Die Kriminalisierung der Kunden von Sexarbeiterinnen verschlimmert den Menschenhandel

Andrew Wallis, der Geschäftsführer von Unseen, sagt uns, was er wirklich von den Versuchen hält, in Großbritannien Gesetze nach nordischem Vorbild einzuführen.

Dieses Interwiev wurde zuerst auf Beyond Trafficking and Slavery (opendemocracy.net) veröffentlicht.

Andrew Wallis ist Gründer und Geschäftsführer von Unseen, einer in England ansässigen Wohltätigkeitsorganisation, die sich seit 2007 für die Bekämpfung von Menschenhandel und moderner Sklaverei einsetzt. Beyond Trafficking and Slavery sprach mit Andrew Wallis, um ihn zu fragen, warum so viele Organisationen zur Bekämpfung des Menschenhandels, darunter auch Unseen, keine ausdrückliche Position zur Sexarbeit beziehen und welche Konsequenzen diese Nicht-Positionierung haben könnte. Wir fragten ihn auch nach den jüngsten Versuchen der Labour-Abgeordneten Diana Johnson, das nordische Modell der Sexarbeit im britischen Parlament einzuführen. Dieses Interview wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit bearbeitet und gekürzt.

Emily Kenway (BTS): Warum haben Sie Unseen gegründet?

Andrew Wallis (Unseen): Damals, im Jahr 2007, war das Verständnis von Menschenhandel überwiegend das von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Und dann gab es noch diese anderen Dinge – wie Zwangsarbeit und häusliche Sklaverei -, die nur ein Ärgernis am Rande waren. Mir ging es um die Ausbeutung in ihrer Gesamtheit, nicht um irgendetwas davon allein. Ich wandte mich an eine ganze Reihe von Wohlfahrtsverbänden und fragte, was ich tun könne, und sie sagten mir im Grunde, ich solle mich verpissen. Also sagte ich: „Na gut, schön. Ich werde etwas auf die Beine stellen und damit anfangen.

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Eine feministische Kritik am „Sexkaufverbot“

Es wird immer wieder argumentiert, dass ein sogenanntes „Sexkaufverbot“ bzw. „Schwedisches Modell“ (weil es zuerst in Schweden im Jahre 1999 eingeführt wurde) – die einzige gesetzliche Regelung sei, die Menschenhandel und Ausbeutung von „Frauen in der Prostitution“ verhindern kann. Es sei auch die einzig wirklich „feministische“ gesetzliche Regelung von Prostitution.

Dem widerspreche ich. Und nicht nur ich. Das Verbot, für Sex zu bezahlen, wurde in Schweden auf problematische Weise umgesetzt. Das habe ich schon vor einiger Zeit hier erläutert. Vor allem für Sexarbeiter*innen hat des Verbot negative Folgen, wie z. B. eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.

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Amnesty International fordert Entkriminalisierung von Sexarbeit in Namen der Menschenrechte

Ursprünglich veröffentlicht auf amnesty.ch

An ihrer internationalen Ratstagung 2015 in Dublin haben die Amnesty-Delegierten eine wichtige Entscheidung zum Schutz der Menschenrechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern getroffen.

Mit einer Resolution beauftragten die Vertreterinnen und Vertreter der über 50 Sektionen aus aller Welt ihren Internationalen Vorstand, eine Positionierung zu diesem Thema zu entwickeln und zu verabschieden, die auch die Entkriminalisierung von Sexarbeit einschliessen soll.

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Sexarbeit, Maischberger und die Menschlichkeit

Ein vorab Kommentar zu einer noch nicht existierenden, aber ziemlich vorhersehbaren Folge von Menschen bei Maischberger (20.1.2015).

Die CDU will schnellstmöglich ein neues „Prostituiertenschutzgesetz“ auf die Wege bringen. Dadurch soll der angeblich explodierende Menschenhandel bekämpft werden, die Prostitution „menschlicher“ werden.

Der Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung ist im Jahr 2013 um 11 % zurückgegangen. Während es 2012 noch 612 Opfer waren, sind es ein Jahr später 542. Auch die Zahl minderjähriger Opfer hat sich zwischen 2009 und 2013 halbiert: Von 145 auf 70 Opfer.

Der Hinweis findet sich im Bundeslagebild Menschenhandel des Bundeskriminalamtes (BKA) vom Herbst 2014. „Die Zahl der in Deutschland festgestellten Fälle von Menschenhandel […] hat im Jahr 2013 den niedrigsten Stand seit dem Jahr 2006 erreicht“, so die Gesamtbewertung des BKA. Weiterlesen →

Das Schweigen der AbolitionistInnen

Autorin: Helga Pregesbauer. Ursprünglich veröffentlicht auf wortflechte.com

Ich verfolge alle mir bekannten deutschsprachigen Medien von Abolitionistinnen seit zwei Jahren und versuche alles zu lesen, was sie veröffentlichen: Websiten, social media Beiträge, twitter, facebook, Publikationen.

Ich hatte per Mail, persönlich, via Chat und sogar per Telefon mit mindestens 30 Abolitionistinnen Gespräche. Wenn ich Gespräche auf Twitter und auf Facebook (offen mitlesebare) dazurechne kommen noch einmal 30 weitere Personen dazu. Ich habe auch von denen, die mit mir kommuniziert haben, keine einzige Antwort auf eine meiner Fragen bekommen.

Zu meiner abolitionistischen Lektüre gehören ca. zwanzig Blogs, zehn Websites, die persönlichen Einträge auf facebook von ca. zwanzig Personen und zehn Organisationen. Ich war auf jeder einzelnen mir bekannten Veranstaltung zum Thema in Wien, das waren heuer ungefähr 15 Termine. Ich wäre auf die Kofra-Konferenz gefahren, wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich nicht hin darf, weil ich vorher schon von mehreren Personen gehört hatte, dass deren Anmeldung abgelehnt wurde. Leider habe ich die Anmeldung unterlassen, was ein großer Fehler war – die Ablehnung meiner Anmeldung würde ich heute gern herzeigen. Denn die ausgeladenen SexarbeiterInnen stellen sich damit keiner Öffentlichkeit, was ich sehr gut verstehe. Ich bin aber bereit, in persönlichen Gesprächen diese mir übermittelten herzuzeigen und Telefonkontakt herzustellen, den ich übrigens bereits Personen, die mich Lügen schimpften, angeboten habe. Wollten die natürlich nicht. Ich habe von einer Konferenz-Teilnehmerin erfahren, dass auf der Konferenz gesagt wurde, die „happy Sexarbeiterinnen“ wollen sie hier auf der Konferenz nicht haben. Tja, die hätten ihre Thesen ja ganz schön ins Wackeln gebracht. Die vor Ort ausgesprochene Kritik am schwedischen Modell wurde dort nach Aussage dieser Teilnehmerin „nicht ernst genommen“.

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Bericht zur Veranstaltung „Rotlicht im Fokus“ in Augsburg (20.11.2014)

Der/die Autor*in bleibt gerne anonym. Vielen Dank für den Bericht! 

Ca. 70 der 100 Plätze in der neuen Stadtbibliothek in Augsburg sind besetzt. Die Veranstaltung läuft von 18:30 bis 21 Uhr. Die Begrüßung übernimmt die Gastgeberin, MdB Ulrike Bahr wahr. Sie spricht zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens bezüglich der Prostitution. Sie dankt dem Familienministerium, an der Expertenanhörung im Sommer teilnehmen zu dürfen. Sie sieht den Graubereich zwischen legaler und illegaler Sexarbeit durch die EU-Osterweiterung wachsen und appelliert auch jene zu schützen, die davon bedroht sind einmal Opfer von Menschenhandel zu werden.

Darauf folgt ein Schauspiel. Das von zwei Frauen entwickelte Stück „Der Nuttenbus von der A8“, was normalerweise in einem Kleinbus gehalten wird, um dem Publikum Enge zu vermitteln, wird aufgeführt. In Vorbereitung zu dem Stück wurde mit deutschen Prostituierten in einem Augsburger Bordell sowie Zuhältern gesprochen. Aus diesen Erzählungen machten sie ein Solostück. Porträtiert wird eine in die Jahre gekommene deutsche Sexarbeiterin, die Hand, Blasen oder „Quicki“ für jeweils 30 € macht und viele Kunden pro Tag braucht um ihre Kosten zu decken. Sie beschwert sich über die „Ostschlampen“ die schnell Kohle machen wollen. Sie erzählt, wie sie angelernt wurde, welche problematische Aspekte ihrer Arbeit hat und dass auch Männer zu ihr kommen, die wissen wollen wie man eine Frau befriedigt.

