Über uns

„menschenhandel heute“ ist ein kritisches Online-Magazin zum Thema Menschenhandel und verwandten Themen (Sexarbeit, Migration, Rechte von undokumentierten Migrant_innen und Arbeitsmigrant_innen, Menschenrechte, Arbeit und Arbeitsrechte, Haushaltsarbeit und Care Work, Konsum, Wirtschaft, Zulieferketten, Nachhaltigkeit, Gender, Rassismus, Diskriminierung, Frauen- und Kinderrechte, usw.). Das Magazin soll eine öffentliche Plattform schaffen, die sich durch eine vielstimmige und kritische Auseinandersetzung mit „Menschenhandel“ kennzeichnet.

Es gibt keine einfache Lösung auf das Problem, weil das Problem nicht einfach ist. Das ist unser Grundansatz. Lösungen, die nur auf Verbote abzielen, die rechtliche Situation der Betroffenen und den gesellschaftlichen Kontext unbeleuchtet lassen, lehnen wir ebenfalls als 08/15-Lösungen ab.

Wir setzen uns auch kritisch mit aktuellen Menschenhandelspolitiken und -diskursen auseinander und weisen auch auf ihre negativen, oft nicht-intendierten Folgen hin, die sogar selbst zu Menschenrechtsverletzungen führen können oder Diskriminierungen in Form von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Sexismus reproduzieren.

Unser kritischer Ansatz stellt keineswegs eine Verharmlosung des Problems „Menschenhandel“ dar. Wir lehnen jedoch eine Vermischung von Menschenhandel mit „Sexarbeit“ oder „Migration“ oder „Flucht“ oder „Schleusung/Menschenschmuggel“ ab. Begriffliche Klarheit ist unabdingbar und wird durch die Definitionen im Völkerrecht und Strafrecht bestätigt. Mehr dazu auf der Seite „Was ist Menschenhandel?“.

Ziel der Webseite ist es, in wissenschaftlicher Manier, die Komplexität eines Themas herauszustellen. Wir verweisen auf Studien und Befunde der Forschung, um dies zu erreichen.

Wir lehnen skandalisierende, moralisierende, voyeuristische, empirisch nicht gestützte und übertriebene Berichterstattung über Menschenhandel ab. Das hilft den Betroffenen von Menschenhandel am wenigsten.

Wir lehnen ebenfalls die Instrumentalisierung des Wissens über Menschenhandel, Gewalt und Ausbeutung im Kontext anderer Debatten ab, wie z. B. den Debatten über den Islam, Migration oder auch Prostitution.

Die Webseite wurde von Sonja Dolinsek initiiert und wird immer noch von ihr betrieben.

Finanzen:

Diese Seite wird ehrenamtlich betrieben.

Wenn Sie mitmachen möchten, schauen Sie hier rein.

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DIE ENTSTEHUNGSGESCHICHTE VON „MENSCHENHANDEL HEUTE“

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APRIL 2011: DER ANFANG

Wir & das Projekttutorium

Das Blog und das damit verbundene Projekt ist im Sommer 2011 im Kontext einer studentischen Lehrveranstaltung entstanden. Über zwei Semester haben wir – eine Gruppe von Studierenden der Humboldt-Universität zu Berlin – uns im Rahmen eines studentischen Projekttutoriums mit dem Thema „Menschenhandel“ auseinandergesetzt. Das Projekt wird nun auch nach Ende der Lehrveranstaltung weitergeführt.

Projekttutorien sind studentische Lehrveranstaltungen, die Teil des regulären Lehrangebots der Humboldt Universität sind. Diese Lehrveranstaltungen können von den Studierenden zweimal im Jahr bei der zuständigen Kommission der Studienabteilung beantragt werden und werden vergütet. Sie beschäftigen sich interdisziplinär mit Themen, die nicht vom Lehrangebot abgedeckt werden und probieren neue Lehr- und Arbeitsformen aus.

Warum ein Blog?

