on second-hand data. This means, as Helga Konrad, former special representative for the Organisation for Security and Co-operation in Europe on human trafficking, put it to me that everybody ends up ‚cutting and pasting‘, citing each other’s publications in a merry-go-round that doesn’t actually centre on genuine empirical data. (Neil P. Howard)“

Warum es keine verlässliche Zahlen gibt und warum es methodisch schwierig ist, solche Zahlen zu produzieren, können Sie hier nachlesen. Ein Grund ist u. a. dass die Definition von Menschenhandel sehr komplex ist und in der Praxis kaum genutzt werden kann, zum gegen Ausbeutung vorzugehen. Falls Sie mit Begriffen und Methoden aus der Statistik nicht vertraut sein sollten, empfehlen wie diesen kurzen Beitrag: „Statistical terms used in research studies; a primer for media„.

Wir wissen auch nicht, wie viel Prozent der Sexarbeiter*innen oder anderer Arbeiter*innen von Menschenhandel betroffen sind. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass bis zum 80% oder gar 90% der Prostituierten von Menschenhandel betroffen sind, wie es manche Anti-Prostitutions-Aktivisten behaupten. Diese Angaben sind aus unserer Sicht erfunden, da bisher keine Studie gefunden wurde, die diese Zahlen empirisch nachweist. Außerdem wissen wir meistens nicht, wie viele Sexarbeiter*innen es gibt, d.h. es ist schon alleine deshalb unmöglich zu wissen, wie viel Prozent „unfreiwillig“ als Prostituierte arbeiten.

Hier finden Sie eine Übersicht von Schätzungen und Angaben verschiedener Organisationen:

1. Bundeskriminalamt – Deutschland (Oktober 2012)
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Laut BKA waren im Jahre 2011 in Deutschland 640 Personen von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung betroffen und 32 Personen waren von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung betroffen. Somit ist in den letzten 15-20 Jahren ein eindeutiger Rückgang der offiziell registrierten Fälle von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung festzustellen. Dies bestätigt auch eine Kleine Anfrage an die Regierung vom März 2013.
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Die Antwort auf eine kleine Anfrage an die Bundesregierung aus dem Jahre 1997 zeigt, dass 1995 und 1996 die Zahl der Opfer von Menschenhandel viel höher war als heute.

“Die Zahl der Opfer hat sich von 1.196 im Jahr 1995 (davon 1 158 weiblich) auf 1.473 im Jahr 1996 (davon 1.445 weiblich) erhöht.“

Es kann also von einem Rückgang von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung gesprochen werden. Zu beachten ist jedoch, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen sich verändert haben. Seit 2005 gibt es ein neues Gesetz zu „Menschenhandel“. Ob und inwiefern sich dies auf die Identifizierung ausgewirkt hat, bleibt bisher unerforscht
MH S
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2. UNODC – United Nations Office on Drugs and Crime (Dezember 2012) 
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43.000 weltweit offiziell entdeckte Betroffene von Menschenhandel in den Jahren von 2007 bis 2010 (von nur 29.000 sind Geschlecht und Alter bekannt) – das sind die offiziellen Daten für den Global Trafficking Report des UNODC – United Nations Office on Drugs and Crime (S. 25).
Im neuesten Bericht vom November 2014 berichtet die UNODC von ca. 40.000 nachgewiesenen Fällen von Menschenhandel weltweit.
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3. Europäische Union
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Bis zum April 2013 gab es nur Schätzungen, denn die Europäische Union sammelte EU-weit noch keine Daten über Menschenhandel und verwies lediglich auf Zahlen des UNODC oder von Europol. Hier finden wir das Problem wieder, dass es in diesem Bereich keine verlässlichen Zahlen gibt.
Am 15. April 2013 veröffentlichte die EU-Kommission einen statistischen Bericht über Menschenhandel in den Jahren von 2008 bis 2010. Die Pressemitteilung, den Bericht und eine Infographik können Sie hier finden. Dieser Bericht beruht auf die in den einzelnen Ländern erfassten Daten. Es gab keine eigenständige Untersuchung durch die EU-Kommission und bietet nur eine statistische Aggregation der Daten der EU-Länder. Eine inhaltliche und politische Auswertung der Ergebnisse liefert der Bericht nicht. Eine kritische
Auch für die Jahre vor 2008 gibt es weiterhin keine EU-weite Datenerhebung, sodass die Ergebnisse dieses Berichtes aufgrund der fehlenden Vergleichsmöglichkeit nur beschränkt auf eine Zunahme des Menschenhandels schließen lassen kann. Und auch in diesem Bericht bleiben methodologische Probleme erhalten, da nicht alle EU-Mitgliedsstaaten die gleichen Fälle erfassen. So erfasst Deutschland z.B. nicht, ob Opfer von Menschenhandel eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Die Daten sind daher nur teilweise aussagekräftig und der Bericht selber warnt davor, diese Zahlen als objektive Darstellung von Menschenhandel in Europa anzusehen.
Zahl identifizierter und mutmaßlicher Opfer von Menschenhandel in den EU Ländern
Zahl identifizierter und mutmaßlicher Opfer von Menschenhandel in den EU Ländern
Laut dem Bericht wurden in den Jahren 2008-2010 europaweit folgende Anzahl von mutmaßlichen oder tatsächlich identifizierten („identified and presumed victims“) Opfern von Menschenhandel festgehalten:
2008: 6,309
2009: 7795
2010: 9,528
Insgesamt wurden im Zeitraum  von drei Jahren (2008-2010) ca. 23.632 Personen als Opfer oder mutmaßliche Opfer von Menschenhandel erfasst.
Eine kritische Auseinandersetzung mit den Zahlen des eurostat hat die Ökonomin Dr. Dita Vogel hier verfasst.