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SOLWODI-Gründerin: Sexarbeiter*innen als „Drecksarbeiter*innen“? Ein Kommentar

Am vergangenen Wochenende erschien in der Welt ein Interview mit der Ordensschwester und Gründerin der christlichen Beratungsstelle für Prostituierte SOLWODI Lea Ackermann. Der Titel des Artikels: „Prostitution ist Drecksarbeit, nicht Sexarbeit„.

Zuerst habe ich mir gedacht: „Na ja, das ist die übliche Anti-Prostitutions-Haltung. Daran sind wir gewohnt.“ Aber um so länger ich über diesen Satz nach dachte und nachdem ich gesehen habe, wie viele Leute auf Twitter und Facebook diesen Artikel geteilt haben, musste ich einsehen, dass dieser Artikel mehr ist als nur „Anti-Prostitution“.

Ich weiß nicht, was Frau Ackermann sich dabei gedacht hat oder was sie sich mit der Bezeichnung von Sexarbeit als „Drecksarbeit“ erhofft hat. Sicher ist: Sie hat mit ihren Worten eine alte Tradition aufgegriffen, in der Prostituierte mit Schmutz, Dreck und Krankheiten in Verbindung gebracht werden. Das ist eine Tradition des Ekels und der Abscheu. Weiterlesen →

Prostitution in Deutschland. Mehr Rechte verhindern Ausbeutung

Autorin: Irmingard Schewe-Gerigk. Dieser Beitrag wurde ursprünglich veröffentlicht auf b-republik.de und wird freundlicher Genehmigung der Autorin weiter veröffentlicht. 

Bis 2002 waren Prostituierte in Deutschland nahezu rechtlos. Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hat diesen Zustand juristisch erstmals beendet. Dennoch bleibt viel zu regeln, um die betroffenen Frauen wirksam zu schützen. Dabei würde sich die Kriminalisierung der Prostitution als Irrweg erweisen.

Kaum ein gesellschaftspolitisches Thema erregt die Gemüter in Talkshows und Magazinen so sehr wie das Thema Prostitution. Zwei Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber: Die Vertreter eines Verbots verkünden missionarisch, dass Prostitution niemals freiwillig sein kann, sondern immer unter Zwang ausgeübt wird. Sie sprechen den Prostituierten die Entscheidungskompetenz ab, wollen Bordelle und Prostitution verbieten und Freier bestrafen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Prostitution tolerieren und als Teil des Selbstbestimmungsrechts von Frauen ansehen, wenn sie freiwillig erfolgt. Sie argumentieren, durch die Stärkung der Rechte von Prostituierten könne ihrer Ausbeutung entgegengewirkt werden.

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Tag gegen Menschenhandel: „Jenseits von Menschenhandel und Sklaverei“

Anlässlich des internationalen Tages gegen Menschenhandel am 18. Oktober möchte ich eine Artikelserie vorstellen, die seit einigen Wochen und über einen Zeitraum von 12 Monaten auf Open Democracy erscheint. Unter dem Titel „Jenseits von Menschenhandel und Sklaverei“ stellen Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Fachgebieten und unterschiedlichen Ländern eigene Forschung und Überlegungen zu Menschenhandel vor. Ähnlich wie auch dieses Magazin verfolgen die Autor*innen einen kritischen Ansatz. Ihr Ziel ist es,

sowohl die leere Effekthascherei von Mainstream-Medienberichten über Ausbeutung und Herrschaft als auch die hohlen technokratischen politischen Reaktionen, die von Unternehmen und Politiker*innen beworben werden, kritisch zu hinterfragen. (Quelle)

Bisher sind insgesamt vierzehn Beiträge erschienen, die vor allem den Diskurs über Menschenhandel und moderne Sklaverei und die politischen Maßnahmen gegen Menschenhandel kritisch analysieren.

Der erste Befund wiegt schwer gegen Politiken und Kampagnen gegen Menschenhandel: Aktionen, Politiken und Kampagnen gegen Sklaverei und Menschenhandel hätten bisher kaum etwas bewirkt – oder zumindest gibt es keine Daten, die das irgendwie belegen. Aber, so fragen die Autoren, was bewirken denn diese Politiken dann, wenn sie diejenigen, die sie angeblich schützen, nicht wirklich stärken?

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Prostitution: Ein offener Brief an Sylvia Pantel, MdB für die CDU

Sehr geehrte Frau Pantel,

letzte Woche haben Sie an einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Sexarbeits-Kongresses teilgenommen. Die Diskussion fand am Abend des ersten Tages statt. Insgesamt drei Tage lang gab es Vorträge und Austausch. Es waren unter ihnen nicht nur Sexarbeiter*innen sondern auch Sozialarbeiter*innen anwesend – auch jene, die vorwiegend mit Betroffenen von Menschenhandel arbeiten.

Rechte von Sexarbeiter*innen sind Menschenrechte.

Vor der Veranstaltung haben Sie ein Interview gegeben und einen eigenen Blogbeitrag verfasst. Nicht nur dort sondern auch während der Veranstaltung haben Sie gezeigt, wie wenig Sie über das Thema wissen. Deshalb schreibe ich Ihnen diesen offenen Brief.

In ihrem eigenen Blogbeitrag sprechen Sie von den „anwesenden Prostituierten“ und gehen fälschlicherweise davon aus, dass nur Prostituierte diesen Kongress besucht haben. Sie gehen fälschlicherweise davon aus, dass sich niemand sonst aus der Zivilgesellschaft auch nur ansatzweise für das Thema Sexarbeit und Rechte von Sexarbeiter*innen interessiert. Sie unterstellen nicht nur allen anwesenden „Huren“ zu sein sondern sie unterstellen allen anwesenden mutmaßlichen Huren, nichts zu sagen, was man sinnvollerweise in einer Demokratie berücksichtigen sollte. Sie unterstellen allen anwesenden auch, nicht von Gewalt oder gar Menschenhandel betroffen gewesen zu sein.

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Populistische Doku: „Verkauft, verschleppt, missbraucht – Vom Kampf gegen den Menschenhandel“

Die Doku „Verkauft, verschleppt, missbraucht – Vom Kampf gegen den Menschenhandel“ wurde am 21. September noch mal gesendet. Auch dieses Mal bin ich davon überzeugt, dass es sich um eine unsachliche und populistische PR-Kampagne gegen Prostitution handelt. Gezeigt werden mehrere Schicksale von Betroffenen von Menschenhandel, aber auch Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder, die mit „Prostitution“ gleichgesetzt werden und somit verharmlost werden.

Die Schicksale der Frauen werden selten kontextualisiert. Die Beschreibungen, die letztendlich gesendet werden, sind Beschreibungen von Gewalt, die ihnen Täter angetan haben. Von strukturellen Faktoren ist keine Rede. Informationen über die Gesetzeslage finden sich kaum – bis auf die ständigen Verweise, dass das Prostitutionsgesetz (drei mickrige Paragraphen) an allem Schuld sind. Eine populistische monokausale und, mit Verlaub, auch einfach falsche Erklärung wird genutzt, um aus einer Doku über Menschenhandel eine Doku gegen Prostitution und Sexarbeit zu machen. Mit allen verqueren und unsachlichen Vermischungen, die damit einhergehen.

In einen Topf geworfen wird hier vieles: Prostitution, migrantische Sexarbeit, sexuelle Gewalt gegen Kinder, Vergewaltigung von Kindern, Menschenhandel, Zuhälterei, Migration rumänischer Frauen nach Deutschland, Ausbeutung rumänischer Frauen in Deutschland. All das scheint für die Autoren der Doku das gleiche zu sein. Gerechtfertigt scheint diese oberflächliche und populistische Gleichsetzung durch das gemeinsame Ziel all derjeniger die zu Wort kommen: Der Kampf gegen die legale Prostitution. Mit einer Ausnahme. Die Betroffenen von Menschenhandel erhalten außerhalb der graphischen Beschreibung ihrer Ausbeutung keine Stimme. Und Sexarbeiter*innen sowieso nicht. Die Deutungsmacht liegt bei den Autoren, den Anti-Prostitutions-Therapeuten. Ja, gar bei einem Zuhälter und Menschenhändler.

