Sexarbeit, Maischberger und die Menschlichkeit

Ein vorab Kommentar zu einer noch nicht existierenden, aber ziemlich vorhersehbaren Folge von Menschen bei Maischberger (20.1.2015).

Die CDU will schnellstmöglich ein neues „Prostituiertenschutzgesetz“ auf die Wege bringen. Dadurch soll der angeblich explodierende Menschenhandel bekämpft werden, die Prostitution „menschlicher“ werden.

Der Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung ist im Jahr 2013 um 11 % zurückgegangen. Während es 2012 noch 612 Opfer waren, sind es ein Jahr später 542. Auch die Zahl minderjähriger Opfer hat sich zwischen 2009 und 2013 halbiert: Von 145 auf 70 Opfer.

Der Hinweis findet sich im Bundeslagebild Menschenhandel des Bundeskriminalamtes (BKA) vom Herbst 2014. „Die Zahl der in Deutschland festgestellten Fälle von Menschenhandel […] hat im Jahr 2013 den niedrigsten Stand seit dem Jahr 2006 erreicht“, so die Gesamtbewertung des BKA. Weiterlesen →

Menschenhandel: Abschottung, Ausbeutung und Verbrechen

Autorin: Barbara Lochbihler 

Die EU kämpft gegen den Menschenhandel. Doch mangelnde Umsetzung und eine falsche Migrationspolitik lassen die Maßnahmen ins Leere laufen.

Ob sexuelle Ausbeutung, häusliche Sklaverei oder Organentnahme, bei Menschenhandel geht es immer um schwerwiegende Verbrechen. Oftmals stehen sie im Kontext der organisierten Kriminalität. Deutschland gehört für den internationalen Menschenhandel zu den bedeutsamsten Staaten und ist ein wichtiges Durchreiseland (DIW Berlin 2012). Die Gewinne aus dem Geschäft gelten als die lukrativsten des Organisierten Verbrechens. Sie können mit denen multinationaler Konzerne mithalten (Egan, Suzanne 2008). Das Geschäft blüht aber auch, weil das Risiko der Täter_innen sehr niedrig ist. Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 425 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und 53 zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft abgeschlossen (Bundeskriminalamt 2013).

Veranstaltung „Gleichstellungsprojekt Europa?“, 21./22. März 2014, Heinrich-Böll-Stiftung Berlin. Foto: Stefan Rühl. Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Bild steht unter einer Creative Commons Lizenz.

Besonders betroffen sind Frauen und Mädchen, die meist sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind und häufig zur Prostitution gezwungen werden. 67 Prozent aller in der Europäischen Union registrierten Opfer von Menschenhandel zwischen 2010 und 2012 waren Frauen, 13 Prozent Mädchen, 17 Prozent Männer und 3 Prozent Jungen (Europäische Kommission 2014). Diese Zahlen zeigen: Frauen brauchen besonderen Schutz. Im Zeitraum von 2010 bis 2012 wurden allein in der EU 30.146 Menschen als Opfer von Menschenhandel registriert. Davon wurden 69 Prozent sexuell ausgebeutet, darunter vor allem Frauen. 19 Prozent sind Opfer von Zwangsarbeit geworden, wobei es sich hier meist um Männer handelt. 12 Prozent der Betroffenen wurden in anderer Form ausgebeutet: Man zwang sie zum Betteln und kriminellen Aktivitäten oder sie wurden Opfer von Organ- und Kinderhandel (Europäische Kommission 2014).

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Bericht zur Veranstaltung „Rotlicht im Fokus“ in Augsburg (20.11.2014)

Der/die Autor*in bleibt gerne anonym. Vielen Dank für den Bericht! 

Ca. 70 der 100 Plätze in der neuen Stadtbibliothek in Augsburg sind besetzt. Die Veranstaltung läuft von 18:30 bis 21 Uhr. Die Begrüßung übernimmt die Gastgeberin, MdB Ulrike Bahr wahr. Sie spricht zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens bezüglich der Prostitution. Sie dankt dem Familienministerium, an der Expertenanhörung im Sommer teilnehmen zu dürfen. Sie sieht den Graubereich zwischen legaler und illegaler Sexarbeit durch die EU-Osterweiterung wachsen und appelliert auch jene zu schützen, die davon bedroht sind einmal Opfer von Menschenhandel zu werden.

Darauf folgt ein Schauspiel. Das von zwei Frauen entwickelte Stück „Der Nuttenbus von der A8“, was normalerweise in einem Kleinbus gehalten wird, um dem Publikum Enge zu vermitteln, wird aufgeführt. In Vorbereitung zu dem Stück wurde mit deutschen Prostituierten in einem Augsburger Bordell sowie Zuhältern gesprochen. Aus diesen Erzählungen machten sie ein Solostück. Porträtiert wird eine in die Jahre gekommene deutsche Sexarbeiterin, die Hand, Blasen oder „Quicki“ für jeweils 30 € macht und viele Kunden pro Tag braucht um ihre Kosten zu decken. Sie beschwert sich über die „Ostschlampen“ die schnell Kohle machen wollen. Sie erzählt, wie sie angelernt wurde, welche problematische Aspekte ihrer Arbeit hat und dass auch Männer zu ihr kommen, die wissen wollen wie man eine Frau befriedigt.

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Prostitution in Deutschland. Mehr Rechte verhindern Ausbeutung

Autorin: Irmingard Schewe-Gerigk. Dieser Beitrag wurde ursprünglich veröffentlicht auf b-republik.de und wird freundlicher Genehmigung der Autorin weiter veröffentlicht. 

Bis 2002 waren Prostituierte in Deutschland nahezu rechtlos. Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hat diesen Zustand juristisch erstmals beendet. Dennoch bleibt viel zu regeln, um die betroffenen Frauen wirksam zu schützen. Dabei würde sich die Kriminalisierung der Prostitution als Irrweg erweisen.

Kaum ein gesellschaftspolitisches Thema erregt die Gemüter in Talkshows und Magazinen so sehr wie das Thema Prostitution. Zwei Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber: Die Vertreter eines Verbots verkünden missionarisch, dass Prostitution niemals freiwillig sein kann, sondern immer unter Zwang ausgeübt wird. Sie sprechen den Prostituierten die Entscheidungskompetenz ab, wollen Bordelle und Prostitution verbieten und Freier bestrafen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Prostitution tolerieren und als Teil des Selbstbestimmungsrechts von Frauen ansehen, wenn sie freiwillig erfolgt. Sie argumentieren, durch die Stärkung der Rechte von Prostituierten könne ihrer Ausbeutung entgegengewirkt werden.

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Menschenhandel: Breaking the cycle

Autorin: Helga Konrad, Leiterin und Koordinatorin der ‚Regionalen Implementierungs-Initiative zur Prävention & Bekämpfung von Menschenhandel‘ am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa – IDM 

Menschenhandel ist in den vergangenen Jahren viel diskutiert worden – nicht immer frei von Sensationsmeldungen, panikmachenden Zahlen und einer Rhetorik, die oft mehr Skepsis hervorrufen als Anlass und Anstoss zu mehr und wirksameren Gegenmaßnahmen gaben und geben.Und Regierungen, Stakeholder, Behörden und andere scheinen auch tatsächlich schön langsam müde zu werden, immer die gleichen Argumente, Klagen, Beschwerden und Probleme zu hören.

Tatsache ist, dass fast 15 Jahre nach Verabschiedung des UN Protokolls zu Menschenhandel gewisse Probleme immer noch vom Tisch gewischt werden; dass etliche Probleme im Ping Pong zwischen Institutionen und/oder Ländern und Behörden hin und her geschoben werden; dass immer noch verworrene Auffassungen und unklare Abgrenzungen zwischen Menschenhandel und damit verbundenen Bereichen wie (illegale) Migration, Prostitution, Schleuser/Schleppertätigkeit existieren.

