Die Diskussion über ein neues Prostitutionsgesetz in der Großen Koalition geht inzwischen schon seit über zwei Jahren. Damals, im Oktober 2013, wurde die Diskussion durch Alice Schwarzers Kampagne gegen Sexarbeit geradezu erzwungen.
Besonders sachlich, empirisch und fundiert ging es in der Debatte deshalb nicht zu: Falsche Zahlen und Behauptungen werden seitdem in die Welt gesetzt mit dem einzigen Ziel die Legalität der Sexarbeit einzuschränken oder – wie es Schwarzer gerne sagt – die Prostitution „abzuschaffen“.
Natürlich nennt diese Absicht niemand beim Namen. In der Großen Koalition und im Ministerium von Manuela Schwesig spricht man daher auch von „Schutz“ – Schutz der Prostituierten. Und darüber streiten sich SPD und CDU seit Anfang an – darüber, wie man Prostituierte besser „schützen“ kann.
Worte wie „Selbstbestimmung“ fallen gerne bei der SPD. Bei der CDU ist man etwas ehrlicher und spricht von „Kontrolle“. Von „Rechten“ spricht niemand, weil das neue Gesetz keine neuen „Rechte“ schafft sondern – nach typisch deutscher Manier – nur neue Pflichten und Auflagen.
Die Pläne für ein neues Prostitutionsgesetz sind nichts als eine Mogelpackung, die dazu dient, die lautstarke Anti-Prostitutions-Lobby zu besänftigen und die leicht unüberlegt wirkenden Verpflichtungen im Koalitionsvertrag zu erfüllen. Das wurde auch gestern in einem Hintergrundgespräch für die Presse im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend deutlich.
Dort lehnt man inzwischen den ersten Entwurf des neuen Gesetzes angeblich ab. Einige Maßnahmen wurde verschlankt – die Anmeldepflicht soll für die Kommunen nicht mehr so ganz aufwändig sein – aber an den grundsätzlichen Regelungen wurde nichts geändert.
Neue „Hurendatenbank“ soll Wunder wirken
Mit einer Hurendatenbank, die keinen anderen Zweck erfüllt, als zu existieren und teuer zu sein, sollen Prostituierte in Zukunft besser „geschützt“ werden. Nein, keine neuen Beratungsstellen, keine zusätzlichen Informationsportale für Prostituierte, nein, eine Datenbank soll Prostituierte plötzlich wie ein Wunder zum besseren Leben verhelfen. Der Glaube in die deutsche Bürokratie war wohl nie größer.
Kein Wunder, dass sich inzwischen mehrere Kommunen und Länder gegen eine derartige Maßnahme sträuben. Sie sei zu teuer – gerade jetzt. Frauen- und Menschenrechtler*innen sagen, sie sei sinnlos und verletze die Grundrechte von Sexarbeiter*innen.
Manche sagen sogar, sie würde schaden – wegen dem Datenschutz. Oder weil Prostituierte leichter erpressbar würden. Man könne doch wohl nicht so naiv sein und glauben, dass die Daten in einer Hurendatenbank heutzutage sicher seien.
Nun ja. In der Großen Koalition scheint der Glaube an die Datenbank als Wunderheilmittel immer noch groß und unhinterfragt zu sein. Am Grundsatz einer Sonderanmeldung (also zusätzlich zur schon geltenden Meldepflicht im Einwohnermeldeamt und beim Finanzamt) zweifelt auch die SPD nicht.
International ist die Vorstellung einer Sonderanmeldung für Prostituierte schon längst verpönt. Für die Vereinten Nationen gilt eine Hurenregistrierung schon seit der 1949er Konvention gegen Frauenhandel als eine Verletzung von Grundrechten.
„Jede Vertragspartei dieser Konvention ist damit einverstanden, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um jedes bestehende Gesetz und jede bestehende Vorschrift oder Verwaltungsbestimmung aufzuheben oder außer Kraft zu setzen, wonach Personen, die der Prostitution nachgehen oder dessen verdächtig sind, einer gesonderten Registrierung unterliegen oder im Besitze eines besonderen Dokumentes sein müssen oder anderen Ausnahmebestimmungen zwecks Kontrolle oder Anmeldung unterliegen. (Art. 6.)
