Amnesty International, Sexarbeit und Menschenrechte

Letzte Woche wurde ein internes Arbeitspapier von Amnesty International geleaked, in dem Argumente für die Entkriminalisierung von Prostitution bzw. Sexarbeit vorgebracht werden. Unter „Sexarbeit“ versteht Amnesty dem Papier zufolge einvernehmliche, bezahlte sexuelle Handlungen unter Erwachsenen, also zwischen Menschen, die älter als 18 sind. In vielen Ländern ist Sexarbeit (und vor allem Sexworker) kriminalisiert, was zu Gewalt (auch durch die Polizei), Rechtlosigkeit, Ausbeutung und Stigma beiträgt oder zur Inhaftierung von Sexarbeiter_innen führt. Kriminalisierung marginalisiert Sexarbeiter_innen, erschwert den Zugang zum Recht sowie den „Ausstieg“, da sie als „Kriminelle“ wesentlich geringere Chancen zur gesellschaftlichen Reintegration haben.

Was bedeutet Entkriminalisierung im Gegensatz zu Legalisierung? 

Auch in Deutschland ist Prostitution nicht entkriminalisiert, (vgl. § 184e StGB) sondern nur “legalisiert“. Für den Unterschied Entkriminalisierung vs. Legalisierung siehe http://www.bayswan.org/defining.html und diesen oder diesen englischsprachigen Text über die Unterschiede zwischen Kriminalisierung, Entkriminalisierung und Legalisierung.

Decriminalisation
Decriminalisation refers to the removal of all criminal laws relating to the operation of the sex industry. The decriminalisation model aims to support occupational health and safety and workplace issues through existing legal and workplace mechanisms.

Legalisation
Refers to the use of criminal laws to regulate or control the sex industry by determining the legal conditions under which the sex industry can operate. Legalisation can be highly regulatory or merely define the operation of the various sectors of the sex industry. It can vary between rigid controls under legalised state controlled systems to privatising the sex industry within a legally defined framework. It is often accompanied by strict criminal penalties for sex industry businesses that operate outside the legal framework. (Quelle:  http://www.bayswan.org/defining.html)

Während mit einer „Legalisierung“ Prostitution zwar erlaubt und legal ist, wird sie streng und oft mit strafrechtlichen (!) Mitteln reguliert und nicht etwa mit Zivil- oder Gewerberecht. Das kann äußerst repressive Folgen für Sexarbeiter_innen zur Folge haben, wie das z.B. in Nevada/USA der Fall ist, wo es zum Teil absurde Vorgaben zur Ausübung der legalen Prostitution gibt, wie z.B., dass man noch nie zuvor in der Prostitution gearbeitet hat.

Wo Prostitution „entkriminalisiert“ ist, greift das Strafrecht nicht in diesen Bereich ein, außer es gibt einen anderweitig strafrechtlich relevanten Grund, wie z.B: Gewalt, sexuelle Gewalt, Freiheitsentzug, Menschenhandel usw. Dieser Ansatz ist auch mit arbeitsrechtlichen Regeln für die Sexarbeit kompatibel und wird von den meisten Sexarbeiter_organisationen weltweit gefordert.

Sexarbeit zu entkriminalisieren bedeutet nicht, dass Gewalt, Vergewaltigungen, sexuelle Ausbeutung von Kindern oder Menschenhandel legal sein würden. Lediglich einvernehmliche sexuelle Handlungen gegen Geld würden nicht mehr strafbar sein.

In Deutschland und in den Niederlanden ist Prostitution nicht entkriminalisiert sondern nur legalisiert. In Deutschland ist die Ausübung der Prostitution durch den § 184e des StGB an bestimmten Orten verboten sowie in Sperrbezirken, die Kommunen jeweils unterschiedlich festlegen. Oft ist daher Prostitution nur an sehr wenigen Orten möglich. Diese sind meist dunkel, abgeschottet und gefährlich oder schon lange in den Händen der organisierten Kriminalität.

Arbeitsrecht nicht Strafrecht sollte Sexarbeit regeln, dort wo sie unter Erwachsenen und einvernehmlich stattfindet. Auch das deutsche Prostitutionsgesetz kann nur funktionieren, wenn Prostituierte konsequent und vollständig entkriminalisiert werden.

Amnesty International will sich bis Juni 2014 auf eine Position zum Thema Sexarbeit einigen 

Bis Juni wird sich die Amnesty Zentrale in London zum Thema Sexarbeit äußern. Zur Unterstützung von Amnesty’s Position, die vor allem durch Befürworter_innen des Schwedischen Modells stark angegriffen wurde (teilweise mit äußerst fragwürdigen Unterstellungen, dass Amnesty nun Menschenhandel unterstützen würde), habe ich eine Petition zur Unterstützung der Position von Amnesty International erstellt, so wie sie im geleakten Dokument beschrieben ist. Wer also auch für die Entkriminalisierung einvernehmlich ausgeübter Sexarbeit unter Erwachsenen ist, kann gerne mit unterzeichnen.

Auszug aus dem Papier von Amnesty:

Amnesty International is opposed to the criminalization or punishment of activities related to the buying or selling of consensual sex between adults. Amnesty International believes that seeking, buying, selling and soliciting paid sex are acts protected from state interference as long as there is no coercion, threats or violence associated with those acts. Legitimate restrictions may be imposed on the practice of sex work if they comply with international human rights law (i.e., they are for a legitimate purpose, appropriate to meet that purpose, proportionate and nondiscriminatory). Amnesty International believes states have a positive obligation to reform their laws and develop and implement systems and policies that eliminate discrimination against those engaging in sex work. (Quelle)

ZUR PETITION –>

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