Tatsache ist auch, dass wir uns eher auf das Abfedern der Konsequenzen von Menschenhandel als auf dessen Vorbeugung/Prävention konzentrieren – trotz der Beteuerungen, dass pro-aktives Handeln besser ist als reaktives. Prävention ging in den vergangenen Jahren nicht weit über undifferenzierte Aufklärungskampagnen und die Einrichtung von Notrufen hinaus. Letztere verdienen die Bezeichnung ‚Notruf‘ oft gar nicht, da sie oft nur einige Stunden während der in Europa üblichen Dienstzeiten von BeamtInnen besetzt sind und oft nicht multi-lingual agieren können.

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Neues Forschungsprojekt zu Menschenhandel in Deutschland und Frankreich

Pressemitteilung der Universität Leipzig, 14.10.2014 

Nicht immer sind sie jung und stammen aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder Ungarn. „Opfer von Menschenhandel können auch ältere Frauen aus der Bundesrepublik sein, die sich in einer Zwangslage befinden und dadurch zur Prostitution gezwungen werden“, sagt Prof. Dr. Rebecca Pates, Politikwissenschaftlerin an der Universität Leipzig. „Unser alltägliches Verständnis von Menschenhandel ist geprägt durch popkulturelle Phänomene wie Spielfilme, die allerdings mit der Realität in vielen Fällen nicht übereinstimmen.“ Pates forscht derzeit zum Thema „Menschenhandel im Lichte institutioneller Praktiken“ und vergleicht dabei Deutschlands und Frankreich.

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Prostitution: Ein offener Brief an Sylvia Pantel, MdB für die CDU

Sehr geehrte Frau Pantel,

letzte Woche haben Sie an einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Sexarbeits-Kongresses teilgenommen. Die Diskussion fand am Abend des ersten Tages statt. Insgesamt drei Tage lang gab es Vorträge und Austausch. Es waren unter ihnen nicht nur Sexarbeiter*innen sondern auch Sozialarbeiter*innen anwesend – auch jene, die vorwiegend mit Betroffenen von Menschenhandel arbeiten.

Rechte von Sexarbeiter*innen sind Menschenrechte.

Vor der Veranstaltung haben Sie ein Interview gegeben und einen eigenen Blogbeitrag verfasst. Nicht nur dort sondern auch während der Veranstaltung haben Sie gezeigt, wie wenig Sie über das Thema wissen. Deshalb schreibe ich Ihnen diesen offenen Brief.

In ihrem eigenen Blogbeitrag sprechen Sie von den „anwesenden Prostituierten“ und gehen fälschlicherweise davon aus, dass nur Prostituierte diesen Kongress besucht haben. Sie gehen fälschlicherweise davon aus, dass sich niemand sonst aus der Zivilgesellschaft auch nur ansatzweise für das Thema Sexarbeit und Rechte von Sexarbeiter*innen interessiert. Sie unterstellen nicht nur allen anwesenden „Huren“ zu sein sondern sie unterstellen allen anwesenden mutmaßlichen Huren, nichts zu sagen, was man sinnvollerweise in einer Demokratie berücksichtigen sollte. Sie unterstellen allen anwesenden auch, nicht von Gewalt oder gar Menschenhandel betroffen gewesen zu sein.

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Was ist denn diese Pro-Prostitutions-Lobby? Plädoyer für eine Differenzierung

Seit circa einem Jahr und insbesondere seitdem Alice Schwarzer im November letzten Jahres ihren „Appell gegen Prostitution“ zeitgleich mit ihrem Buch veröffentlichte, redet Deutschland verstärkt über Prostitution. Es kam zu vielen Diskussionen, Debatten und Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Gruppen, die sich mit dem Thema befassen. Es ist die Rede von den Prostitutionsgegner*innen und den Pro-Prostitution-Lobbyist*innen. Gerade von der sogenannten „Pro-Prostitutions-Fraktion“ wird oft eher abfällig geschrieben, ohne sich näher zu fragen, was denn da genau dahinter steckt. Da ich auch gerne unter die letzte Kategorie gepackt werde und viele sich damit die Mühe ersparen, sich tatsächlich mit Argumenten und Inhalten auseinanderzusetzen, werde ich hier ausbuchstabieren, was denn diese „Pro-Prostitutions-Lobby“ eigentlich ist, warum das ein missverständlicher Begriff ist und warum er sogar gegensätzliche Interessen in einen Topf wirft und somit vor allem Sexarbeiter*innen schadet.

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Kriminalisierung von Prostitutionskunden: Frankreich rudert zurück

Im Herbst 2013 hatte die französische Nationalversammlung (vergleichbar mit dem Bundestag) ein Gesetz zur „Bekämpfung des Prostitutionssystems“ verabschiedet, das entgegen verbreiteter Meinungen noch nicht in Kraft getreten ist und noch einen langen Weg vor sich hat. Der Senat hat nun nach mehreren Anhörungen die Paragraphen zur Kundenkriminalisierung aus dem Gesetz gestrichen. Das ist ein wichtiges Signal, dass der Kampf gegen Menschenhandel nicht mit einem moralisch motivierten Kampf gegen Sexarbeit einhergehen muss oder soll.

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Prostitution und Menschenhandel (1): Die „Wahrheit“ über das „Nordische“ und „Schwedische“ Modell

Aktualisiert im November 2022 (Linkliste zu Studien am Ende des Textes und im Text mit Hyperlinks).

Ein paar einleitende Bemerkungen zum sogenannten „schwedischen bzw. nordischen Modell“ 

Das sogenannte „schwedische“ bzw. „nordische“ Modell“ ist ein Prostitutionsverbot, dessen erklärtes Ziel die Abschaffung der Prostitution ist. Die Hauptmaßnahme des „Modell“ ist die pauschale Kriminalisierung aller Kund*innen von Sexarbeitenden, unabhängig von den Arbeitsbedingungen unter denen die Sexarbeit erfolgt. Unterstützer*innen des Modells betonen, dass nicht die Prostituierten, sondern nur die Freier bestraft werden, weshalb auch von „Freierbestrafung“ oder „Sexkaufverbot“ gesprochen wird. De facto handelt es sich um ein Vergütungsverbot für Sexarbeit bzw. sexuelle Dienstleistungen. Statt bessere Bezahlung zu fordern, wird ein Bezahlverbot gefordert.

Das ist aber nicht alles. Es werden alle Akteure rund um die Prostitution und Prostituierten kriminalisiert, sprich Vermietung von Räumlichkeiten und Arbeitsorten oder andere Vermittler*innen, aber auch Kolleg*innen und private Beziehungen. De facto führt das zu einer Deregulierung des Prostitutionsmarktes, denn der Staat reguliert nicht mehr, wo wie und unter welchen Bedigungen Sexarbeit stattfindet. Stattfinden darf sie legal eigentlich nirgends mehr, was zu einer vollständigen Verlagerung ins Dunkelfeld führt.

Weil auch Norwegen und Island, inzwischen auch Nordirland, Irland und Frankreich, den Kauf von Sex verboten haben, sprechen Befürworter von einem „Nordischen“ Modell, obwohl Finland und Dänemark ein allgemeines „Sexkaufverbot“ bereits abgelehnt haben (hier finden sie ältere Beiträge zu Schweden  und Norwegen). Eigentlich gibt es kein „nordisches Modell“, sagen auch Wissenschaftler*innen.

Das sogenannte „Sexkaufverbot“ wird von einer lautstarken Antiprostitutionslobby gefordert, die sich selbst mit dem Begriff „Abolitionismus“ beschreibt (in Anlehnung an den Abolitionismus, der die Abschaffung der Sklaverei forderte, wobei der Vergleich zwischen Sklaverei und Prostitution problematisch ist) und die im feministischen Diskurs auch als „Radikaler Feminismus“ bekannt ist. Sie definieren Prostitution als „Gewalt gegen Frauen“ und als patriarchale Unterdrückung par excellence. Neuerdings wird die Rhetorik des „nordischen Modells“ auch von konservativen Kräften instrumentalisiert, wobei diese unter diesem Deckmantel letztendlich ein Komplettverbot der Prostitution reinschmuggeln, wie neuerdings in Kanada oder auch im EU-Parlament.

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Auch Stuttgart bestraft „Zwangsprostituierte“ zu ihrem Schutz – wissentlich und willentlich!