Die Macher der Doku haben den Blick der Menschenhändler dermaßen internalisiert, dass sie selber die Betroffenen von Ausbeutung sowie Sexarbeiter*innen (die erst gar nicht vorkommen) nicht nur als „Ware“ sehen und beschreiben sondern auch als „Ware“ behandeln. Denn in der Doku dürfen sie nicht sprechen. Die Deutungsmacht über ihr Leben, ihre Erfahrungen obliegt den angeblichen Expert*innen, auch wenn diese deutlich zeigen, dass sie kein bißchen Respekt für Sexarbeiter*innen übrig haben. Die Experten haben auch kein Wort über Menschenhandel verloren zumindest kein sachliches Wort, das die Debatte weiterbringt. Sie verteufeln alleine die Prostitution. Die Doku ist ein gutes Beispiel für populistischen Anti-Prostitutions-Journalismus.

Und damit klar wird, warum ich das sage, habe ich im Detail aufgeschrieben, was an dieser Doku alles problematisch ist.

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Gesetze zu Prostitution und Menschenhandel: Stellungnahme des Juristinnenbundes

Autor*in: Deutscher Juristinnenbund e. V.

Stellungnahme zur Reform der Strafvorschriften des Menschenhandels, Verbesserung des Schutzes der Opfer von Menschenhandel und Regulierung der Prostitution vom 15.09.2014 (djb.de)

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat zur Frage der Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU und zur Diskussion weiteren rechtspolitischen Handlungsbedarfs zur Bekämpfung des Menschenhandels, Unterstützung der Opfer von Menschenhandel, Stärkung der Prävention und Regulierung des Prostitutionsgewerbes einen Arbeitsstab eingesetzt, der von Februar bis August 2014 gearbeitet und sich mit aktuellen Forderungen zu Reformen in den genannten Bereichen auseinandergesetzt hat. Der Arbeitsstab hat darüber hinaus eine Anhörung durchgeführt, bei der Vertreterinnen von Beratungsstellen, die mit Opfern von Menschenhandel arbeiten, sowie Vertreterinnen der Verbände von Sexarbeiterinnen anwesend waren. Die Ergebnisse und Empfehlungen aus der Arbeit des Arbeitsstabs fasst diese Stellungnahme zunächst zusammen, das ausführliche Gutachten folgt im Anschluss.

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Von Zwangspolitikern und der Registrierungspflicht für Sexarbeiter/-innen (Gastbeitrag)

Autorin: Johanna Weber. Ursprünglich veröffentlicht auf johannaweber.de

Vor einigen Jahren habe ich noch drüber nachgedacht, selber eine politische Laufbahn einzuschlagen. Das kann ich mir jetzt nicht mehr vorstellen. Wie die Jungfrau kam ich zum Kinde und wurde Politische Sprecherin des Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen. Verändern kann ich in der Position nicht viel, aber ich habe sehr tiefe Einblicke in den Arbeitsalltag der Bundespolitiker bekommen. Menschen, die vermeintlich die Geschicke unseres Landes in der Hand haben. Menschen, die klug und weise zum Wohle aller handeln sollten.

Aber wie frei sind diese Menschen in ihren Entscheidungen? Nun gut, mit der Korruption hält es sich in unserem Lande in Grenzen, aber es gibt hier ganz andere Grenzen, die freie und oftmals vernünftige Entscheidungen fast komplett verhindern. Ich sehe unter welchen Zwängen Politiker Tag täglich arbeiten. Selbst wenn sie wollten, können sie nicht wirklich die sinnvollste Lösung anstreben, sondern müssen immer taktieren mit dem Koalitionspartner, den Lobbyisten, den verschiedenen Schichten von Parteigenossen… und am Ende geht es gar nicht mehr um die eigentliche Sache.

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Was ist denn diese Pro-Prostitutions-Lobby? Plädoyer für eine Differenzierung

Seit circa einem Jahr und insbesondere seitdem Alice Schwarzer im November letzten Jahres ihren „Appell gegen Prostitution“ zeitgleich mit ihrem Buch veröffentlichte, redet Deutschland verstärkt über Prostitution. Es kam zu vielen Diskussionen, Debatten und Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Gruppen, die sich mit dem Thema befassen. Es ist die Rede von den Prostitutionsgegner*innen und den Pro-Prostitution-Lobbyist*innen. Gerade von der sogenannten „Pro-Prostitutions-Fraktion“ wird oft eher abfällig geschrieben, ohne sich näher zu fragen, was denn da genau dahinter steckt. Da ich auch gerne unter die letzte Kategorie gepackt werde und viele sich damit die Mühe ersparen, sich tatsächlich mit Argumenten und Inhalten auseinanderzusetzen, werde ich hier ausbuchstabieren, was denn diese „Pro-Prostitutions-Lobby“ eigentlich ist, warum das ein missverständlicher Begriff ist und warum er sogar gegensätzliche Interessen in einen Topf wirft und somit vor allem Sexarbeiter*innen schadet.

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Kriminalisierung von Prostitutionskunden: Frankreich rudert zurück

Im Herbst 2013 hatte die französische Nationalversammlung (vergleichbar mit dem Bundestag) ein Gesetz zur „Bekämpfung des Prostitutionssystems“ verabschiedet, das entgegen verbreiteter Meinungen noch nicht in Kraft getreten ist und noch einen langen Weg vor sich hat. Der Senat hat nun nach mehreren Anhörungen die Paragraphen zur Kundenkriminalisierung aus dem Gesetz gestrichen. Das ist ein wichtiges Signal, dass der Kampf gegen Menschenhandel nicht mit einem moralisch motivierten Kampf gegen Sexarbeit einhergehen muss oder soll.

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„Die“ politische Lösung gibt es nicht. Prostitutionspolitiken im Vergleich

Bild: Steve Rhodes (Flickr); CC BY-NC-ND 2.0

Autorin: Helga Amesberger

Prostitutionspolitiken in Europa und anderswo sind hochgradig durch ideologische und moralische Haltungen geprägt. In meinem Beitrag zeichne ich die Grundlagen der verschiedenen Prostitutionsregime nach und versuche anhand dreier Länderbeispiele deren Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von SexarbeiterInnen darzustellen.

Modelle der Regelung von Sexarbeit

Weltweit gibt es sehr unterschiedliche Wege des Umgangs mit Sexarbeit. Diese Prostitutionsregime werden meist nach deren jeweiligen primären politischen Zielorientierung klassifiziert: prohibitive, abolitionistische und regulative Regime sowie das sogenannte Sexarbeitsmodell.

Prohibitive Regime verbieten Sexarbeit generell und kriminalisieren damit SexarbeiterInnen, Freier und ZuhälterInnen. Beispiele hierfür sind Länder wie USA, Kanada und Rumänien. Es ist sowohl der Verkauf als auch der Kauf sexueller Dienstleistungen verboten. Während sich in prohibitiven Regimen alle Beteiligten strafbar machen, sind dies bei abolitionistischen Modellen nur all jene Personen, die entweder Sex kaufen oder direkt oder indirekt vom Verkauf sexueller Dienstleistungen profitieren; dies können BordellbetreiberInnen und ZuhälterInnen sein, aber ebenso Taxiunternehmen, Personen, die eine Website für SexarbeiterInnen erstellen oder potentiell auch erwachsene Kinder, die beispielsweise studieren und Unterstützung von der Mutter erhalten. Jegliche Art von Bordellbetrieben ist damit ebenfalls verboten. Das heißt, der Verkauf von sexuellen Dienstleistungen ist nicht unter Strafe gesetzt, lediglich deren Kauf sowie Dienstleistungen für SexarbeiterInnen, die die Ausübung der Prostitution ermöglichen oder fördern. Das langfristige Ziel ist die Abschaffung der Prostitution. Schweden verfolgt ein abolitionistisches Regime und ist damit Vorbild für andere europäische Staaten (aktuell etwa Frankreich).

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Sex-Sklaven und der Überwachungsstaat. Warum „Menschenhandel“ ein gefährlicher Begriff ist

Autor: Thaddeus Russell für reason.com

Ihr Name ist unbekannt, wie der von fast allen Opfern. Sie ist nicht älter als ein Teenager und hat große Augen, die auf den Boden starren, lange gewellte Haare und blasse Haut. Sie trägt ein unscheinbares weißes Kleid, was darauf hindeutet, dass sie ein unschuldiges Leben führte, bevor sie sich in diesem Verließ wiederfand. Sie starrt durch die Gitterstäbe ihres Käfigs und weil sie sich nicht selbst retten kann, betet sie für ihre Rettung. Hinter ihr ein Mann mit Hut und einem lasziven Lächeln, der gebannt durch den Rauch seiner Zigarre auf seine Beute blickt. Er hat bezahlt, um sie zu vergewaltigen und sie ist machtlos und kann ihn nicht stoppen. Sie ist eine “weiße Sklavin”.

