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Menschenrechtskommissarin des Europarats zu Sexarbeit und der Verbotsdebatte

Die Menschenrechtskommissarin des Europarats nimmt Stellung zur Situation der Sexarbeitenden in Europa und unterstreicht die Dringlichkeit, sich mit den tiefgreifenden Menschenrechtsfragen auseinanderzusetzen, die dieser Berufszweig mit sich bringt. Die Problematik reicht von Gewalt und mangelndem Schutz durch Polizei und Justiz bis hin zur gesellschaftlichen Stigmatisierung und Diskriminierung. All dies führt oft dazu, dass Sexarbeitende isoliert sind und schwer Zugang zu elementaren Bedürfnissen wie Wohnraum und medizinischer Versorgung finden. Verbote, auch das Nordische Modell, sind nicht geeignet, um diese Ziele zu erreichen.

Nach intensiven Diskussionen mit Sexarbeitenden, ihren Vertretern, internationalen Organisationen und Experten fordert die Kommissarin einen menschenrechtsbasierten Ansatz im Umgang mit Sexarbeit. Ein solcher Ansatz sollte den Schutz und die Rechte der Sexarbeitenden in den Vordergrund stellen, um ihnen ein sicheres und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Wie jeder andere Berufstätige auch, sollten Sexarbeitende vor Diskriminierung geschützt sein und gleichen Zugang zu Dienstleistungen und rechtlichem Schutz genießen.

In der Praxis sieht sich jedoch ein Großteil der Sexarbeitenden in Europa mit Gewalt und Missbrauch konfrontiert, was oft auf ihre Marginalisierung und unsichere Arbeitsbedingungen zurückzuführen ist. Die Angst vor Stigmatisierung und rechtlichen Konsequenzen verhindert häufig, dass Übergriffe gemeldet werden. Deshalb ist es entscheidend, dass Behörden ein Umfeld schaffen, in dem Sexarbeitende Gewalt melden können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.

Ein Blick auf die internationale Bühne zeigt unterschiedliche Herangehensweisen im Umgang mit Sexarbeit: In Belgien wurde 2022 ein bedeutender Schritt getan, indem Sexarbeit entkriminalisiert wurde, sodass Sexarbeitende nun legal als Selbstständige arbeiten und soziale Rechte aufbauen können. Deutschland hingegen hat ein umfangreiches und komplexes Regelwerk etabliert, das viele Sexarbeitende, insbesondere Migranten und trans Personen, ausschließt und marginalisiert. In Frankreich führte das Gesetz von 2016, das den Kauf sexueller Dienstleistungen unter Strafe stellt, dazu, dass Sexarbeitende in die Illegalität gedrängt werden, was ihre Sicherheit weiter gefährdet. Schweden, bekannt für sein Modell, in dem der Kauf sexueller Dienstleistungen kriminalisiert wird, nicht aber deren Verkauf, zeigt ebenfalls komplexe Auswirkungen auf die Sicherheit und Rechte von Sexarbeitenden.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Kriminalisierung von Sexarbeit oder die Kriminalisierung der Kunden, wie im schwedischen Modell praktiziert, nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Situation von Sexarbeitenden führt. Die Kommissarin lehnt ein solches Verbot ab und betont die Notwendigkeit eines offenen Dialogs und einer Politik, die auf den Menschenrechten basiert. Es muss sichergestellt werden, dass Sexarbeitende vor Gewalt geschützt sind, Zugang zu Gesundheitsdiensten und anderen sozialen Rechten haben und aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben teilnehmen können.

Die Stellungnahme im Original ist hier zu finden.

Eine deutsche Übersetzung hat die Deutsche Aidshilfe bereitgestellt. https://magazin.hiv/magazin/menschenrechte-sexarbeit/

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