Ach, Stuttgart! Schon lange denke ich über Dich und Deine Verbotsstimmen nach. Schon lange bin ich der Meinung, dass diese Verbotsstimmen weniger mit dem offiziell angekündigten „Schutz“ der Prostituierten zu tun haben und mehr mit der so langsam ausufernden Sexualpanik, die seit mehreren Monaten vor allem beim Thema Homosexualität und LGBTI zu spüren ist. Bestrafung und Verhaftung schützt nicht, egal wie oft Leute sagen, dass das doch „zum Schutz der Frauen“ ist. Weder in Stuttgart, noch in Augsburg, Hamburg oder oder in Wien.

Als ich nun heute einen Artikel in den Stuttgarter Nachrichten las, wie Anwohner*innen nun gegen den Straßenstrich protestieren, war das zu viel. Obwohl diese Anwohner*innen in den eigenen Augen natürlich nicht gegen Prostituierte vorgehen, wollen sie den Straßenstrich loswerden. Dieser ist im Übrigen schon verboten. Weiterlesen →

(Wütender) Kommentar: Das Europaparlament stimmt für Komplett-Verbot der Prostitution

Heute Mittag hat das Europaparlament über den sogenannten Honeyball-Bericht „über sexuelle Ausbeutung und Prostitution und deren Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter“ abgestimmt. Der Bericht wurde mit einigen kleinen Änderungen angenommen und ist aber noch nicht in seiner endgültigen Form online, aber hoffentlich bald. Mit den heute vorgenommenen Änderungen plädiert der Bericht de facto für ein Prostitutionsverbot, was ein unglaublicher Rückschritt ist.

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‘Respecting the rights of sex workers in our democratic societies’

This piece was originally published on humanrightseurope.com, the Human Rights Blog of the Council of Europe, on February 5th 2014

A few years back, it was 2009, I stumbled upon the first media report on “forced prostitution”. Needless to say, I was shocked that such a thing could exist in our societies. Since then, I have been working on the topic of “human trafficking” with a particular interest on a human rights-based approach. It is in this context that I became aware of the criticism of sex workers’ organisations, as well as human rights groups, towards a certain anti-trafficking framework.

According to La Strada International, a “human rights based approach integrates core human rights principles, such as participation, non-discrimination and empowerment, and opposes anti-trafficking measures that may harm the human rights of trafficked persons or other affected groups“ and in particular human rights based anti-trafficking policies are not used „to directly or indirectly discriminate against women, migrants, sex workers or other groups.”

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Warum es Unsinn ist, das Mindestalter für die Ausübung der Sexarbeit auf 21 zu erhöhen

Die CSU will laut Medienberichten Anfang Januar einen Gesetzesentwurf zum Thema Prostitution beschließen. Daran ist vieles problematisch, da in erster Linie die Prostituierten zusätzlich unter behördliche Kontrolle gestellt werden, ohne gleichzeitig mehr Rechte zu erhalten. Das Argument lautet, wie immer, dass dadurch die „Frauen“ besser vor Menschenhandel geschützt werden sollen – ein Argument, das unkundige Bürgerinnen und Bürger sprachlos macht (wer will den Frauen schon nicht schützen?). Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehören:

  • das Mindestalter für eine Tätigkeit als Sexarbeiter*in auf 21 erhöhen
  • Zwangsuntersuchungen für Prostituierte und Registrierung beim Gesundheitsamt
  • Telekommunikationsüberwachung beim Verdacht auf Zuhälterei
  • Abschaffung des beschränkten Weisungsrechtes, wie es im Prostitutionsgesetz vorgesehen ist

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Frauenhandel: Wenn Mütter betroffen sind – Sensibilisierung und adäquates Handeln

Seiten aus 5553_FIZ_Rundbrief_webDieser Artikel wurde ursprünglich im Rundbrief 53 vom November 2013 der FIZ – Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (Zürich) veröffentlicht.

Mütter und schwangere Frauen, die Opfer von Frauenhandel geworden sind, sind in besonderem Masse verletzlich. Diesem Umstand muss Rechnung getragen werden: in Schweizer Gesetzen, aber auch in der Praxis von Bund und Kantonen. Die FIZ fordert mehr Sensibilisierung und Kooperation, gute Lösungen für Unterkünfte, Aufenthaltsbewilligungen für Mütter und Kinder sowie eine vereinheitlichte Praxis, die sicherstellt, dass sowohl Mütter wie Kinder ihr Recht auf Opferhilfemassnahmen wahrnehmen können.

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Menschenhandel und Prostitution im Koalitionsvertrag – kaum Fortschritte

Gestern wurde der erste Entwurf des Koalitionsvertrags veröffentlicht. Darin werden auch die Themen Menschenhandel, Prostitution sowie andere Menschenrechtsverletzungen thematisiert. Die relevanten Abschnitte habe ich in dieser Datei kommentiert und mit einigen (sicherlich noch unvollständigen) Änderungsvorschlägen versehen.

Auch der KOK e.V. (Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess) äußert sich in einer ersten Einschätzung zum Koalitionsvertrags kritisch:

Gerade als Organisation, die sich für die Rechte von Betroffenen von Menschenhandel  unter Beachtung  frauenspezifischer Aspekte einsetzt, erachten wir es als sehr wichtig,  Frauen besser vor Menschenhandel  zu schützen. Aber nicht nur Frauen, sondern auch Männer, Minderjährige und Transsexuelle können von Menschenhandel betroffen sein und benötigen Schutz.

Wir begrüßen das Vorhaben, das Aufenthaltsrecht für Betroffene von Menschenhandel zu verbessern, bedauern es jedoch, dass das Vorhaben einerseits nicht klarer umschrieben wird und anderseits das Aufenthaltsrecht erneut im Zusammenhang mit der Mitwirkung bei der Strafverfolgung diskutiert wird. Betroffe­nen des Menschen­handels ist ein Aufenthaltstitel zu erteilen, unabhängig von ihrer Koope­rations­bereitschaft gegenüber den Strafverfolgungs­behörden und ihrer ZeugInneneigenschaft, auch über das Prozess­­ende hinaus. Den Vorschlag die intensive Unterstützung, Betreuung und Beratung zu gewährleisten, sehen wir als Bestärkung unserer langjährigen Forderung einer finanziell stabilen Sicherung und des Ausbaus eines flächendeckenden niedrigschwelligen, anonymen Unterstützungssystems von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen.

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Das französische Gesetz gegen Prostitution: Wenn der Staat Freiheiten einschränkt – Bevormundung, Entmündigung und Zensur

Einvernehmliche sexuelle Handlungen unter Erwachsenen gegen Entgelt werden unter Strafe gestellt. Webseiten können einfach gesperrt werden. Mit einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheit der Bürger_innen, will Frankreich angeblich für die Befreiung von Prostituierten kämpfen.

Am 28. November 2013 stimmt das französische Parlament über einen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Prostitution ab. Dieses Gesetz wird aus verschiedenen Perspektiven kritisiert. Insbesondere die pauschale Bestrafung von Kunden von Sexarbeitern wird von Organisationen ausverschiedenen Bereichen kritisiert, darunter Sexarbeiter-Organisationen, AIDS-Hilfen, aber auch Frauen-Organisationen.

Gegen den Gesetzentwurf äußern sich auch feministische Stimmen, wie z.B. das „Collectif du 8 mars pour toutES„. Das Kollektiv prangert in einem offenen Brief insbesondere die Exklusion von Prostituierten aus der Debatte, was sie als nicht-feministisch einstufen, sowie den repressiven Charakter des Gesetzes an.

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Der „deutsche Skandal“ der Prostitution. Und wie Sexarbeiter*innen zu Frauenhändlern wurden

Ja, wir müssen uns mit dem Thema Prostitution, der Frage beschäftigen, wie man die Arbeits- und Lebensbedingungen von Prostituierten verbessern kann und wie man Menschenhandel verhindern kann. Aber nicht so. Dieses Buch ist der falsche Ansatz sowohl bei der Bekämpfung des Menschenhandels (der auch in anderen Branchen stattfindet) als auch bei Stärkung der Rechte von Sexarbeitenden. Das Buch wühlt emotional auf, bietet aber kaum eine Quelle an, wenn es um Fakten geht.