Dieses Mädchen ist eine Zeichnung. Sie existierte nur in einem Bild, welches Teil einer Flut von Darstellungen im frühen 20. Jahrhundert war, in der Heerscharen von weißen amerikanischen Mädchen und Frauen gegen ihren Willen festgehalten und zur Prostitution gezwungen wurden. Tausende von Zeitungsartikeln, Büchern, Predigten, Reden, Theaterstücke und Filme zeigten eine große Schattenwirtschaft, in der Entführer und Zuhälter eine gottesähnliche Macht über junge weibliche Sexsklavinnen hatten. Historiker*innen sind sich heute einig, dass diese Darstellungen größtenteils oder gänzlich erfunden waren. Es gibt kaum einen nachprüfbaren Beweis, dass amerikanische Frauen entführt und körperlich zur Prostitution gezwungen wurden oder dass ein Mädchen, wie auf dem Bild, überhaupt existierten.

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Auch Stuttgart bestraft „Zwangsprostituierte“ zu ihrem Schutz – wissentlich und willentlich!

Ach, Stuttgart! Schon lange denke ich über Dich und Deine Verbotsstimmen nach. Schon lange bin ich der Meinung, dass diese Verbotsstimmen weniger mit dem offiziell angekündigten „Schutz“ der Prostituierten zu tun haben und mehr mit der so langsam ausufernden Sexualpanik, die seit mehreren Monaten vor allem beim Thema Homosexualität und LGBTI zu spüren ist. Bestrafung und Verhaftung schützt nicht, egal wie oft Leute sagen, dass das doch „zum Schutz der Frauen“ ist. Weder in Stuttgart, noch in Augsburg, Hamburg oder oder in Wien.

Als ich nun heute einen Artikel in den Stuttgarter Nachrichten las, wie Anwohner*innen nun gegen den Straßenstrich protestieren, war das zu viel. Obwohl diese Anwohner*innen in den eigenen Augen natürlich nicht gegen Prostituierte vorgehen, wollen sie den Straßenstrich loswerden. Dieser ist im Übrigen schon verboten. Weiterlesen →

Über Monica Jones, Prostitution und …. Zwang

Manifesting prostitution“ heißt die Straftat, die Monica Jones begangen haben soll und wofür sie am vergangenen Freitag im US-Bundesstaat Arizona verurteilt wurde. „Manifesting prostitution“ heißt im Fall von Monica Jones, die schwarz und transsexuell ist, „auf der Straße laufen“ und „sich hin und wieder mit Leuten unterhalten“. Wer sich so verhält, kann festgenommen und wegen Prostitution angeklagt werden, die im US-Bundesstaat Arizona verboten ist.

Natürlich spazieren viele Leute auf der Straße und unterhalten sich mit Menschen, aber nur wer so oder so aussieht, wird tatsächlich verhaftet. Die ACLU – American Civil Liberties Union – wies deutlich daraufhin, dass das Kriterium für eine Festnahme meistens das Geschlecht und die Hautfarbe sind. Insbesondere transsexuelle women of color würden besonders oft durch die Polizei festgenommen und zwar nach Prinzipien, die ein racial profiling mit einem sexual profiling kombinieren. Nicht nur die Hautfarbe sondern auch das Geschlecht und Sexualitäten, die von der gesellschaftlichen Norm abweichen, werden gezielt unter Strafe gestellt und verfolgt. Das Gesetz lädt quasi zu Diskriminierung ein. Auf ihre erste Verhaftung folgten noch weitere, wie Monica Jones in einem Interview erklärt:

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Kontrolle im Namen des Schutzes: Bekämpfung von Menschenhandel als Vorwand

Häufig sind es andere Interessen, die mit dem Kampf gegen den Menschenhandel durchgesetzt werden können, zB. eine striktere Einwanderungspolitik. Es geht dabei selten um ein „Empowerment“ der ausgebeuteten Menschen. Der Fokus auf die Stärkung der Menschenrechte der Ausgebeuteten ist notwendig um Menschenhandel nachaltig zu bekämpfen. Foto: banspy. Creative Commons LizenzvertragDieses Bild steht unter einer Creative Commons Lizenz.

Autorin: Caroline Ausserer, ursprünglich veröffentlicht auf http://www.gwi-boell.de/ im Dossier: Gleichstellungsprojekt Europa? 

Die Narrative

Auf das Thema Menschenhandel machen Politik, Medien oder NROs mit schockierenden Geschichten aufmerksam. Die meisten dieser Erzählungen beginnen mit einer Form der Täuschung oder des Betrugs um die Aufmerksamkeit der Person zu bekommen. Dabei kann es um falsche Versprechungen einer Heirat oder einer lukrativen Arbeit im Ausland gehen. Auf die Täuschung folgt die Reise, die häufig von kriminellen organisierten Gruppen organisiert wird. Am Zielort angekommen, werden die getäuschten Frauen eingesperrt und dazu gezwungen sich zu prostituieren. Elemente wie: Reiseschulden abzahlen, Dokumente abgeben müssen und die Brutalität der kriminellen Banden unterstreichen die Ausweglosigkeit dieser Frauen.

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(Wütender) Kommentar: Das Europaparlament stimmt für Komplett-Verbot der Prostitution

Heute Mittag hat das Europaparlament über den sogenannten Honeyball-Bericht „über sexuelle Ausbeutung und Prostitution und deren Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter“ abgestimmt. Der Bericht wurde mit einigen kleinen Änderungen angenommen und ist aber noch nicht in seiner endgültigen Form online, aber hoffentlich bald. Mit den heute vorgenommenen Änderungen plädiert der Bericht de facto für ein Prostitutionsverbot, was ein unglaublicher Rückschritt ist.

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‘Respecting the rights of sex workers in our democratic societies’

This piece was originally published on humanrightseurope.com, the Human Rights Blog of the Council of Europe, on February 5th 2014

A few years back, it was 2009, I stumbled upon the first media report on “forced prostitution”. Needless to say, I was shocked that such a thing could exist in our societies. Since then, I have been working on the topic of “human trafficking” with a particular interest on a human rights-based approach. It is in this context that I became aware of the criticism of sex workers’ organisations, as well as human rights groups, towards a certain anti-trafficking framework.

According to La Strada International, a “human rights based approach integrates core human rights principles, such as participation, non-discrimination and empowerment, and opposes anti-trafficking measures that may harm the human rights of trafficked persons or other affected groups“ and in particular human rights based anti-trafficking policies are not used „to directly or indirectly discriminate against women, migrants, sex workers or other groups.”

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Amnesty International, Sexarbeit und Menschenrechte

Letzte Woche wurde ein internes Arbeitspapier von Amnesty International geleaked, in dem Argumente für die Entkriminalisierung von Prostitution bzw. Sexarbeit vorgebracht werden. Unter „Sexarbeit“ versteht Amnesty dem Papier zufolge einvernehmliche, bezahlte sexuelle Handlungen unter Erwachsenen, also zwischen Menschen, die älter als 18 sind. In vielen Ländern ist Sexarbeit (und vor allem Sexworker) kriminalisiert, was zu Gewalt (auch durch die Polizei), Rechtlosigkeit, Ausbeutung und Stigma beiträgt oder zur Inhaftierung von Sexarbeiter_innen führt. Kriminalisierung marginalisiert Sexarbeiter_innen, erschwert den Zugang zum Recht sowie den „Ausstieg“, da sie als „Kriminelle“ wesentlich geringere Chancen zur gesellschaftlichen Reintegration haben.

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Warum es Unsinn ist, das Mindestalter für die Ausübung der Sexarbeit auf 21 zu erhöhen

Die CSU will laut Medienberichten Anfang Januar einen Gesetzesentwurf zum Thema Prostitution beschließen. Daran ist vieles problematisch, da in erster Linie die Prostituierten zusätzlich unter behördliche Kontrolle gestellt werden, ohne gleichzeitig mehr Rechte zu erhalten. Das Argument lautet, wie immer, dass dadurch die „Frauen“ besser vor Menschenhandel geschützt werden sollen – ein Argument, das unkundige Bürgerinnen und Bürger sprachlos macht (wer will den Frauen schon nicht schützen?). Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehören:

  • das Mindestalter für eine Tätigkeit als Sexarbeiter*in auf 21 erhöhen
  • Zwangsuntersuchungen für Prostituierte und Registrierung beim Gesundheitsamt
  • Telekommunikationsüberwachung beim Verdacht auf Zuhälterei
  • Abschaffung des beschränkten Weisungsrechtes, wie es im Prostitutionsgesetz vorgesehen ist

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Effektiv, human, nachhaltig: Wer von Prostitution redet, darf von Abschiebungen nicht schweigen

Autor: Thomas Schroedter. Dieser Beitrag wurde ursprünglich veröffentlicht in ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 589 / 17.12.2013

Die Maßnahmen zur Regulierung der Zuwanderung in die EU werden durch Aufrüstung und eine verbesserte Kommunikation zwischen den Staaten und der Grenzagentur Frontex zunehmend effektiver gestaltet. Scheinbar unabhängig davon werden aktuell in mehreren EU-Ländern Gesetze zur Regelung der Prostitution bis hin zum Verbot verschärft. Dabei stellt die Überwachung der Prostitution eine zusätzliche Maßnahme zur Migrationskontrolle dar.

