Menschenhandel: Neuer Gesetzesentwurf der Koalition

Morgen, am 6. Juni 2013, wird im Bundestag über den „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten“ beraten. Das Gesetz führt neue Straftatbestände und eine umfassende Überwachung von Prostitutionsstätten ein. Mit zwei Monaten Verspätung wird damit die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates umgesetzt.

Der Entwurf führt neue Straftatbestände ein, wie z.B. Menschenhandel zum Zweck der Ausnutzung strafbarer Handlungen und der Bettelei sowie Menschenhandel zum Zwecke des Organhandels. Somit erweitert sich das Spektrum dessen, was nun auch in Deutschland als Menschenhandel gelten soll. Das ist positiv zu bewerten.

Gleichzeitig wird der Gesetzesentwurf eine umfassende Überwachung von Prostitutionsstätten ermöglichen, mit der einzigen Ausnahme von Privatwohnungen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten werden. Dadurch wird eine „generelle“ und „anlassunabhängige Überprüfung der Zuverlässigkeit der Gewerbetreibenden“ ermöglicht. Auch würden die Behörden künftig diese „Geschäftsräume“ alleine „zum Zwecke der Überwachung“ betreten können – sie werden also jederzeit Kontrollen und Überwachungen vornehmen können. Diese Überwachungsmaßnahmen hätten präventiven Charakter und sollten „Menschenhandel, Zwangsprostitution und sexuelle Ausbeutung“ vorbeugen. Somit wird die allzulaut geforderte Totalüberwachung von Prostitutionsstätten zur Realität. Es wird deutlich, dass der Bundesregierung an einer Totalüberwachung von Bordellen liegt, in denen Menschenhandel vorkommen kann, aber nicht alltägliche Realität ist und dass hingegen wenig Interesse an Präventivmaßnahmen bezüglich Menschenhandel zu anderen Zwecken besteht.

Fragen sollten sich morgen die Abgeordneten, wie die Rechte von Sexarbeiter_innen in diesem Überwachungswahn gewährleistet werden können – schließlich sind weder alle Opfer noch Täter. Auch sollte genauer präzisiert werden, was kontrolliert werden soll: Geht es um Arbeitsbedingungen (und wenn ja, welche Behörde ist dafür zuständig), um Einwanderungskontrollen, um Finanzkontrollen – was genau soll kontrolliert werden und wie sollen gleichzeitig die Rechte der Kontrollierten gewahrt werden?

Opfer von Menschenhandel stehen in diesem Entwurf nicht wirklich im Vordergrund. Rechte von Betroffenen werden nicht genannt und auch nicht ausgeweitet. Es wird auch künftig in Deutschland nicht die Möglichkeit geben, Betroffenen von Menschenhandel ein neues Leben zu ermöglichen, in dem z.B. eine Daueraufenthaltserlaubnis gewährt werden kann, die – wie in Italien – auch den Zuzug von eigenen Kindern ermöglichen würde.

Warum der Gesetzesentwurf so einseitig ist und so wenig auf der Seite des Opferschutzes leistet, begründet die Bundesregierung mit „Zeitmangel“ – als wäre die Richtlinie pünktlich umgesetzt worden! Für eine „intensive Prüfung und Erörterung“ weiterer Vorschläge hatte die Bundesregierung in den vergangenen zwei Jahren und trotz Anhörungen im Bundestag also keine Zeit. Merkwürdig. Es bleibt also auch zu bezweifeln, wie wirksam z.B. die Totalüberwachung von Prostitutionsstätten im Kampf gegen Menschenhandel sein wird.

„Die zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels in Fachkreisen, insbesondere seitens Vertreterinnen und Vertretern von Opferinteressen sowie von Seiten der Strafverfolgungsorgane diskutierten weiteren Vorschläge hätten eine intensive Prüfung und Erörterung erfordert, die das wegen der Fristgebundenheit der Umsetzung der Richtlinie angestrebte Inkrafttreten des Gesetzes in dieser Wahlperiode kaum realisierbar erscheinen lassen.“(S. 5)

Wir sind gespannt auf die Debatte morgen im Bundestag – und wir freuen uns auf weiter eKommentare und Einschätzungen des Entwurfes hier im Blog.

Nachtrag: Ein guter Beitrag ist auf taz.de erschienen.

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