Was für ein Wissen ist das, was Alice Schwarzer verkauft? Wie fundiert ist es und was kann man damit anfangen? Kann ich überhaupt solche Fragen an ein Buch herantragen, das weiter entfernt von Wissenschaftlichkeit nicht sein könnte? Wie kann ich ein Buch rezensieren, das auf der Prämisse fundiert zu sein scheint, dass man Wissen erfinden kann, solange die Botschaft ankommt? Und die Botschaft ist klar: Prostitution gehört abgeschafft.

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Warum ich den Appell gegen Prostitution der EMMA und von Alice Schwarzer ablehne

Dieser Beitrag wurde ursprünglich veröffentlicht auf kleinerdrei.org.

90 Prominente aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft haben Alice Schwarzers Appell gegen Prostitution unterzeichnet. Am 7. November 2013 erscheint Alice Schwarzers neues Buch „Prostitution – Ein deutscher Skandal. Wie konnten wir zum Paradies der Frauenhändler werden?“ Weder das Buch, die ausgezeichnet geplante PR-Kampagne oder die Unterschriften der Prominenten machen die Forderungen und Argumente im Appell sinnvoller.

Prostitution ist keine Sklaverei   

In der Presse: Appell für und gegen Prostitution

Am Montag veröffenlichten Alice Schwarzer und die EMMA-Zeitschrift ihren Appell gegen Prostitution. Am Tag darauf wurde der Appell für Prostitution durch Sexarbeiter_innen bzw. durch den Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen veröffentlicht und von mir mitgezeichnet und unterstützt.

Warum unterstütze ich den Appell der Sexarbeiter_innen, obwohl ich mich gegen Menschenhandel engagiere? Ich müsste doch Prostitution auch abschaffen wollen? An dieser Stelle möchte ich ein paar kurze Gründe darlegen, warum ich mich für den Appell für Prostitution entschieden habe:

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Menschenhandel und legale Prostitution: Ein Interview mit Axel Dreher (Uni Heidelberg)

Anmerkungen der Redaktion: Axel Dreher, Professor für Internationale Wirtschafts- und Entwicklungspolitik an der Universität Heidelberg, ist Mitautor einer viel zitierten Studie über den (theoretischen) Zusammenhang zwischen legaler Prostitution und Menschenhandel „Does Legalized Prostitution Increase Human Trafficking?“. Über diese Studie gibt es auch auf „menschenhandel heute“ zwei kritische Beiträge jeweils von mir und von LEFÖ, Wien Ein kritischer Beitrag ist auch auf Forbes erschienen. 

Die Studie von Axel Dreher & Co. wird gerne zitiert, um das Scheitern des deutschen Prostitutionsgesetzes zu verkünden oder, im Ausland, um gegen eine Legalisierung bzw. Entkriminalisierung von Prostitution zu argumentieren. Auch entsteht der Eindruck, dass in den deutschen Medien die Studie eingesetzt wird, um insbesondere die SPD und Bündnis90/Die Grünen für die empirisch nicht belegbare Zunahme des Menschenhandels verantwortlich zu machen, obwohl damals die CDU ein umfassenderes Prostitutionsgesetz blockierte, wodurch viele Schwächen von vornherein vermieden hätten werden können.

Vor diesem Hintergrund habe ich mich dazu entschlossen, Prof. Axel Dreher für ein Interview anzufragen. Schließlich ist die oben genannte Studie differenzierter als die schockierende Meldung, die es in die Medien schafft. Auch habe ich mich gefragt, ob Herr Dreher nicht vielleicht auch mehr zu sagen hat, als „legale Prostitution fördert Menschenhandel“. Ich hoffe, dass dieses (schriftlich geführte) Interview dazu beiträgt, einige Ansichten von Herrn Dreher der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Antworten von Herrn Dreher werden vollständig und unverändert veröffentlicht. Die Fragen wurden von Sonja Dolinsek gestellt.

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Der Yellamma Kult. Tempelprostitution in Indien – Gesetzesverbot wird übergangen

Karnataka

Die Region Karnataka, Indien.
Quelle: OpenStreetMap

Im indischen Bundesstaat Karnataka verheiraten Dalit Priester tausende junge Frauen und Mädchen der untersten Kaste mit der Göttin „Yellamma“.* Yellamma gilt als „Mutter der ganzen Welt“, als Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin. Fast in jedem Dorf in Karnataka lebt mindestens eine geweihte Frau – eine „Jogini“ –  in einem Tempel. Diese sind nicht nur für bestimmte rituelle Zeremonien zuständig. Sobald sie die Pubertät erreicht haben, müssen sie den Dorfbewohnern sexuell zur Verfügung stehen. Die meisten „Joginis“ müssen ihr Leben lang in Tempeln als „Prostituierte“ arbeiten. Manche von ihnen werden jedoch auch von Menschenhändlern in die Bordelle der nächsten Großstadt verschleppt. Dort zwingen sie die Frauen zur Prostitution. Diese  „Zwangsprostitution“ wird durch den „Yellamma Kult“ legitimiert.

Gesetzliche Verbote haben daran bis heute nichts geändert und der Kult findet weiter im Verborgenen statt. Es muss vermehrt Aufklärung betrieben werden, denn viele Menschen glauben weiterhin an diesen Kult. Es ist ein Teufelskreis, der sich nicht einfach durch Gesetzeserlasse durchbrechen lässt. Die Aktivistin Grace Nirmala vom „Andhra-Pradesh Komitee gegen das Jogini System“ formulierte es so:

„Die Leute müssen endlich verstehen, dass das Jogini-System nichts mit Spiritualität oder Religion zu tun hat. Es ist Ausbeutung, die durch das Kastensystem legitimiert wird.“

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Zum medialen Umgang mit dem Thema Menschenhandel im Jahr 2013 – ein kritischer Zwischenruf

Autorin:  Dorothea  Czarnecki,  KOK  e.V.

Mitarbeit:  Jennifer  Pross

Der bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess – KOK e.V. setzt sich für Betroffene von Menschenhandel und für gewaltbetroffene Migrantinnen ein. Der KOK e.V. bildet nicht nur bundes‐, sondern auch europaweit die einzige Koordinierungsstelle mit diesem Fokus und vernetzt erfolgreich alle in diesem Bereich tätigen deutschen NGOs.

1987 von Fachberatungsstellen gegründet, die Betroffene von Menschenhandel unter‐stützen, und 1999 als Verein eingetragen, vereint der KOK e.V. heute 37 Mitgliedsorganisationen unter seinem Dach. Im KOK sind dabei neben den in Deutschland arbeitenden spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel auch andere Organisationen, die sich mit diesem Themenbereich auseinandersetzen, vertreten. Dies sind u.a. Frauenberatungsstellen, Migrantinnen‐Projekte, Frauenhäuser, Prostituiertenberatungsstellen und Wohlfahrtsverbände. Gemeinsames Ziel ist es, für wirksame Verbesserungen der bestehenden Verhältnisse im Bereich von Menschenrechtsverletzungen einzutreten, wie zum Beispiel für einen würdigen Umgang mit den Betroffenen.

Hochs und Tiefs des medialen Interesses

Inwieweit Personen, die dem Menschenhandel zum Opfer gefallen sind, von der Gesellschaft und den Behörden Respekt und Achtung entgegengebracht wird, hängt nicht unerheblich davon ab, wie Presse und Medien über das Thema berichten. Menschenhandel und Ausbeutung stellten lange Zeit keine Themen dar, die bei der Presse auf großes Interesse stießen. Noch 2009 bemerkte Hestermann, Menschenhandel geschehe im Schatten medialer Aufmerksamkeit (1). Lediglich Großereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft 2006 holten das Thema kurzzeitig ans Tageslicht. Doch nach einer medial inszenierten Drohkulisse (2), die vorwiegend auf die Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands durch irreguläre Migration abzielte, verschwand der Menschenhandel größtenteils wieder aus der Presse. Was blieb, sind die medial vermittelten und gesellschaftlich verbreiteten Opferbilder von „Zwangsprostituierten“, gegen die sich der KOK e.V. alsFachverband an dieser Stelle kritisch äußern möchte.