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4.  Internationale Arbeitsorganisation (International Labor Organization – ILO) (Juni 2012)

21 Millionen Menschen sollen weltweit Opfer von Zwangsarbeit sein, also zur Arbeit gezwungen werden oder auch „durch etwas subtilere Mittel wie Täuschung, Schulden oder den Entzug von Ausweispapieren in Jobs gezwungen, die sie nicht mehr verlassen können und für die sie oftmals nicht oder nicht angemessen entlohnt werden“ (ILO). Betroffen sind vor allem Asien und der Pazifik-Raum, doch auch westliche Länder sind betroffen.

  • 90% also 18,7 Millionen Menschen werden in der Privatwirtschaft ausgebeutet, sei es durch Individuen oder Unternehmen. Von diesen sind 4,5 Millionen Opfer sexueller Ausbeutung und 14,2 Millionen (68%) sind Opfer von Ausbeutung in folgenden Wirtschaftssektoren: Landwirtschaft, Baugewerbe, Haushaltsarbeit und Güterproduktion.
  • 2,2 Millionen Menschen (10%) sind Opfer von staatlichen Formen der Zwangsarbeit, z.B. in Gefängnissen
  • 5,5 Millionen (26%) der Opfer von Zwangsarbeit sind jünger als 18 Jahre

Quellen:

http://www.ilo.org/global/about-the-ilo/press-and-media-centre/news/WCMS_181961/lang–es/index.htm (Englisch; inklusive Grafiken)

http://www.ilo.org/public/german/region/eurpro/bonn/aktuelles/zwangsarbeit.htm (Deutsch; ohne Grafiken)

Zahlen, Daten und Fakten zu Prostitution und Sexarbeit 
Auch für die Prostitution bzw. Sexarbeit gibt es aktuell keine verlässlichen Zahlen. Zwar wird in den Medien immer wieder von 400.000 Prostituierten gesprochen, diese Zahl ist aber über 20 Jahre alt (wie dieser Spiegel-Artikel von 1992 beweist) und stammt vermutlich gar aus den 1980er Jahren und ist somit für die heutige Debatte völlig unbrauchbar.
Auch die Bundesregierung und die Politik hat keine Zahlen, auf die sie sich beziehen kann:
Der Bundesregierung liegen zur Gesamtzahl der Personen, die in Deutschland der Prostitution nachgehen, keine verlässlichen Daten vor. Schätzungen aus unterschiedlichen Quellen können gewisse Anhaltspunkte für die tatsächliche Situation leisten; sie sind jedoch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. (Bundesregierung, Juni 2014)
Ein Versuch, das Ausmaß der Sexarbeit in Europa zu erfassen, hat die TAMPEP Foundation im Jahr 2009 unternommen. Der Bericht ist auf Englisch veröffentlicht.
Wichtiger als Zahlen, sind Untersuchungen zu den Auswirkungen von gesetzen auf die Prostituierten sowie deren Lebensrealität.

In Bearbeitung (25.11.2014)

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