Dieser Artikel ist am 17. Juli auf AfricaNews.com (Autorin: Joyce J. Bangui) erschienen und wurde mit der Erlaubnis der Redaktion von AfricaNews.com übersetzt und veröffentlicht. Eine Reproduktion ist nur unter Angabe von AfricaNews.com und dieser Übersetzung auf menschenhandel heute erlaubt.
Die Rechte von Sexarbeiter_innen sind Menschenrechte „- das ist der Slogan, mit dem sich die kenianischen Prostituierten bewaffnen, wenn sie ihre Rechte einfordern. In der jüngsten Vergangenheit mussten Sexarbeiter_innen den Zorn der Polizei und der Beamten der Stadtverwaltung ertragen, die sie belästigen und bei ihrer Arbeit stören. Ironischerweise werden nur Frauen verhaftet, wann immer sie bei der Ausübung des uralten Handels ertappt werden, während ihre männlichen Kunden ungestraft bleiben.
Die Einführung des Internationalen Tages der Rechte von Sexarbeiter_innen (International Sex Workers Rights Day) am 3. März sollte ein Weckruf für die verschiedenen Anspruchsgruppen und Stakeholder sein, die Sexarbeit als Verbrechen wahrnehmen, darunter auch Regierungsvertreter_innen. Doch diese Forderungen haben noch nicht das Tageslicht erblickt, während Menschenrechtsverletzungen gegen Sexarbeiter_innen weiterhin begangen werden.
Daughty Ogutu hat alles gesehen. Die ehemalige Sexarbeiterin erzählte dieser Reporterin, wie sie in ihren „aktiven“ Tagen Opfer polizeilicher Brutalisierung wurde. „Sie haben mich oft geschlagen, beschimpft und haben mich festgenommen.“ Die 28-jährige, ein Gründungsmitglied der Kenia Sex Workers Alliance (KESWA), prangert die Doppelmoral der meisten Menschen in ihrem Umgang mit Prostituierten an.
„Der Handel erfordert zwei Parteien, aber meistens werden nur die Prostituierten und nicht seine/ihre Kunden belästigt“, sagt sie. Die kenianische Gesellschaft insgesamt ist heuchlerisch, sagt Daughty. Die Leute sind schnell, wenn es darum geht, mit dem Finger auf Prostituierte zu zeigen, verpassen es aber andere schwere Missstände in der Gesellschaft zu sehen. Mit einem Zitat aus dem Slogan ihrer Organisation sagt sie, dass
„Gewalt gegen uns wird nicht nur toleriert sondern sogar von der Gesellschaft erwartet. Es ist klar, dass die Brandmarkung von Sexarbeiter_innen als Verbrecher_innen uns in Konflikt mit den Strafverfolgungsbehörden bringt, die uns eigentlich schützen sollten und es wird ein Signal an die Gesellschaft gesendet, dass Sexarbeiter_innen entbehrlich sind. Sexarbeiter_innen sind keine Kriminellen und Gewalt gegen uns muss als Verbrechen eingestuft werden.“

Sexarbeiter_innen in Kenia protestieren für ihre Rechte
Der Dachverband der Sexarbeiter_innen KESWA war maßgeblich an der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen gegen Sexarbeiter_innen beteiligt. Dies hat verschiedene Gruppen der Zivilgesellschaft, Jurist_innen, Mediziner_innen und Akademiker_innen zu einer gemeinsamen Debatte und Aktion veranlasst, mit dem Ziel die Kriminalisierung von Sexarbeiterinnen zu beenden. Unter anderem baut der Dachverband Kapazitäten bei den Sexarbeiter_innen durch Trainings über ihre Rechte auf.
„Wir zeigen ihnen, wie sie mit ihren Mobiltelefonen, die als Beweismittel vor Gericht gelten, Verstöße und Gewalt dokumentieren können.“
Das ist entscheidend, da viele junge Prostituierte unter den Einschränkungen ihrer Arbeit leiden. Einige erleiden schwere Körperverletzungen durch ihre männlichen Klienten, andere sind gezwungen, kostenlose Dienstleistungen gegen ihren Willen zu gewähren, aber sie schweigen, da sie nicht wissen, wo sie diese Missbräuche melden können.
Ironischerweise, wenn Menschenrechtsverletzungen bei der Polizei gemeldet werden, drückt sie (die Polizei) ein Auge zu und versäumt es zu handeln. Im schlimmsten Fall, vergewaltigt die gleiche Polizei sogar junge Mädchen, die solche Fälle melden. So zwingt die Kriminalisierung von Sexarbeit, Sexarbeiter_innen in der Angst vor der Polizei zu leben, die sie belästigen und missbrauchen und die unbestraft bleiben. Die Gesellschaft hat es versäumt einzusehen, dass die Mehrheit der Sexarbeiterinnen als Mittel zum Zweck dieser Tätigkeit nachgeht. Sie werden verhaftet und ihre Rechte werden verletzt, weil sie arbeiten, um ihre Familien zu versorgen.