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Alice Schwarzer und Sabine Constabel polarisieren die Debatte um Prostitution – in die falsche Richtung

Vor inzwischen fast drei Wochen löste Alice Schwarzer in der taz eine Debatte um Prostitution aus. Den eingeplanten, letzten Beitrag von Sabine Constabel hätte die taz nur nach einer Überarbeitung veröffentlicht. So kam der Beitrag in die EMMA – inklusive einer Zensur-Anschuldigung. Über diese ganze Debatte habe ich mir ein paar Gedanken gemacht. Eine kurze Einschätzung gibt es auch bei W&V.
Nachtrag: Am 11.09.2013 ist ein weiterer Artikel von Monika Frommel zu diesem Thema in der taz erschienen, den ich sehr empfehle.

Als ich Sabine Constabels Replik auf Dona Carmens Replik auf Alice Schwarzers etwas verkürzten Angriff auf die Grünen gelesen habe, war ich froh, dass diese in der EMMA erschienen war. Dort passt sie einfach besser hin. Wegen der angeblichen Zensur bei der taz kann man sich aufregen, aber vielleicht auch nicht. Mein Profil und meine Seite sind schon sehr lange auf Emma blockiert, nachdem Kommentare ohne Vorwarnung gelöscht wurden. Zensur habe ich von Seiten der EMMA erfahren, die sicherlich auch diesen kritischen Beitrag nicht veröffentlichen würde. Dennoch habe ich kein Recht darauf, einen Begriff wie „Zensur“ in diesem Kontext zu verwenden. Ich kann eben auch woanders schreiben und der Staat verbietet es mir (noch) nicht. Auch Constabels Ansicht ist letztendlich nach außen gekommen und sie ist sichtbar. Zensur heißt in meinen Augen etwas anderes, nämlich Unsichtbarmachung, bewusste und gezielte Unterdrückung von Meinungen – tendenziell durch den Staat. So lange es irgendeine Plattform gibt, auf der Frau Constabel sich äußern kann, ist das keine Zensur. Wenn Emma das Gegenteil behauptet, dann hat EMMA eben auch meine Beiträge zensiert.  Aber darum geht es mir hier nicht. Hier möchte ich ein paar Begriffe und Themen anders aufrollen, als es in den letzten Jahren in Deutschland üblich ist – anders als es EMMA, Alice Schwarzer und Sabine Constabel tun.

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Besuch von Frau Lee in Deutschland: Eine der letzten überlebenden „Trostfrauen“

Pressemitteilung des Koreaverbandes e.V. (PDF)

Lee Ok-SeonBesuch von Frau Lee: Eine der letzten überlebenden „Trostfrauen“ in Deutschland

„Ich möchte, dass jeder weiß, welches Schicksal wir als „Trostfrauen“ erleiden mussten. Diese schrecklichen Erlebnisse tragen wir bis heute in uns. Die Geschichte des „Trostfrauen-Systems“ darf sich nicht wiederholen“, so die 86-Jährige. LEE Ok-Seon gehört zu den ca. 200.000 ehemaligen sogenannten „Trostfrauen“, die während des Asien-Pazifik-Krieges (1937-45) vom japanischen Militär verschleppt und zur Sexsklaverei gezwungen wurden.

Der Korea-Verband Berlin lädt vom 29. August bis 08. September 2013, die 86-jährige Süd-Koreanerin Lee Ok-Seon ein, zur geschichtlichen Aufarbeitung und zur Verhinderung des Kriegsverbrechens der militärischen sexuellen Versklavung in fünf deutschen Städten zu sprechen sowie auf aktuelle  Situationen hinzuweisen. Zu den Veranstaltungen sprechen neben der Zeitzeugin Expert_innen aus Wissenschaft, Politik, Kirche und Menschenrechtsorganisationen.

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Der Weg zu einem besseren Leben: Eine alternative Perspektive auf Menschenhandel (Gastbeitrag)

Autor: Christian Groes-Green (Anthropologe und assistant professor an der Roskilde Universitet in Dänemark)

Mosambik zählt zum Hauptkorridor des Menschenhandels in die Rotlichtviertel Südafrikas. Dort träumen arme junge Frauen davon, in ein reiches Land zu ziehen, wo sie in der Lage sind, für sich und ihre Angehörigen zu sorgen. Maria, eine 21 Jahre junge Frau, erzählte mir: ‚Wenn ich nur nach Amerika oder Europa kommen könnte, würde meine Familie nicht mehr leiden, und ich konnte mich um sie kümmern.“ Als ich eine großangelegte ethnographische Studien unter jungen Frauen in der seit 2007 mosambikanischen Hauptstadt Maputo durchführte, begann ich zu verstehen, warum viele Frauen innerhalb der sexuellen Ökonomien Afrikas migrierten, um das Wohlergehen ihrer Familien sicherzustellen und warum einige von ihnen hoffen, letztendlich in einem westlichen Land zu landen, trotz der damit verbundenen Risiken (Adepujo 2003; Cole 2004; Hunter 2007). Der erste Schritt der Reise der jungen mosambikanischen Frauen führt in die Hauptstadt Maputo oder in südafrikanische Städte, wo sie durch transaktionalen Sex mit sogenannten „sugar-daddies“, als erotische Tänzerinnen in Sexclubs oder in Bordellen versuchen ein Einkommen zu erwirtschaften (Groes-Green 2011). Aber im Versuch nach Europa, den USA oder in die Finanzzentren Südafrikas zu kommen riskieren sie, in die Fänge von Schleusern oder Menschenhändlern zu geraten, die jeweils für den Transport unter sehr unsicheren Umständen sorgen oder sie in der Sexindustrie ausbeuten (UNESCO 2006).

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„Kinderprostitution“ und „Zwangsprostitution“: Eine kleine Medienkritik

Gestern wurde eine Sendung zum Thema „Zwangsprostitution“ und „Kinderprostitution“ (Verkaufte Seelen) im Ersten ausgestrahlt. Der dort zitierte Photograph hat als Einziger die richtige Wortwahl getroffen: Was sich da abspielt, ist „gewerbliche Massenvergewaltigung“.

Dazu haben wir zwei Kommentare, die sich auf alle Dokus, Artikel und Berichte, die diese Begriffe verwenden, anwenden lassen:

Kinderprostitution: Der Begriff „Prostitution“ ist bei Kindern völlig fehl am Platz. Eigentlich ist es gewerbliche Massenvergewaltigung bzw. gewerblicher sexueller Missbrauch (von Minderjährigen). (Tweet zum Re-tweeten)

Zwangsprostitution: Wer nie in die Prostitution wollte, „prostituiert sich“ nicht sondern wird zu gewerblichen Zwecken massenvergewaltigt. (Tweet zum Re-tweeten)

Zu sagen, dass ein junges Mädchen oder ein Kind dazu gezwungen wurde „sich zu prostituieren“, verschiebt den Blick wieder auf das Mädchen, das sich selbst etwas antut, nämlich sich zu prostituieren. Das Verb ist reflexiv und die Verantwortung für die Tat wird sprachlich vollständig auf das „Opfer“ abgewälzt. Somit wird victim blaming gefördert: Letztendlich wird sprachlich auch die Schuld auf das Mädchen, den Jungen, die Frau,  die „Hure“ geschoben.

„Prostitution“ bzw. „Sexarbeit“ ist ein Begriff der per se Freiwilligkeit sowie die Vorstellung, dass „sexuelle Dienstleistungen“ angeboten als Form der Erwerbstätigkeit angeboten werden, beinhaltet. In den beiden oben genannten Fällen, ist der Sex nicht freiwillig.

Unfreiwilligen Sex nennt man in der deutschen Sprache „Vergewaltigung“. Eine Vergewaltigung ist keine „sexuelle Dienstleistung“. Also: Die Verwendung der Begriffe „Zwangsprostitution“, „Kinderprostitution“ sowie „Kinderpornographie“ ist völlig fehl am Platz.

