Prostituierte zu ihrem Schutz verhaften: Das Augsburger Modell und seine Heuchelei

Twitter : Suche - augsburger straßenstrich Noch vor einem Monat argumentierte auf Twitter Volker Ullrich („Berufsmäßiger Stadtrat und Ordnungsreferent der Stadt Augsburg – CSU-Kandidat für den Deutschen Bundestag im Wahlkreis Augsburg-Stadt“, wie es auf Twitter heißt), dass das Augsburger Verbot der Straßenprostitution der erster „richtige“ Schritt gewesen sei. Daraufhin betonte er:

„in Augbsurg wurde zum Schutz der Frauen die Strassenprostitution verboten. Jetzt ist der BT gefragt!“ (vollständige Unterhaltung auf Twitter)

Heute, am 19. Juli berichtet die Ausgburger Allgemeine über die Inhaftierung von drei bulgarischen Prostituierten (im Alter von jeweils 18, 19 und 25 Jahren), weil sie wiederholt auf der Straße gearbeitet hatten. Die Augsburger Allgemeine schreibt, dass die Frauen trotz „Belehrung“ gegen das Verbot verstoßen hätten. Kritisch hinterfragt wird weder das Gesetz noch der Sinn der Inhaftierung.

Versucht man also ein Gesamtbild zu zeichnen, so muss man sagen: In Augsburg werden Prostituierte zu ihrem Schutz kriminalisiert. Zuerst wird ihre Tätigkeit zu ihrem Schutz verboten und wenn sie dem Verbot zuwiderhandeln, dann werden sie – eben auch zu ihrem Schutz – verhaftet. Klingt logisch, oder?!

Die Verordnung über das „Verbot der Prostitution in der Stadt Augsburg“ wurde übrigens nicht erst im Januar 2013 erfunden sondern wurde nur wieder aufgelegt. Das erste Mal wurde das Gesetz 1975 eingeführt – damals interessierte sich übrigens noch niemand für Menschenhandel. § 4 der Verordnung beschreibt die Strafen für die Sexarbetier_innen:

§ 4
(1) Wer dem Verbot des § 1 dieser Verordnung zuwiderhandelt, kann nach § 120 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße belegt werden.
(2) Wer dem Verbot des § 1 dieser Verordnung beharrlich zuwiderhandelt, kann nach § 184 a des Strafgesetzbuches mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Weder Herr Ullrich noch alle anderen Augsburger Hardliner scheinen sich der Widersprüche, Doppelmoral und Heuchelei dieser Politik bewußt zu sein –  darunter auch der Kriminalinspektor Helmut Sporer, der zuletzt im Juni als Sachverständiger im Rechtsausschuss des Bundestags geladen war. Und falls sie sich dessen bewußt sein sollten, muss man ihnen vorwerfen, die Frauen für ihre eigenen, politischen Zwecke zu instrumentalisieren, ohne auch irgendwie das Wohl der Sexarbeiter_innen im Blick zu haben.

Wenn Augsburger Hardliner sich gegen Menschenhandel engagieren und dabei mit Verboten argumentieren, ist daher äußerste Vorsicht und kritische Haltung angebracht. Aller Wahrscheinlichkeit nach, könnten sie präventiv die potentiellen Opfer von Menschenhandel bestrafen wollen – so wie es den drei bulgarischen Sexarbeiterinnen widerfahren ist. So eine Politik kann niemand, der_m Menschenrechte am Herzen liegen, gut heißen und auch nur annähernd unterstützen.

Nachtrag 23.07.2013:

In einer Twitter-Konversation über „Zwangsprostitution“ vertrickte sich eine Twitter-Nutzerin in den gleichen Widerspruch. Prostituierte können gerne inhaftiert werden, das sei wohl die einzige Lösung. Leider ist die Konversation inzwischen vollständig gelöscht. Einen Teil davon haben wir jedoch im Vorfeld gespeichert.

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