Dies wird deutlich, wenn wir den Umfang des Anteils an migrantischer Sexarbeit betrachten. Z.B. besitzen in Frankreich 80 Prozent der Sexarbeiterinnen keinen französischen Pass, und in Berlin stellen Polinnen, Russinnen und Ukrainerinnen das größte Kontingent. Wie die Autorin und ehemalige Sexarbeiterin Lilli Brand schreibt, würden diese Frauen ihre Tätigkeit zu Hause »als Job im Sexbusiness begreifen, hier ist es jedoch eher ein Sprungbrett. Und ihr Problem ist dabei nicht die Anerkennung als Prostituierte, sondern Visum, Arbeitserlaubnis, Scheinehemann und so weiter«. (1)

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BKA veröffentlicht Bundeslagebild Menschenhandel 2012

Opferzahlen BKA 2012 Menschenhandel

Quelle: BKA Bundeslagebild Menschenhandel 2012

Das BKA hat gerade das Bundeslagebild Menschenhandel für 2012 veröffentlicht. Dieses Jahr etwas später als sonst. Vermutlich wollte auch das BKA den Ausgang der Koalitionsverhandlungen abwarten, um schließlich selbst auch in der Pressemitteilung einen Kommentar zur den dort beschlossenen Punkten zum Thema Menschenhandel abzugeben.

Liest man den Bericht und dann die Pressemitteilung fällt auf, dass beide Texte nicht ganz deckungsgleich sind und in der Pressemitteilung einige Aspekte nicht genannt werden. Mit Blick auf das Bundeslagebild selbst, hätte man sich gewünscht, dass auch folgende Informationen genannt würden, die nun leider fehlen und somit weiterhin Gegenstand von Spekulationen sein können:

– Geschlecht

– Aufenthaltsstatus der Betroffenen sowie Tatverdächtigen

– Anzahl abgebrochener Verfahren und Gründe dafür (differenziert nach Herkunftsland der Betroffenen)

– Anzahl von Verdachtsfällen, die durch Razzien ermittelt wurden, die zu einem erfolgreichen Abschlusses der Verfahren führten

– Anzahl von Betroffenen, die weiterhin in Deutschland leben und Anzahle derjenigen, die in ihre Herkunftsländer zurückgebracht wurden

– In wie vielen Fällen kam es zu Entschädigungen bzw. Lohnnachzahlungen? Weiterlesen →

Veranstaltung am 9.12 in Berlin “Daten und Fakten zur Prostitution, die vielleicht überraschen“

Prostitution Menschenhandel Daten Fakten _Seite_1Veranstaltung 1: 09.12.13 18 Uhr Urania Berlin, Humboldt – Saal

Tickets kann man unter (030) 218 90 91 telefonisch reservieren & an der Abendkasse bezahlen.

“Daten und Fakten zur Prostitution, die vielleicht überraschen”

Vortragende:

Percy MacLean, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht (2002/2003 beurlaubt für das Amt des Direktors des Deutschen Instituts für Menschenrechte)

Christiane Howe, Sozialwissenschaftlerin aus Berlin, Studien Geschlechterverhältnisse im globalisierten Kontext, Prostitution und Menschenhandel, Anwohnerprojekt Straßenstrich Kurfürstenstraße in Berlin

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Frauenhandel: Wenn Mütter betroffen sind – Mütter in der Migration

Dieser Artikel wurde ursprünglich im Rundbrief 53 vom November 2013 der FIZ – Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (Zürich) veröffentlicht.

Seiten aus 5553_FIZ_Rundbrief_webFast die Hälfte aller Migrant_innen in der Schweiz sind Frauen. Ob und wieviele von ihnen Kinder haben und mit ihnen eingereist sind, oder ihre Kinder im Herkunftsland zurücklassen mussten, ist statistisch nicht eruierbar. In den letzten drei Jahren waren rund zwei Drittel der von FIZ-Makasi begleiteten Frauen (344 von total 588) Mütter oder schwangere Frauen.

Geschlechtsspezifische Diskriminierung im Herkunftsland – zum Beispiel wenig Arbeits- und Bildungschancen, sexuelle Gewalt oder Ausbeutung, starre Geschlechtsrollen  – können mit ein Grund dafür sein, dass Frauen migrieren. Diesen Diskriminierungen entkommen sie durch die Migration aber nicht: So erlaubt das Schweizer Migrationsrecht Frauen aus Drittstaaten die Einreise nur als Ehefrauen, Touristinnen, als Cabaret-Tänzerinnen oder aber als hochqualifizierte Fachkräfte. In der Realität kommt letzteres praktisch nicht vor – Frauen aus Drittstaaten sind als Ehefrauen, als Arbeiterinnen in der Sexindustrie oder illegalisiert in der Schweiz. Frauen aus dem EU-Raum dürfen hier zwar arbeiten, finden in der Regel aber nur in „typisch weiblichen“ Tätigkeiten eine Beschäftigung: im Pflegesektor, in der Hausarbeit oder in der Sexarbeit.

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Solidaritätsbekundung: Missy Magazine und Irmingard Schewe-Gerigk – und vermutlich noch mehr

Angesichts der Angriffe, die das Emma-Magazin in den letzten Wochen gegen Frauen und Feminist*innen veröffentlicht hat, die sich für eine differenzierte Ansicht zum Thema Prostitution einsetzen, möchte ich an dieser Stelle meine Solidarität für diese auf unfaire Weise angegriffenen Menschen äußern, darunter Irmingard Schewe-Gerigk (Terre des Femmes und Bundestagsabgeordnete a.D.) und Stefanie Lohaus (Missy Magazin).

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Der „deutsche Skandal“ der Prostitution. Und wie Sexarbeiter*innen zu Frauenhändlern wurden

Ja, wir müssen uns mit dem Thema Prostitution, der Frage beschäftigen, wie man die Arbeits- und Lebensbedingungen von Prostituierten verbessern kann und wie man Menschenhandel verhindern kann. Aber nicht so. Dieses Buch ist der falsche Ansatz sowohl bei der Bekämpfung des Menschenhandels (der auch in anderen Branchen stattfindet) als auch bei Stärkung der Rechte von Sexarbeitenden. Das Buch wühlt emotional auf, bietet aber kaum eine Quelle an, wenn es um Fakten geht.

Was für ein Wissen ist das, was Alice Schwarzer verkauft? Wie fundiert ist es und was kann man damit anfangen? Kann ich überhaupt solche Fragen an ein Buch herantragen, das weiter entfernt von Wissenschaftlichkeit nicht sein könnte? Wie kann ich ein Buch rezensieren, das auf der Prämisse fundiert zu sein scheint, dass man Wissen erfinden kann, solange die Botschaft ankommt? Und die Botschaft ist klar: Prostitution gehört abgeschafft.

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Mit Razzien gegen Menschenhandel?

Dieser Text ist eine Übersetzung eines Auszugs aus der Studie „The Use of Raids to Fight Trafficking in Persons“ (Die Verwendung von Razzien im Kampf gegen Menschenhandel). Die Studie wurde von Melissa Ditmore für SWP – Sex Workers Project in New York verfasst. Den vollständigen Bericht (Engl.) können Sie hier herunterladen.