Wer sich an der Uni mit einem Thema beschäftigt, wird viel darüber lesen, viel darüber in Seminaren diskutieren und – vielleicht – auch etwas dazu schreiben. Doch in den meisten Fällen wird dieses Wissen nicht die Uni verlassen. Selten führen Studierende die Diskussion außerhalb des Seminarraums weiter und noch seltener liest eine weitere Person die verfassten Texte. Essays, Hausarbeiten, Protokolle, Handouts: Das sind Prüfungsleistungen, die Studienpunkte bringen. Als intellektuelle  und gesellschaftliche Leistung spielen sie aber keine Rolle. Was geschrieben wird, landet alsbald im Papierkorb oder im Archiv. Das ist mit Blogs ganz anders.

Wir beschäftigen uns mit dem Thema „Menschenhandel“, weil wir ein gesellschaftliches Problem identifiziert haben, das wir verstehen und kritisch beleuchten wollen. „Menschenhandel“ und alle Formen moderner Sklaverei sind in all ihren Facetten gesellschaftlich, politisch, ökonomisch und auch moralisch von Bedeutung. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Themen soll und darf dementsprechend nicht in den Räumen der Universität bleiben – sie  muss nach außen getragen werden, sie muss durch jede_n interessierte_n Bürger_in gelesen und gefunden werden können. Blogs erreichen nicht alle, aber sie erreichen mehr Menschen, als ein Essay, der im Papierkorb landet.

Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Menschenhandel“ beruht auf Wissen, dass nicht allen zugänglich ist. Vieles wurde in Buchform veröffentlicht, vieles davon in deutscher Sprache. Doch die globalen Dimensionen dieses facettenreichen Phänomens, erfordern von uns Sprachkenntnisse, Recherchefähigkeiten und materiellen Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln und Büchern, die nicht in der Kiezbibliothek stehen und möglicherweise auch nicht in der Uni-Bibliothek. Viele Analysen werden in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht, welche aber nur durch AbonnentInnen zugänglich sind. Das Internet – vor allem Wikipedia – gibt den Eindruck, Wissen sei in unendlichem Maße verfügbar. Doch gerade mit Blick auf Menschenhandel trifft das nicht zu – noch weniger im deutschsprachigen Raum.

Wir wollen mit unserem Blog wissenschaftliche Erkenntnisse einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen, die keinen unmittelbaren Zugang zu den Büchern und Artikeln hat, die wir als Autoren für unsere Artikel verwenden. Insofern versteht sich dieses Blog als Form der Demokratisierung von Wissen. Wie wollen über das in oberflächlichen Presseartikeln vermitteltes Wissen hinausgehen, wir wollen eine solidere Grundlage für das Verständnis von „Menschenhandel“ schaffen.

Leiter_innen des Projekttutoriums 

Sonja Dolinsek (zum privaten Blog mit Möglichkeit zum Flattrn)

Vor einigen jahren sind mir das erste Mal Artikel zum Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution in der deutschen Presse aufgefallen. Bis dahin wusste ich nichts davon. Kurz darauf führte mich mein Studium für einen längeren Auslandsaufenthalt in die USA nach Providence an die Brown University, wo ich im Anthropology Departement einen Kurs dazu besuchte. Eine unbekannte Welt von Theorien, Vorurteilen, Ansätzen, Praktiken, Lebensentwürfen und –vorstellungen eröffnete sich vor mir und seitdem habe ich nicht mehr aufgehört, mich mit den vielfältigen Facetten dieses Themas zu beschäftigen.

Meine akademische Sozialisation begann in der Politikwissenschaft und sie wird bald in der Geschichtswissenschaft und in der Philosophie enden. Es schien mir damals unmöglich, genauso wie jetzt, politische Lösungen oder Strategien zu entwickeln, ohne zu wissen, worüber man redet. Philosophen klären Begriffe und versuchen möglichst genau zu bestimmen, was jeder Begriff meint. Sie analysieren die Logik der Argumente und weisen auf Unstimmigkeiten und Widersprüche hin und… nun ja: der Diskurs um Menschenhandel ist voller Widersprüche und Unstimmigkeiten, voller Vorurteile und ungeklärter Begriffe.