Das alles erfordert eine tiefergehende Auseinandersetzung. Aber erstmal kann sich jede_r Gedanken darüber machen, wie die Art, wie wir über „gewerbliche Massenvergewaltigung“ von Kindern, Frauen und Männern sprechen – nämlich als „sexuelle Dienstleistung“, unser Bild und unsere Politik zu diesem Thema prägt. Kein Wunder, dass der Opferschutz immer noch unzureichend ist.

Kommentare, die zu einer konstruktiven Kritik und Weiterentwicklung dieses Ansatzes beitragen, sind ausdrücklich erwünscht.

Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung führender Mitglieder einer Zuhälterbande im Verfahren um sogenannte „Flatrate-Bordelle“

Pressemitteilung des Bundesgerichtshof (BGH) 

Das Landgericht Stuttgart hat die Angeklagten wegen vielfachen gewerbs- und bandenmäßig begangenen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB*) und damit zusammenhängender weiterer Delikte (Zuhälterei, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Millionenhöhe hat das Gericht wegen vorrangiger Ansprüche geschädigter Sozialversicherungsträger abgesehen. Weiterlesen →

„Sie heißen nicht Natasha“ – Fotoserie auf ZEIT ONLINE

Auf Zeit Online wurde vor einigen Tagen eine Fotoserie mit dem Titel „Sie heißen nicht Natascha“ veröffentlicht. Abgebildet werden junge Frauen und Kinder, Zimmer und Räumlichkeiten, in denen angeblich Zwangsprostitution stattfindet und ein Mann mit einem Baby im Arm, der sagt: „Ich weiß, was mit meiner Frau passiert ist. Es ist nicht ihre Schuld, niemand hat das Recht, über sie zu urteilen“.

Die Fotoserie soll auf das Leid vieler Frauen hinweisen, die einen Wunsch nach einem besseren Leben hatten, der aber gebrochen wurde – von skrupellosen Menschen, die sie stattdessen sexuell ausgebeutet und vergewaltigt haben. Andere Inhalte bleiben hingegen unkommentiert stehen, verdienen aber mehr Aufmerksamkeit und hätten kritisch hinterfragt werden sollen.

Victim Blaming

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Menschenhandel: Neuer Gesetzesentwurf der Koalition

Morgen, am 6. Juni 2013, wird im Bundestag über den „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten“ beraten. Das Gesetz führt neue Straftatbestände und eine umfassende Überwachung von Prostitutionsstätten ein. Mit zwei Monaten Verspätung wird damit die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates umgesetzt.

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Wer FEMEN nicht braucht: Betroffene von Menschenhandel und Sexarbeiter_innen

Vergangene Woche, am Freitag, den 24. Januar 3013, sind FEMEN-Aktivistinnen nackt durch die Herbertstraße in Hamburg gelaufen, um gegen Prostitution zu demonstrieren. „Fickt die Sexindustrie“ heißt die neue Kampagne – wo das „E“ in Sexindustrie ein Hakenkreuz ist und im Untertitel steht „The Sexindustry-Fascism of the 21st Century“. (Hier ein Link zu Femens Homepage, der als reine Quellenangabe dient und weder Unterstützung noch Sympathisierung bedeutet).

Der Bezug zum NS und die Nutzung von Hakenkreuzen wurden schon an anderer Stelle durch Blogger*innen angesprochen.

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Wenig Schutz im Asylverfahren (Gastbeitrag)

von Shelley Berlowitz

Dieser Artikel wurde ursprünglich im Rundbrief 51 vom November 2012 der FIZ – Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (Zürich) veröffentlicht. —

Die Haltung der Schweizer Gesellschaft und Behörden gegenüber Asylsuchenden ist von zunehmenden Misstrauen geprägt. Asylsuchende müssen eine kohärente und chronologisch stimmige Geschichte ihrer Flucht erzählen – sonst werden sie als unglaubwürdig eingestuft. Von Frauenhandel Betroffene können dies nicht: ihre Erzählungen sind von Widersprüchen und Lücken gezeichnet. Weiterlesen →

„We don’t need another hero“: Alltagsaktivismus gegen Menschenhandel (crossblogged)

Autorin: The Trafficking Research Project

Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 21. September 2012 auf  dem Blog des  The Trafficking Research Project veröffentlicht. Originaltitel: “We don’t need another hero: Every day activism against human trafficking

The Trafficking Research Project (TTRP) ist eine kollaborative Initiative, die sichmit der Untersuchung und Analyse von “Menschenhandel” befasst. Das TTRP hat das Ziel durch eine menschenrechts- und sozialarbeitsperspektive einen positiven und pragmatischen Beitrag zur Entwicklung aktueller Politiken und Forschungen zu diesem Thema leisten. Das TTRP befasst sich vor allem mit Menschenhandel in Singapur und in Großbritannien.  Weiterlesen →

Frauenhandel aus Nigeria in die Schweiz (crossposted)

von Doro Winkler und Susanne Syetter

Dieser Artikel wurde ursprünglich im Rundbrief 51 vom November 2012 der FIZ – Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (Zürich) veröffentlicht. —

In den letzten drei Jahren haben elf Frauen aus Nigeria in der FIZ Unter­stützung gesucht. Sie standen zum Zeitpunkt ihres Kontakts fast alle im Asyl­verfahren. Sie haben alle den Kontakt abgebrochen und sind aus unserem Blickfeld verschwunden. Grund genug, die Situation nigerianischer Frauen in der Schweiz, die mit dem FIZ in Kontakt traten, näher zu beleuchten. Weiterlesen →

Österreich: Wegweisendes Urteil im Bereich Frauenhandel – Schmerzensgeld zugesprochen

Pressemitteilung von LEFÖ, 15. November 2012. – Für die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels ist das Urteil „ein wesentlicher Schritt bei der Erlangung der Opferrechte“.

Frau A., eine 30-jährige bulgarische Staatsbürgerin, wurde über viele Jahre in der Sexarbeit ausgebeutet. Im Jahr 2007 wandte sie sich an einen Helfer, konnte so der Gewalt entkommen und in Folge Unterstützung bei LEFÖ – Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (LEFÖ-IBF) erhalten. Weiterlesen →

„Wir wissen immer noch sehr wenig.“ – 10 Jahre Prostitutionsgesetz (ProstG) in Deutschland

ProstG – Das deutsche Prostitutionsgesetz

Am 19. Oktober 2012 lud die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „10 Jahre Prostitutionsgesetz“ ins Jakob-Kaiser-Haus ein.

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Pressemitteilung des BKA: „Bundeskriminalamt veröffentlicht aktuelle Zahlen für Deutschland „

Quelle: BKA

„Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 482 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung abgeschlossen. Dies bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um knapp drei Prozent (2010: 470). Weiterlesen →

Der Europäische Tag gegen Menschenhandel: Für besseren Opferschutz in der europäischen und deutschen Politik gegen Menschenhandel

Der 18. Oktober ist der Europäische Tag gegen Menschenhandel, den die Europäische Kommission im Jahre 2007 eingeführt hat. An diesem Tag findet in Brüssel eine Konferenz statt – unter dem Titel ‚Working together towards the eradication of trafficking in human beings: The Way Forward‘. Doch der im Titel dieser Veranstaltung enthaltene Optimismus, die deutsche und europäische Menschenhandelspolitik sei auf dem besten Wege dahin, Menschenhandel auszurotten, ist irreführend. Tiefgreifende Schwächen und blinde Flecken in den rechtlichen Rahmenbedingungen verurteilen diese Politik zum scheitern.

Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vom Juni 2012 sind weltweit 21 Millionen Menschen von “Zwangsarbeit” bzw. “Menschenhandel” betroffen. Migrant_innen sind am häufigsten Opfer von Menschenhandel, darunter insbesondere Frauen und Kinder, die vorwiegend Opfer von verschiedenen Formen sexueller Ausbeutung sind, wie z.B. Zwangsprostitution oder Zwangsheirat. Doch auch sklavereiähnliche Arbeitsausbeutung in verschiedenen Sektoren der Privatwirtschaft, wie z.B. Gastronomie, Bau, Landwirtschaft, Fischerei, ist ein global verbreitetes Phänomen. Menschenhandel, so die EU-Kommissarin für innere Angelegenheiten Cecilia Malmström, sei “moderne Sklaverei”. Die Politik kämpft nun schon seit mehreren Jahren mit diesem globalen Problem, doch nicht immer mit Erfolg und Commitment.