Die Weltgesundheitsorganisation mahnt, dass so eine Pflicht stigmatisiere und vor allem nicht gemeldeten Prostituierten den Zugang zu Hilfe und Beratung erschwere. Eine Meldepflicht bewirkt also das Gegenteil von „Schutz“: Sie macht schutzlos, rechtlos. Sie drängt in die Illegalität.
„Gesetze, die Zwangsuntersuchungen und Zwangsanmeldungen vorsehen, schaffen Hürden im Zugang zur Gesundheitsversorgung für Sexarbeiter*innen.“ (Laws demanding mandatory testing and mandatory registration create barriers to health care for sex workers).“ (Quelle)
Schwesig befürwortet Strafen gegen Sexarbeiter*innen
Besonders absurd und zynisch ist die Tatsache, dass man diese Anmeldepflicht mit Strafen erzwingen möchte. So manche Prostituierte wird in Zukunft also nicht nur von Zuhältern gegängelt werden, sondern auch vom Staat: Beide drohen mit Geldstrafen, um von der Prostituierten etwas zu erzwingen. Beide – Staat und Zuhälter – glauben von sich, damit Prostituierte zu schützen. Beide liegen sie falsch.
Die Sondermeldepflicht für Prostituierte wird die Situation von Prostituierten nicht verbessern. Im Gegenteil. Sie wird eine Vielzahl von Prostituierten in die Illegalität treiben. Daran wird auch die Strafandrohung nichts ändern. Was sie ändern wird, ist, dass sie Prostituierte, die aktuell ganz einfach legal arbeiten können, kriminalisiert.
Auch die Bestrafung von Prostituierten ist in internationalen Kreisen von Forschung und Menschen- und Frauenrechtsorganisationen schon lange geächtet. Dass man in Deutschland immer noch, „Kriminalisierung“ als „Schutz“ verkaufen kann, ist gerade deshalb besonders erschreckend.
Auch in der Forschung über Strategien zu Bekämpfung des Menschenhandels ist man sich einig: Auch die indirekte Kriminalisierung von Prostituierten, z.B. durch Sonderauflagen, erhöht ihre Verletzlichkeit für Ausbeutung und Erpressung.
Erpressung durch Menschen, die drohen sie zu outen, bei der Familie, Freunden oder dem Arbeitgeber, ist gerade bei rumänischen und bulgarischen Prostituierten eine verbreitete Ausbeutungsstrategie. Tatsächlich verstoßen Familien oft ihre Töchter, wenn sie von der Prostitution erfahren. Ob Manuela Schwesig bewusst ist, wen sie da in die Hände spielt?
Man weiß im Bundesministerium sehr wohl, dass die Angst vor Stigmatisierung viele Prostituierte von einer Anmeldung abhalten wird. Dass die Anmeldung Unsinn ist, will man noch nicht ganz zugeben. Schließlich hat man bisher mit „Schutz“ argumentiert – da kann man doch nicht plötzlich den Rückwärtsgang einschalten. Oder doch?
Sondermeldepflicht ist in der Praxis untauglich
In der Praxis scheint die Sondermeldepflicht nur einen einzigen Zweck zu erfüllen: Legale Sexarbeit zu erschweren. Sie erhöht die Hürde der Legalität. Sie führt eine Pflicht ein, die es für keine anderen Selbständigen gibt, die einfach nur ein Ruhe ihr Geld verdienen wollen.
Der Zweck der Sondermeldepflicht für Prostituierte ist es also, sie in die Illegalität zu treiben und damit schutzloser zu machen, als sie schon sind. Durch Strafen werden viele von ihnen kriminalisiert. Und warum? Nicht zu ihrem Schutz, sondern weil der Großen Koalition eine dumme Datenbank wichtiger ist als der tatsächliche Schutz.
Materialien und Hinweise zur Kritik am geplanten Prostituiertenschutzgesetz:
Stellungnahme des Juristinnenbundes zum Prostituiertenschutzgesetz
Stellungnahme von Mitarbeiter*innen aus dem Gesundheitsdienst
„Nur vertrauliche Hilfe wirkt“ (caritas.de)
Das Prostituiertenschutzgesetz macht alles noch schlimmer (vice.com)
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