Unscharfe Begriffe: „Razzia“ und „Rettung“

Die Begriffe „Razzia“ und „Rettung/retten“ werden oft verwendet, um Polizeiaktionen gegenüber Prostitution und Menschenhandel zu beschreiben. Während das Wort „Razzia“ impliziert, dass Täter verhaftet und bestraft werden, und das Wort „Rettung/retten“ sich darauf bezieht, dass jemand aus einer gefährlichen Situation geholt wird, werden die beiden oft synonym verwendet und und Unterschiede ausgeblendet. „Gerettete“ Menschen werden oft ähnlich behandelt wie jene, die in Polizeirazzien aufgegriffen werden. In Asien werden Prostitution und Menschenhandel von Polizei und NGOs […] so stark vermischt, dass sich dort der Begriff „Rettungs-Razzien“ verbreitet hat.[1] Jene Akteur_innen, die in diese „Rettungen“/Razzien involviert sind, erkennen auch an, dass deren Abläufe und Ergebnisse oft dieselben sind. Holly Burkhalter, derzeit Vizepräsidentin für Government Relations bei der International Justice Mission (IJM), einer religiösen Organisation, die Razzien in asiatischen Bordellen durchführt, schrieb in der Washington Post vom 8. Dezember 2003: „Es gab ein paar erfolgreiche Rettungen in Indien, Kambodscha und Thailand, bei denen die Polizei Razzien in Bordellen durchgeführt hat und die jüngeren Mädchen in Rehabilitationseinrichtungen gebracht hat. Aber die meisten Razzien in Bordellen haben auch dazu geführt, dass erwachsene Sexarbeiter_innen verhaftet und abgeschoben wurden.“[2]

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Vortrag von Ina Hunecke zum Prostitutionsgesetz, seine Hintergründe und Geschichte

Die Rechtswissenschaftlerin Ina Hunecke und Autorin von „Das Prostitutions­gesetz und seine Umsetzung“ hielt am 29.01.2013 einen Vortrag zum Thema „Die Entstehung und Umsetzung des Prostitutionsgesetzes“ an der Universität Kiel. Sie spricht u.a über die Geschichte der Prostitution, das deutsche Prostitutionsgesetz, den Umgang der Medien und zuletzt über das schwedische Modell.

Der Vortrag kann hier als Video gefunden werden.

Warum ich den Appell gegen Prostitution der EMMA und von Alice Schwarzer ablehne

Dieser Beitrag wurde ursprünglich veröffentlicht auf kleinerdrei.org.

90 Prominente aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft haben Alice Schwarzers Appell gegen Prostitution unterzeichnet. Am 7. November 2013 erscheint Alice Schwarzers neues Buch „Prostitution – Ein deutscher Skandal. Wie konnten wir zum Paradies der Frauenhändler werden?“ Weder das Buch, die ausgezeichnet geplante PR-Kampagne oder die Unterschriften der Prominenten machen die Forderungen und Argumente im Appell sinnvoller.

Prostitution ist keine Sklaverei   

In der Presse: Appell für und gegen Prostitution

Am Montag veröffenlichten Alice Schwarzer und die EMMA-Zeitschrift ihren Appell gegen Prostitution. Am Tag darauf wurde der Appell für Prostitution durch Sexarbeiter_innen bzw. durch den Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen veröffentlicht und von mir mitgezeichnet und unterstützt.

Warum unterstütze ich den Appell der Sexarbeiter_innen, obwohl ich mich gegen Menschenhandel engagiere? Ich müsste doch Prostitution auch abschaffen wollen? An dieser Stelle möchte ich ein paar kurze Gründe darlegen, warum ich mich für den Appell für Prostitution entschieden habe:

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Zehn Jahre Prostitutionsgesetz und die Kontroverse um die Auswirkungen

Autorinnen: Barbara Kavemann, Elfriede Steffan für bpd.de (19.2.2013)

Am 1. Januar 2002 trat mit dem „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ (Prostitutionsgesetz – ProstG) in Deutschland eine der modernsten und liberalsten Regelungen in Europa in Kraft. Danach ist Prostitution nicht mehr sittenwidrig und Verträge zum Zwecke der Ausübung der Prostitution, beispielsweise bei der Anmietung eines Gewerberaumes oder zwischen Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern und Kunden haben auch vor Gericht bestand. Mit Einführung des Gesetzes wurden gleichzeitig einige Paragrafen des Strafgesetzbuches abgeschafft, die zum Beispiel die (Selbst)-Organisation von Prostituierten und die Gestaltung von deren Arbeitsbedingungen betrafen. Andere Strafrechtsnormen wie beispielsweise §181a StGB (Verbot der Zuhälterei) §184e StGB (Verbot der Prostitution an bestimmten Orten oder Tageszeiten) und §184f StGB (Verbot der „Jugendgefährdenden Prostitution“ in der Nähe von Schulen oder im selben Wohnhaus sowie für unter 18-Jährige) sowie das Verbots des „Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“ (§232 StGB) bleiben bestehen und sind ebenfalls maßgeblich für die gesellschaftliche und rechtliche Behandlung des Themas.

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APPELL FÜR PROSTITUTION – für die Stärkung der Rechte und für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen in der Sexarbeit

Appell für Prostitution –
Für die Stärkung der Rechte und für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Menschen in der Sexarbeit

Prostitution ist keine Sklaverei. Prostitution ist eine berufliche Tätigkeit, bei der sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden. Ein solches Geschäft beruht auf Freiwilligkeit. Gibt es keine Einwilligung zu sexuellen Handlungen, so handelt es sich nicht um Prostitution. Denn Sex gegen den Willen der Beteiligten ist Vergewaltigung. Das ist auch dann ein Straftatbestand, wenn dabei Geld den Besitzer wechselt.

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18. Oktober EU Tag gegen Menschenhandel – Frauenhandel: Prävention und Opferschutz ausbauen

Autor: LEFÖ. Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen (PDF)

LEFÖ„Frauenhandel ist eine Verletzung von Menschen- und Frauenrechten. Das heißt: Im Zentrum aller Maßnahmen zur Bekämpfung des Frauenhandels müssen die Rechte der Betroffenen stehen“, sagt die Leiterin der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandel (LEFÖ-IBF), Evelyn Probst. Sie ortet weiteren Handlungsbedarf beim Ausbau der Rechte der Betroffenen sowie bei Prävention und Opferschutz.

Forderungen, Sexarbeit zu verbieten, wie sie in letzter Zeit wieder laut geworden sind, sieht LEFÖ kritisch. „Ein Verbot von Sexarbeit ist keine geeignete Maßnahme zur Bekämpfung des Frauenhandels. Das stärkt die Position der Frauen nicht, im Gegenteil, das stigmatisiert und kriminalisiert sie. Außerdem ist Sexarbeit nur ein Arbeitsbereich, in den Frauen gehandelt werden; die Forderung, Sexarbeit zu verbieten, ignoriert die Situation von Frauen, die in der Hausarbeit oder der Landwirtschaft ausgebeutet werden, völlig. Egal, in welchem Arbeitsfeld Frauen ausgebeutet werden – ihnen ist nur geholfen, wenn ihre Rechte gestärkt werden.“

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Manifest der SexarbeiterInnen in Europa (2005)

Wir kommen aus vielen verschiedenen Ländern und aus unterschiedlichen Verhältnissen, aber wir haben entdeckt, dass wir bei unserer Arbeit und in unserem Leben mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben.In dem vorliegenden Dokument erkunden wir die gegenwärtigen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, die unser Leben und die Sexindustrie bestimmen, wir fragen nach deren Ursachen, nehmen eine Position dazu ein und stellen sie infrage. Wir stellen darin unsere Sicht derjenigen Dinge dar, die geändert werden müssen, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen, in der SexarbeiterInnen, deren Rechte und deren Arbeit anerkannt und geachtet werden.
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Dieses Manifest wurde von 120 SexarbeiterInnen aus 26 Ländern auf der Europäischen Konferenz  zu Sexarbeit, Menschenrechten, Arbeit und Migration, die vom 15. bis 17. Oktober 2005 in Brüssel, Belgien stattfand, erarbeitet und verabschiedet.
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Jenseits von Toleranz und Mitleid Für die Anerkennung von Rechten
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Wir leben in einer Gesellschaft, in der Dienstleistungen angeboten und nachgefragt werden. Sexarbeit ist eine davon. Sexuelle Dienstleistungen anzubieten, sollte nicht kriminalisiert werden.Es ist nicht akzeptabel, SexarbeiterInnen aufgrund religiöser oder sexualmoralischer Überzeugungen zu verurteilen. Alle Menschen haben das Recht, eine persönliche Auffassung zu Religion und Sexualmoral zu haben. Aber sie sollte keinem anderen Individuum aufgezwungen werden oder irgendeine politische Entscheidung beeinflussen.Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der SexarbeiterInnen ihre soziale Existenzberechtigung nicht abgesprochen wird.Wir verurteilen die Scheinheiligkeit unserer Gesellschaften, in denen unsere Dienste in Anspruch genommen werden, aber unser Beruf oder unsere Unternehmen nicht legalisiert sind. Derartige Gesetzgebungen führen zu Missbrauch und zum Verlust unserer Selbstbestimmung bezüglich unserer Arbeit und unseres Lebens.Wir lehnen die Kriminalisierung von SexarbeiterInnen, ihrer PartnerInnen, KundInnen, ManagerInnen und aller anderen Personen, die im Bereich der Sexarbeit tätig sind, ab. Diese Kriminalisierung verwehrt SexarbeiterInnen den gleichberechtigten Schutz durch das Gesetz.