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Norwegen: Den Prostituierten hilft das „feministische“ Prostitutionsgesetz am wenigsten

Nachdem Schweden 1999 den Kauf sexueller Dienstleistungen verboten und kriminalisiert hat, folgte 2004 auch Norwegen mit einem ähnlichen Gesetz. 

Anmerkung: Die verlinkten  Texte sind größtenteils in norvegischer Sprachen. Diese können mit Hilfe von Google  Translate übersetzt werden.

Als Schweden 1999 Prostitution gesetzlich als Gewalt gegen die Verkaufenden, insbesondere gegen Frauen, einstufte und die Käufer sexueller Dienstleistungen kriminalisierte, wurde dies mit Beifall von den meisten feministische Organisationen in ganz Skandinavien empfangen. Dafür hatten sie hart gekämpft. Der Verkauf von sexuellen Dienstleistungen blieb zwar  „legal“, aber der Kauf wurde untersagt. Das Gesetz geht jedoch einen Schritt weiter: Es hat eine globale Reichweite, d. h. dass schwedische Staatsangehörige, die irgendwo auf der Welt Sex kaufen, an das Heimatland ausgeliefert werden können, um dort vor Gericht zu erscheinen.

Norwegen führte 2004 nach einer längeren Debatte ein ähnliches Gesetz (§201a3) ein. Auch dort hat sich die juristische Fiktion, dass jede Art von Kauf von Geschlechtsverkehr auch Gewalt gegen die Verkaufenden ist, in  der Gesellschaft als unhinterfragte Wahrheit, als Dogma, durchgesetzt. Warum aber konnte sich diese Auffassung durchsetzen?

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Frankreich: Sexarbeiter_innen protestieren gegen geplante Prostitutionspolitik

Prostitution. Weder Repression noch Kriminalisierung.
(Sondern) Rechte!

„Il faut lutter contre la traite, pas contre la prostitution“

Man muss gegen Menschenhandel kämpfen und nicht gegen Prostitution. Sexarbeiter_innen protestierten am 7. Juli gegen die von der neuen Frauenministerin Najat Vallaud-Belkacem vorgeschlagene Prostitutionspolitik. Vallaud-Belkacem möchte Prostitution abschaffen – mit einem Verbot sexuelle Dienstleistungen zu kaufen, d.h. mit einer Kriminalisierung der Kunden von Sexarbeiter_innen. Dieses “schwedische Modell” stößt jedoch auf Widerstand, insbesondere bei den Sexarbeiter_innen.

Die Ministerin solle doch erstmal ihre Hausaufgaben machen, bevor sie sich öffentlich äußert, sagt Morgane Merteuil, Chefin der Prostituiertengewerkschaft STRASS.

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Über „all you can fuck“ und „Frischfleisch“ für Freier – eine Reportage von Rita Knobel-Ulrich

Wussten Sie, dass “jedes Jahr ca. 200 000 Frauen aus Osteuropa nach Westeuropa verschleppt und zur Prostitution gezwungen werden?“ Über diese und andere Fakten berichtet eine Dokumentation von Rita Knobel-Ulrich, die im Jahre 2011 im NDR ausgestrahlt wurde. Doch „Das Geschäft mit dem Sex“ ist jedoch nicht so objektiv, wie es vorzugeben scheint.

In den ersten Szenen der Reportage befindet sich Knobel-Ulrich auf dem Straßenstrich in Hannover. Dort steuert sie zielbewusst sich prostituierende Frauen an und fragt sie, warum sie dort seien („um die Kinder zu ernähren?“) und wie denn „das Geschäft so laufe.“ Danach begleitet sie Beamte der Hannoveraner Polizeiwache auf Kontrollen in verschiedene Bordelle und Wohnwagen. Es wird kontrolliert, ob es sogenannte „Neuzugänge“ gibt, die möglicherweise verschleppt und zum „Anschaffen gezwungen“ werden. Gegen Ende der Streife besucht die Gruppe ein Bordell, vor dem die Regisseurin nun die Freier anspricht und fragt, ob diese jemals nachgefragt hätten, ob die Frauen freiwillig in dem Etablissement als Sexarbeiterin arbeiten würden. Die Antworten der Männer fallen überwiegend ablehnend aus. Die meisten sagen „es geht mich nichts an“ und gehen schnell weiter.

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Menschenhandel und die vergebliche Suche nach verlässlichen Zahlen

„Halfway solutions will seldom work: the only thing worse than no data is wrong and misleading data.“ (Describing the unobserved, Tyldum/Brunovskis 2005, S. 30)

Wie viele Menschen werden jedes Jahr Opfer von Menschenhandel? Wie viele davon sind Frauen und wie viele von ihnen werden zur Prostitution gezwungen? Wie viele Kinder arbeiten auf Kakaoplantagen? Wie viele Opfer von Menschenhandel gibt es jetzt – am heutigen Tage?

Die Antwort: Wir wissen es nicht – wir wissen nicht, wie viele Menschen Opfer von Menschenhandel sind.

Bevor Sie enttäuscht im Internet weitersuchen, bis sie endlich schockierende Zahlen gefunden haben, lade ich Sie ein, noch ein bisschen weiterzulesen. Denn die Zahlen, die Sie anderswo finden, sind nur Schätzungen und nicht eine objektive Darstellung der Dinge. Sie sind mit Vorsicht zu genießen.

Warum gibt es keine verlässlichen Daten über Menschenhandel?

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Menschenhandel und moderne Sklaverei – Ein ganz und gar unmoralisches Geschäft

Eine moralphilosophische Betrachtung 

„Unmoral. Ein philosophisches Handbuch. Von Ausbeutung bis Zwang“ von Arnd Pollmann

Sklaverei ist weltweit abgeschafft und gesetzlich verboten. Trotzdem schätzen NGOs und Menschenrechtsaktivisten, wie z.B. Kevin Bales, heute die Zahl von gegen ihren Willen versklavten und ausgebeuteten Menschen auf 27 Millionen. Der Handel mit Kindern nimmt sogar noch zu.

Moderne Sklaverei ist kein Hirngespinst illustrer TV-Inszenierungen, sondern kalte und erschreckende Tatsache unserer heutigen aufgeklärten Zeit. Dies zeigt, dass es wichtig ist, sich mit der Thematik auseinander zu setzen. Warum aber finden wir den Gedanken an Sklaverei, sexueller und/oder gewaltsamer Ausbeutung der Arbeit abstoßend? Was ist daran so schlimm? Warum finden wir es unmoralisch?

Im diesem Essay möchte ich mich einer Antwort nähern. Ich setze mich mit Menschenhandel und moderner Sklaverei aus einer moralphilosophischen Perspektive auseinander. „Moralphilosophisch“ meint hier den Blick auf das Unrecht von Handlungen zu richten.

Die moralische Pflicht Unrecht zu vermeiden

Wir fühlen uns verpflichtet, in und mit unseren Handlungen, Unrecht zu vermeiden, d.h. nicht aktiv Unrecht zu verursachen (Vgl. Pollmann: 2010). Moralisch gutes Verhalten ist demnach als Sollforderung zur Vermeidung von Unrecht zu verstehen. Mit Blick auf Menschenhandel heißt das: Wir fühlen uns verpflichtet, Menschenhandel in und mit unseren Handlungen zu vermeiden. Wir wollen keine Täter_innen sein.