Er ist auch historisch geprägt. Es klingt plausibel zu sagen, dass wir heute neue, moderne Formen der Sklaverei beobachten können, dass die Abschaffung der Sklaverei nicht erfolgreich war, obwohl sie inzwischen überall illegal ist. Die Verantwortung liegt bei den bösen Tätern, würden wir sagen. Gleichzeitig werden dabei historische Kontinuitäten, wie z.B. rassistische Grundhaltungen in den westlichen Gesellschaften, veraltete Vorstellungen über Weiblichkeit, weiblicher Sexualität und dem „Ort“ der Frau, ebenso wie xenofobe Einstellungen, die im Migrationsdiskurs zum Ausdruck kommen, übersehen. Nicht zu vergessen ist natürlich unser Konsumdrang und unser Bedürfnis alles, so günstig, wie möglich kaufen zu können. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es das neueste Handy, ein günstiges T-Shirt, die Dienstleistungen einer Putzfrau (oder eines Putzmannes) oder eines Kochs (einer Köchin) oder einer Sexarbeiterin (eines Sexarbeiters) sind. Dass die Dienstleistungen heute sehr oft von Menschen erbracht werden, die keine Rechte haben, entweder weil sie als undokumentierte Migrant/innen in einem Staat leben, weil sie Kinder sind oder weil sie ihre Rechte aufgrund von Ausschluss und Stigmatisierung schlicht und einfach nicht einklagen können, war für mich im Sommer 2011 und ist für mich heute, im Sommer 2012, immer noch der Kern von Menschenhandel.

Johannes Stiegler

Gemeinsam mit Sonja leitete ich das Projekttutorium. Als Sonja mir angeboten hat, diese studentische Lehrveranstaltung mit ihr zu leiten, habe ich gerne angenommen, da mich das Konzept und der Inhalt begeistert haben.

Die Inhalte des Projekttutoriums spiegeln zentrale Interessen meines Studiums wider. Ich studiere Soziologie, Ethnologie und Politikwissenschaft und setze mich – neben meinem Regionalschwerpunkt Naher Osten – hauptsächlich mit Geschlechterverhältnissen und Migration auseinander. Auch in meinen ehrenamtlichen Tätigkeiten in den Bereichen „faire“ Arbeitsbedingungen und Löhne, Migration, persönliche Selbstbestimmung sowie Menschenrechte habe ich mich mit Themen beschäftigt, die im Projekttutorium zentral sind.

Mit Sonja und den Teilnehmenden zusammen habe ich im Tutorium die vielfältigen Facetten und Ebenen des Themas Menschenhandel herausgearbeite. Dabei waren mir einige Aspekte besonders wichtig. Das sind zum einen der historisch-kulturelle Hintergrund des Themas und die politische Verortung der unterschiedlichen Standpunkte und Definitionen, die es in diesem Themenfeld gibt. Ein weiterer Aspekt ist die kritische Betrachtung von und die Sensibilisierung für Darstellungen von Menschen aufgrund ihrer ethnischen oder kulturellen Herkunft (race) und ihres Geschlechts. Grundlegend und wiederkehrend ist außerdem die Frage nach Handlungsspielräumen und Handlungsfähigkeit der Betroffenen (agency). Ich war bis 2012 an der Redaktion des Blogs aktiv beteiligt.

Die Autor_innen

Autor_innen der Beiträge waren bis Anfang 2013 die Teilnehmer_innen und Leiter_innen des Projekttutoriums an der Humboldt-Universität zu Berlin. Wir haben die Themen selbst gewählt und mit der Unterstützung von Sonja und Johannes verfasst. In den Beiträgen kommt eine Vielfalt an Interessen, Meinungen und auch politischer Positionen zum Ausdruck und wir sind jeweils selbst für den Inhalt der Beiträge verantwortlich, jedoch nicht für die Inhalte der Links, auf die wir verweisen.

Kontakt: menschenhandelheute (at) posteo.de

2 Kommentare

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