Migration spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht den Herausforderungen des Arbeitsmarktes zu begegnen. Wir fordern unsere Regierungen dazu auf, die grundlegenden Menschen- Arbeits und Bürgerrechte für MigrantInnen anzuerkennen und zur Anwendung zu bringen.

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Menschenhandel und legale Prostitution: Ein Interview mit Axel Dreher (Uni Heidelberg)

Anmerkungen der Redaktion: Axel Dreher, Professor für Internationale Wirtschafts- und Entwicklungspolitik an der Universität Heidelberg, ist Mitautor einer viel zitierten Studie über den (theoretischen) Zusammenhang zwischen legaler Prostitution und Menschenhandel „Does Legalized Prostitution Increase Human Trafficking?“. Über diese Studie gibt es auch auf „menschenhandel heute“ zwei kritische Beiträge jeweils von mir und von LEFÖ, Wien Ein kritischer Beitrag ist auch auf Forbes erschienen. 

Die Studie von Axel Dreher & Co. wird gerne zitiert, um das Scheitern des deutschen Prostitutionsgesetzes zu verkünden oder, im Ausland, um gegen eine Legalisierung bzw. Entkriminalisierung von Prostitution zu argumentieren. Auch entsteht der Eindruck, dass in den deutschen Medien die Studie eingesetzt wird, um insbesondere die SPD und Bündnis90/Die Grünen für die empirisch nicht belegbare Zunahme des Menschenhandels verantwortlich zu machen, obwohl damals die CDU ein umfassenderes Prostitutionsgesetz blockierte, wodurch viele Schwächen von vornherein vermieden hätten werden können.

Vor diesem Hintergrund habe ich mich dazu entschlossen, Prof. Axel Dreher für ein Interview anzufragen. Schließlich ist die oben genannte Studie differenzierter als die schockierende Meldung, die es in die Medien schafft. Auch habe ich mich gefragt, ob Herr Dreher nicht vielleicht auch mehr zu sagen hat, als „legale Prostitution fördert Menschenhandel“. Ich hoffe, dass dieses (schriftlich geführte) Interview dazu beiträgt, einige Ansichten von Herrn Dreher der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Antworten von Herrn Dreher werden vollständig und unverändert veröffentlicht. Die Fragen wurden von Sonja Dolinsek gestellt.

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Der Yellamma Kult. Tempelprostitution in Indien – Gesetzesverbot wird übergangen

Karnataka

Die Region Karnataka, Indien.
Quelle: OpenStreetMap

Im indischen Bundesstaat Karnataka verheiraten Dalit Priester tausende junge Frauen und Mädchen der untersten Kaste mit der Göttin „Yellamma“.* Yellamma gilt als „Mutter der ganzen Welt“, als Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin. Fast in jedem Dorf in Karnataka lebt mindestens eine geweihte Frau – eine „Jogini“ –  in einem Tempel. Diese sind nicht nur für bestimmte rituelle Zeremonien zuständig. Sobald sie die Pubertät erreicht haben, müssen sie den Dorfbewohnern sexuell zur Verfügung stehen. Die meisten „Joginis“ müssen ihr Leben lang in Tempeln als „Prostituierte“ arbeiten. Manche von ihnen werden jedoch auch von Menschenhändlern in die Bordelle der nächsten Großstadt verschleppt. Dort zwingen sie die Frauen zur Prostitution. Diese  „Zwangsprostitution“ wird durch den „Yellamma Kult“ legitimiert.

Gesetzliche Verbote haben daran bis heute nichts geändert und der Kult findet weiter im Verborgenen statt. Es muss vermehrt Aufklärung betrieben werden, denn viele Menschen glauben weiterhin an diesen Kult. Es ist ein Teufelskreis, der sich nicht einfach durch Gesetzeserlasse durchbrechen lässt. Die Aktivistin Grace Nirmala vom „Andhra-Pradesh Komitee gegen das Jogini System“ formulierte es so:

„Die Leute müssen endlich verstehen, dass das Jogini-System nichts mit Spiritualität oder Religion zu tun hat. Es ist Ausbeutung, die durch das Kastensystem legitimiert wird.“

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Motive der männlichen Nachfrage nach käuflichem Sex (crossposted)

Autor: Udo Gerheim für bpb.de (19.2.2013)

In diesem Beitrag beschäftige ich mich mit der Frage, aus welchen empirisch bestimmbaren Gründen, heterosexuelle Männer käuflichen Sex nachfragen. Trotz unzureichender Datenlage vertrete ich die These, dass nur ein geringer Teil der bundesrepublikanischen Männer Prostitutionssex dauerhaft nachfragt. Die Gründe hierfür können aus der hybriden und „zerrissenen“ Struktur des Prostitutionsfeldes abgeleitet werden, die zum einen Zugänge zur Prostitution rechtfertigt, zum anderen aber die Nachfragepraxis mit delegitimierender Ambivalenz belegt. Dieser Artikel wird einige dieser Aspekte näher beleuchten und im Schwerpunkt ergründen, welche spezifische Anziehungskraft Prostitution auf die männliche Nachfrageseite ausübt, wie sich der individuelle Weg in dieses Feld hinein im Konkreten gestaltet und wie sich die dortigen Machtverhältnisse darstellen.[1]

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Der Weg zu einem besseren Leben: Eine alternative Perspektive auf Menschenhandel (Gastbeitrag)

Autor: Christian Groes-Green (Anthropologe und assistant professor an der Roskilde Universitet in Dänemark)

Mosambik zählt zum Hauptkorridor des Menschenhandels in die Rotlichtviertel Südafrikas. Dort träumen arme junge Frauen davon, in ein reiches Land zu ziehen, wo sie in der Lage sind, für sich und ihre Angehörigen zu sorgen. Maria, eine 21 Jahre junge Frau, erzählte mir: ‚Wenn ich nur nach Amerika oder Europa kommen könnte, würde meine Familie nicht mehr leiden, und ich konnte mich um sie kümmern.“ Als ich eine großangelegte ethnographische Studien unter jungen Frauen in der seit 2007 mosambikanischen Hauptstadt Maputo durchführte, begann ich zu verstehen, warum viele Frauen innerhalb der sexuellen Ökonomien Afrikas migrierten, um das Wohlergehen ihrer Familien sicherzustellen und warum einige von ihnen hoffen, letztendlich in einem westlichen Land zu landen, trotz der damit verbundenen Risiken (Adepujo 2003; Cole 2004; Hunter 2007). Der erste Schritt der Reise der jungen mosambikanischen Frauen führt in die Hauptstadt Maputo oder in südafrikanische Städte, wo sie durch transaktionalen Sex mit sogenannten „sugar-daddies“, als erotische Tänzerinnen in Sexclubs oder in Bordellen versuchen ein Einkommen zu erwirtschaften (Groes-Green 2011). Aber im Versuch nach Europa, den USA oder in die Finanzzentren Südafrikas zu kommen riskieren sie, in die Fänge von Schleusern oder Menschenhändlern zu geraten, die jeweils für den Transport unter sehr unsicheren Umständen sorgen oder sie in der Sexindustrie ausbeuten (UNESCO 2006).

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Prostituierte zu ihrem Schutz verhaften: Das Augsburger Modell und seine Heuchelei

Twitter : Suche - augsburger straßenstrich Noch vor einem Monat argumentierte auf Twitter Volker Ullrich („Berufsmäßiger Stadtrat und Ordnungsreferent der Stadt Augsburg – CSU-Kandidat für den Deutschen Bundestag im Wahlkreis Augsburg-Stadt“, wie es auf Twitter heißt), dass das Augsburger Verbot der Straßenprostitution der erster „richtige“ Schritt gewesen sei. Daraufhin betonte er:

„in Augbsurg wurde zum Schutz der Frauen die Strassenprostitution verboten. Jetzt ist der BT gefragt!“ (vollständige Unterhaltung auf Twitter)

Heute, am 19. Juli berichtet die Ausgburger Allgemeine über die Inhaftierung von drei bulgarischen Prostituierten (im Alter von jeweils 18, 19 und 25 Jahren), weil sie wiederholt auf der Straße gearbeitet hatten. Die Augsburger Allgemeine schreibt, dass die Frauen trotz „Belehrung“ gegen das Verbot verstoßen hätten. Kritisch hinterfragt wird weder das Gesetz noch der Sinn der Inhaftierung.