„Eine Sexarbeiterin ist ein Mensch von nebenan (‚your everyday person‘), er oder sie kommt nicht vom Planeten Mars“, sagt Daughty
…und fügt hinzu, dass jede_r ein_e potentielle_r Sexarbeiter_in ist. In Kenia, genau wie überall sonst, könnte ein_e Sexarbeiter_in u.a. ein junges Mädchen, eine berufstätige Frau, eine Hausfrau, ein Gärtner, ein Taxifahrer sein. Wenn die Polizei diese Menschen aufgrund ihrer Verwicklung in eine angeblich kriminelle Tätigkeit (Sexarbeit) belästigt, nimmt sie ihnen die Chance, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.“ Ein_e Sexarbeiter_in könnte sogar die Schwester eines/r Polizist_in, eines/r Politiker_in oder einfach ein Mitglied der Gesellschaft sein; deshalb sollten Behörden sehr vorsichtig im Umgang mit ihnen sein.“
In Nairobi und in anderen großen Städten in Kenia führen die Polizei und Offiziere der Stadtverwaltung häufig Razzien durch, bei denen sie Sexarbeiter_innen, meistens nur Frauen, verhaften. Wenn sie ins Gefängnis gebracht werden, sagt die Polizei ihnen, dass sie wegen „Herumlungern“ (loitering) verhaftet wurden, eine Behauptung, die die meisten Sexarbeiter_innen lächerlich finden.
„Wir brauchen angemessene Anklagen und nicht bloß Behauptungen. Wir sind bereit, uns in einem Gericht zu verteidigen „, sagt John Mathenge, nationaler Koordinator der KESWA.
Obwohl Prostitution in Kenia illegal ist, meint Mathenge, dass die Regierung den Weg für die Legalisierung der Prostitution ebnen sollte, da dies für eine sicherere Umgebung sorgen würde, in der Sexarbeiter_innen den vollen Umfang ihrer Rechte genießen könnten. Im gleichen Atemzug fleht Mathenge die politischen Entscheidungsträger an, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, in dem Sexarbeiter_innen Steuern zahlen können. „Dies ist eine Industrie wie jede andere und könnte Geld generieren, wodurch die Staatseinnahmen erhöht werden können.“
Aufhebung der Prostitutionsgesetze
In Kenia wird Sexarbeit derzeit durch eine Kombination von kolonialem Strafrecht, neuerer Gesetze einschließlich des Sexualstrafrechts von 2006 (Sexual Offences Act) und lokalen Verordnungen reguliert. Das Gesetzbuch definiert jedoch Prostitution nicht, noch wird sie direkt kriminalisiert oder verboten.
Viele haben den Eindruck, dass es illegal sei, von den Einnahmen der Prostitution zu leben, sind aber blind für die Tatsache, dass dies die aktuelle Situation ist. Während das nationale Recht die Beteiligung von Dritten, z.B Zuhälter_innen, Bordellbesitzer_innen oder Menschenhändler_innen, unter Strafe stellt, verbieten lokale Gesetze das „Bummeln und Werben zum Zwecke der Prostitution“ sowie „unsittliche Entblößung“ (‚loitering and importuning for the purpose of prostitution and ‚indecent exposure“), die zur Kriminalisierung der Sexarbeit genutzt werden.
Der Stadtrat von Nairobi erwägt eine Lockerung der Lokalgesetze, die Prostituierten ermöglichen würde, frei in der Stadt zu arbeiten. In der Tat würde diese Änderung ein förderliches Umfeld für einen Handel schaffen, dem die Gesellschaft weitestgehend aus dem Weg geht.
Der Bürgermeister von Nairobi George Aladwa ist dafür bekannt, dass er für die Rechte von Sexarbeiter_innen eintritt und hat betont, dass der Stadtat ihre Verordnungen mit der neuen Verfassung in Einklang bringen wird, um Sexarbeiter_innen die freie Ausübung ihrer Arbeit zu ermöglichen. Obwohl er nicht für eine Legalisierung von Prostitution eintreten wird, sagt der Bürgermeister, dass der Rat mit verschiedenen Organen der Regierung sprechen wird, um die aktuellen Verordnungen in Einklang mit der neuen Verfassung zu bringen und um Sexarbeiter_innen zu unterstützen.
KESWA und andere gleich gesinnte Organisationen, die sich für die Rechte von Sexarbeiter_innen einsetzen, haben versucht die politischen Entscheidungsträger dahingehend zu beeinflussen, dass die Gesetze, die Sexarbeit regulieren, geändert werden. Sexarbeiter_innen argumentieren, dass es einen Dialog zwischen der Regierung und ihnen geben sollte, um zu versuchen das Problem der Entkriminalisierung der Prostitution zu besprechen und entwirren.
„Wir sind bereit, an einem Verhandlungstisch mit der Regierung zu kommen“, sagt Mathenge, der auch sagt, dass beide Parteien zu Kompromissen bereit sein sollten.
Sobald die lokalen Verordnungen mit der neuen Verfassung harmonisiert sind, werden Sexarbeiter_innen in den ausgewiesenen Bereichen arbeiten, die von der Stadtverwaltung festgelegt werden.