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USA – Oberster Gerichtshof: Der Staat darf Organisationen nicht Prostitutionspolitik vorschreiben

In einer Grundsatzentscheidung hat der US-Amerikanische Supreme Court entschieden, dass die sogenannte „Anti-Prostitution Pledge“ gegen das First Amendment der Meinungsfreiheit verstößt. Geklagt hatte die Nicht-Regierungsorganisation Alliance for Open Society International mit der Unterstützung u.a. der ACLU – American Civil Liberties Union.

Das Urteil wird weitreichende Folgen für die Förderung der Arbeit in den Bereichen HIV-Gesundheitsprävention und Bekämpfung des Menschenhandels durch US-amerikanische Organisationen im Ausland haben. Auch die LGBT-community wird davon profitieren. Ihre Arbeit und Meinungsfreiheit wurden bisher durch die Klausel stark eingeschränkt.

The Policy Requirement compels as a condition of federal funding the affirmation of a belief that by its nature cannot be confined within the scope of the Government program. In so doing, it violates the First Amendment and cannot be sustained. (Urteil, S. 15) Weiterlesen →

Doku „Sex – Made in Germany“

Heute, am 10. Juni 2013, wird im Ersten (ARD) die Dokue über Prostitution in Deutschland ausgestrahlt. Unter dem Titel „Sex – Made in Germany“ sollen die Schwächen (oder das Scheitern) des Prostitutionsgesetzes gezeigt werden.

Empfehlenswert ist dieses Interview mit den Autorinnen Tina Soliman und Sonia Kennebeck.

Da wir den Beitrag auch erst heute Abend sehen werden, werden wir diesen Blogpost im Laufe des Abends updaten. Falls Sie auch den Spiegel-Artikel „Bordell Deutschland“ gelesen haben sollten, können Sie sich schon mal unsere lange Kritik zu Gemüte führen.

Updates: 

Wir werden keine Kritik schreiben. Es ist keine Doku über Menschenhandel.

Wir empfehlen die Lektüre dieser Kritik an der Darstellung von Prostitution und Sexarbeit in der Doku.

Menschenhandel: Neuer Gesetzesentwurf der Koalition

Morgen, am 6. Juni 2013, wird im Bundestag über den „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten“ beraten. Das Gesetz führt neue Straftatbestände und eine umfassende Überwachung von Prostitutionsstätten ein. Mit zwei Monaten Verspätung wird damit die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates umgesetzt.

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„Bordell Deutschland“ – Journalismus auf Lücke (SPIEGEL 22/2013)

Wie lückenhafter Journalismus dazu beiträgt, dass in Deutschland eine sachlich fundierte Auseindersetzung zum Thema „Menschenhandel“ ausbleibt. Team wallraff

Die Abbildung (siehe oben) ist kein echter Spiegel-Titel. (Graphik: Matthias Lehmann)

Der rote Regenschirm ist das Symbol der Bewegung für die Rechte von Sexarbeiter_innen. Die Abbildung (siehe oben) ist kein echter Spiegel-Titel. (Graphik: Matthias Lehmann)

Diese Woche erschien die Ausgabe DER SPIEGEL 22/2013. Obwohl der deutsche Verteidigungsminister De Mazière gerade um seinen Job bangt ob des Eurohawk- Skandals, wartet der Spiegel mit einem Titelblatt auf, das man eher von der BILD erwarten würde, nebst einer sachlich mehr als fragwürdigen Überschrift, die den Staat der Förderung des Menschenhandels bezichtigt. Die Kritik am Staat wäre angesichts der über 600 Millionen Euro an verschwendeten Steuergeldern an anderer Stelle weitaus passender gewesen.

Vorab möchte ich Ihnen einen Kommentar der im Spiegel interviewten Berliner Sexarbeiterin Carmen Amicitiae, die Stellungnahme der Prostituiertenorganisation Dona Carmen e.V (Frankfurt) sowie eine Stellungnahme auf internet-law.de empfehlen. Eine kürzere, englischsprachige Kritik gibt es hier.

Nachtrag 29.05: Den ungewollten Werbeeffekt möchten wir durch den Hinweis darauf entkräften, dass Ihnen der Spiegel-Artikel nach der Lektüre dieses Beitrages nicht mehr viel wird beibringen  können. Auch von der Länge dürfte das ungefähr ähnlich sein. Kaufen Sie den SPIEGEL also lieber nicht.

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Deutschland – Schweden: Unterschiedliche ideologische Hintergründe in der Prostitutionsgesetzgebung

Autorin: Susanne Dodillet

Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 19.2.2013 auf bpb.de in der APuZ zum Thema „Prostitution“ veröffentlicht. Einen weiteren Beitrag zur schwedischen Prostitutionspolitik und ihren Schwächen finden Sie hier

Ich tue mich schwer, sie zu verstehen, und sie verstehen uns kaum“, so fasste die schwedische Gleichstellungsministerin Margareta Winberg 2002 ihre Eindrücke von Gesprächen über Prostitution mit deutschen Kolleginnen und Kollegen zusammen.[1] Deutschland und Schweden stehen in der EU für diametral entgegengesetzte Arten mit Prostitution umzugehen. Wie kann man erklären, dass zwei Länder, deren politisches Klima sich auf den ersten Blick in vielem ähnelt, solch unterschiedliche Positionen einnehmen, wenn es um dieses Phänomen geht? Im Folgenden wird diese Frage mit einem Rückblick auf die Geschichte der schwedischen und der deutschen Gesetzgebung beantwortet. Mit Hilfe des Ländervergleichs werden Traditionen sichtbar, die im Verborgenen bleiben, solange man seinen Blick nur auf das eigene Land richtet. Weiterlesen →

Menschenhandel: „Prostitution steigt sprunghaft an“ – Beschwerde an den Deutschen Presserat

In vielen Artikeln über den EU-Bericht über Menschenhandel, der am 15. April 2013 vorgestellt wurde, wird in der Überschrift eine Zunahme der Prostitution in Europa suggeriert. Das ist falsch: Erstens ist das kein Ergebnis dieser Studie und zweitens gibt es keine Zahlen zur quantitativen Entwicklung von Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind. 

BildschirmaufnahmeAm Montag, den 15. April 2013 hat die Eu-Kommissarin einen neuen statistischen Bericht über Menschenhandel in Europa vorgestellt. Dort wird u.a. darüber berichtet, dass in den drei untersuchten Jahren von 2008 bis 2010 Menschenhandel in Europa zugenommen hat. Das trifft auf alle Formen des Menschenhandels zu, also auch auf Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung.

Wichtig ist: An keiner Stelle werden Angaben über das Ausmaß der Prostitution in Europa oder konkrete Zahlen über die Anzahl der in Europa tätigen Sexarbeiter_innen benannt. Und das aus gutem Grund: Denn das ist keine Studie über Sexarbeit sondern über Menschenhandel.

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Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung in Deutschland (crossposted)

Autorin: Heike Rabe für bpb.de (19.02.2013). Heike Rabe ist Volljuristin und leitet seit 2009 das Projekt „Zwangsarbeit heute – Betroffene von Menschenhandel stärken“ am Deutschen Institut für Menschenrechte, Berlin.

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Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung ist ein komplexes Thema. Es bewegt sich in einem Spannungsfeld von Fragen der Kriminalitätsbekämpfung, der Gewährleistung von Menschenrechten, des Opferschutzes sowie der Migrations- und Beschäftigungspolitik.[1] In den vergangenen Jahrzehnten ist die Diskussion um Menschenhandel über die Kriminalitätsbekämpfungsdebatte hinausgewachsen und zunehmend auch in einem menschenrechtlichen Kontext verortet worden. Die Bezeichnung von Menschenhandel als Menschenrechtsverletzung meint dabei weniger den Einzelfall. Vielmehr bezieht man sich auf die weltweite Ausbreitung sowie den systematischen Charakter von Menschenhandel und erkennt damit die Schutzpflichten der Staaten als Adressaten der Menschenrechte an.[2] Über die konkrete Ausformung dieser Schutzpflichten bestehen insbesondere im Bereich der Opferrechte und des Aufenthaltsrechts langjährige Kontroversen.

Was ist Menschenhandel? Weiterlesen →