„Wir finden sicher Orte, an denen sie ihre Tätigkeit frei und ohne jegliche Belästigung ausüben können. Das sind Menschen, die sich dieser Arbeit gewidmet haben, und gibt es keinen Grund, sie weiterhin zu belästigen“, sagte ein Beamter des Stadtrates.
KESWA führt Gespräche mit der Polizei, um Bewusstseinstrainings für Polizeibeamte durchzuführen. Die Trainings werden sich u.a. auf die Änderung der Einstellungen bei Polizist_innen, auf die Ent-Stereotypisierung des Sexgewerbes, die Eindämmung von Polizeischikane, die Menschenrechte konzentrieren. Der Dachverband wird ferner Medientrainings durchführen, damit Journalist_innen lernen, objektiv über Themen wie Sexarbeit und Sexualität zu berichten.
Der Zugang zu Gesundheitsrechten
Die Kriminalisierung von Sexarbeit behindert die Inanspruchnahme der Gesundheitsrechte der Prostituierten. Aufgrund negativer Stereotypen haben die meisten Prostituierten keinen Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdienstleistungen. Sie werden von Ärzten größtenteils gemieden und nicht einmal wegen kleinerer Beschwerden behandelt.
Diejenigen, die HIV-positiv sind, tragen die schwerste Hauptlast, da sie keinen Zugriff zu richtiger Medikation haben, einschließlich des Zugangs zu ARV-Medikamenten. Was viele nicht wissen, ist dass Sexarbeiter_innen sehr wichtig bei der Bekämpfung von HIV waren und sind, da sie Teil der Lösung zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Krankheit sind.
„Aufgrund der Art ihrer Arbeit hat die Mehrheit der Prostituierten geschützten Sex, obwohl die Gesellschaft vom Gegenteil überzeugt ist“, sagt Daughty. Aber manche Kunden nutzen große Geldsummen um Druck auszuüben, um ungeschützten Sex zu bekommen.
Laut * Mwikali, einer ehemaligen Sexarbeiterin in der Koinange Street (Nairobis berühmtem Rotlichtviertel), wollen die meisten Prostituierten Kondome verwenden, werden aber oft von dem Geld geblendet. „Manchmal bietet mir ein Kunde Ksh10, 000 (120 $) im Austausch für ungeschützten Sex.“ Oft werden sie das Geld nehmen, trotz der Gesundheitsrisiken, die damit verbunden sind.
Einige Kunden weigern sich hartnäckig gegen Kondome und gefährden daher die Gesundheit der Prostituierten. Die Tatsache, dass der Handel unter Strafe gestellt wird und als schmutzig angesehen wird, macht es für Prostituierte noch schwerer, ihre Gesundheitsrechte einzufordern.
„Manche Kunden sind sehr gewalttätig und drohen, dir weh zu tun, wenn du Kondome ansprichst.“ Du bist ja eine Prostituierte, sagen sie zu uns.
Stereotype
Sexarbeit manifestiert sich in vielen Formen. Es gibt diejenigen, die dem Geschäft auf offener Straße, oft spärlich bekleidet, nachgehen. Andere bevorzugen Bordelle, überwiegend von Zuhälter_innen betrieben.
Daughty zufolge sind 60% der Sexarbeiterinnen berufstätige Frauen, die oft ihr Einkommen mit Sexarbeit ergänzen.
„Es ist falsch zu vermuten, dass nur Frauen, die halbnackt durch die Straßen bummeln nachts Prostituierte sind. Ein_e Prostituierte_ ist oft der Mann oder die Frau von nebenan.“
In Nairobi wurden einige teure Wohnungen in Bordelle verwandelt, wo wohlhabende Männer und Frauen illegalen Sex haben, auch tagsüber.
„Aber Polizei hat ein Auge zugedrückt. Einige hochrangige Persönlichkeiten des Landes sind ungestraft davongekommen, weil Geld den Besitzer wechselte und von ihren Händen in jene der Polizei geflossen. Ist das nicht Doppelmoral?“ fragt Daughty.
Sie fügt hinzu, dass die Gesellschaft denkt, dass Prostituierte Menschen ohne Bildung sind und deshalb der Polizei zum Opfer fallen.
„Sie werden schockiert sein, dass die Mehrheit der Sexarbeiter_innen Studierende oder berufstätige Frauen sind. Einige sind Geschäftsführer_innen großer Konzerne, aber die Gesellschaft hat es versäumt, dies zu sehen.“
Daughty argumentiert, dass die Verwendung des Wortes „kommerziell“ unter Bezugnahme auf Sexarbeiterinnen ein Stereotyp darstellt und schädlich ist.
„Nicht alle Prostituierten betreiben Sex gegen Geld. Manche tun es im Austausch für Geschenke, Lebensmittel, Schulgeld und andere Grundbedürfnisse.“
Einige Frauen haben auch Sex für Tomaten. Das ist, wie ernst die Lage sein kann.
Es gibt keine kommerziellen Sexarbeiter_innen. Warum beschreiben wir nicht Banker als „kommerzielle“ Banker oder Anwälte als „kommerzielle“ Anwälte? Siehst du die Doppelmoral?