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Menschenhandel und das Problem der Nachfrage

„Demand can ‚embrace a broad and divergent range of of motivations and interests.‘ It can refer to employers‘ requirements for cheap and vulnerable labour, to requirements for household and subsistence labour or even consumer demand for cheap goods and/or services – or any combination of these factors.“ (Elaine Pearson, ILO)

„The Sex Buyer“ von Kasja Claude

Kampagnen gegen Menschenhandel fordern immer wieder die Kriminalisierung von Kunden, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Dadurch würde die Nachfrage von Prostitution und somit die Nachfrage von Frauen, die Opfer von Zwangsprostitution werden, reduziert. Zahlreiche Kampagnen fordern aktuell eine Kriminalisierung der KundInnen von SexarbeiterInnen

Die Reduktion der Nachfrage als Präventionsstrategie gegen Menschenhandel, spricht viele Menschen an. Doch sie ist aus vielen Gründen problematisch – nicht zuletzt, weil sie auf ein verkürztes Verständnis von Menschenhandel, seinen Ursachen und Dimensionen beruht.

Menschenhandel bedeutet auch Zwangsarbeit und Ausbeutung von ArbeiterInnen. Besonders betroffen sind MigrantInnen. Deshalb sollten wir einen Begriff wählen, der auch diese Gruppe einschließt. Wir sollten also über „Zielortfaktoren“ sprechen, so Elaine Pearson (ILO).

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Newsticker 1/2012

Ab sofort werden wir in regelmäßigen Abständen einen Newsletter über aktuelle Themen und Entwicklungen im Themenbereich Menschenhandel verfassen. Wir werden dabei auf nationale und internationale News aufmerksam machen, sowie auf angrenzende Themenbereiche, die wir für wichtig und relevant erachten.

Die Newssammlung ist nicht vollständig und wir freuen uns auf Hinweise, die wir gerne aufnehmen und die auch auf Facebook gepostet werden können.

Menschenhandelspolitik

Jungen ohne Rechte – Missbrauch und Zwangsprostitution in Pakistan

Missbrauch an Jungen: Ein Thema, bei welchem viele Menschen sofort an die Missbrauchsskandale in kirchlichen Institutionen denken. Geschlechtertrennung, Zölibat und Ablehnung des Weiblichen werden oft als Erklärung für die begangenen Verbrechen herangezogen. Doch wie sieht es in Ländern aus, in denen Geschlechtertrennung zum Alltag gehört und nicht auf wenige Enklaven beschränkt ist?

Straßenkinder in Pakistan

In Pakistan, wie auch in vielen anderen islamischen Ländern, stellt die Abschottung von Frauen, dort purdah, genannt, eine weit verbreitete Tatsache dar.[2] Diese Trennung von Männern und Frauen wird von vielen Organisationen und AutorInnen für ein anderes weit verbreitetes Phänomen des pakistanischen Alltagslebens verantwortlich gemacht: Für den geradezu institutionalisiert zu nennenden Missbrauch und/oder Zwangsprostitution von Jungen. Statistiken sind schwer zu erstellen. Laut der NGO „Sahil“ sind 73% der 2010 in Zeitungen dokumentierten Missbrauchsopfer Mädchen.[3] Man kann aber davon ausgehen, dass gerade im Falle des Missbrauchs von Jungen die Hemmschwelle größer ist, TäterInnen anzuzeigen.[4] Vor allem aber ist in zwei Bereichen, in denen Missbrauch an Jungen häufig verübt wird, die Dunkelziffer besonders hoch: In den zumeist Jungen vorbehaltenen Madrassas (Koranschulen) und unter den meist männlichen Straßenkindern und Kinderarbeitern.[5]

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Die schwedische Prostitutionspolitik

Seit dem 1999 das Gesetzespaket zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen „Kvinnofrid“ (übersetzt: Frauenfrieden) in Kraft trat, ist die Prostitution in Schweden verboten. Genauer genommen, bezieht sich diese Kriminalisierung, ausschließlich auf die Kunden. Die SexarbeiterInnen bleiben hingegen straffrei.  Dieses Gesetz galt damals als einzigartig und Schweden präsentierte sich als ein Vorreiter in der Bekämpfung der Ausbeutung und Gewalt gegen Frauen sowie der Reduktion von Prostitution – inzwischen ist auch in Irland und Frankreich die Einführung eines ähnlichen Gesetzes geplant. Jedoch werden seine Bewertung sowie Auswirkungen kontrovers betrachtet und der Nutzen der damit verbundenen Maßnahmen bleibt nach wie vor Gegenstand politischer Debatten. So argumentieren gerade GegnerInnen, dass das Gesetz Zwangsprostitution sogar fördern könnten.

VerfechterInnen dieses Gesetzes sehen Prostitution als Form patriarchaler Unterdrückung.  Prostitution ist also keine Tätigkeit, die aus freiem Willen ausgeübt werden kann. Deshalb lässt sich in ihren Augen Prostitution nicht mit dem allgemeinen Anspruch der Geschlechtergleichheit, der in Schweden stark in der Gesellschaft verankert ist, vereinbaren. Ihrer Meinung nach ist deshalb ein Verbot dieser Tätigkeit durch die Kriminalisierung der Kunden die richtige Lösung für eine gleichberechtigtere Gesellschaft. Diese Einstellung findet auch in der schwedischen Bevölkerung großen Anklang. So befürworten mehr als 80% der Schweden die Einführung des Gesetzes zur Strafbarkeit des Erwerbs sexueller Dienstleistungen.

Doch hat dieses Gesetz wirklich dazu geführt, dass weniger Frauen in den so genannten „Abgrund“ der Prostitution in Schweden rutschen? Bietet dieses Gesetz einen besseren Schutz vor Zwangsprostitution? Hat das Anti-Prostitutionsgesetz somit mehr Gleichberechtigung geschaffen?

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17. Dezember: Der Internationale Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter_innen (International Day to End Violence Against Sex Workers)

Violence against Sex workers ia a crime

„Violence against Sex workers ia a crime“

„A woman has a right to sell sexual services just as much as she has the right to sell her brains to a law firm or sell creative work to a museum…“

Das hat im Jahre 1973 die erste US-Amerikanische Prostituiertenorganisation COYOTE (Call Off Your Old Tired Ethics) betont.

Sexarbeiter_innen sind öfter Opfer von Gewalt, Vergewaltigungen und Mord durch Kunden, Zuhälter oder durch andere Personen. Gewalt gegen Sexarbeiter_innen findet in Kontexten statt, in denen Sexarbeiter_innen stigmatisiert, diskriminiert oder auch kriminalisiert werden. Gewalt gegen Sexarbeiter_innen ist somit eine Form von staatlich geduldeter Gewalt. Dagegen richtet sich der heutige Tag.

Eingeführt wurde der Internationale Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter_innen anlässlich einer Reihe von Morden von Sexarbeiterinnen in den 1980er Jahren in Seattle, WA (USA). Es war der sogenannte „Green River Killer“ – ein US-Amerikanischer Serien-Mörder – , der 2003, fünfzehn Jahre später, wegen 48 Morden an Sexarbeiterinnen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Laut Wikipedia bleiben einige der Opfer bis heute unentdeckt. Der Hass gegen Sexarbeiterinnen genauso wie ihre gesellschaftliche Verletzlichkeit und Schutzlosigkeit spielten eine zentrale Rolle in der Motivation des Mörders, wie das öffentlich einsehbare Geständnis zeigt:

Quelle: http://www.thesmokinggun.com/documents/crime/green-river-killers-chilling-confession

Geständnis des „Green River Killer“

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Lebensgefährliche Flucht aus Nordkorea

Im Jahr 2009 veröffentlichte der WDR einen Dokumentarfilm, der die lebensgefährliche Flucht vieler Nordkoreaner_innen aus dem Grenzgebiet von Nordkorea und China thematisiert. Alexandre Dereims, Hark Jun Lee und In Taek Jung haben hierfür eine Gruppe nordkoreanischer Flüchtlinge auf ihrem Fluchtweg bis nach Thailand (Bangkok) begleitet, oftmals riskierten sie dabei ihre eigene Sicherheit (wie ein Fall zweier amerikanischer Journalistinnen verdeutlicht).

Der Kollaps der nordkoreanischen Wirtschaft Anfang der 1990er Jahre, der mit einer Hungersnot einherging die schätzungsweise 2 Millionen Menschen das Leben gekostet hat (Filmpart: 1), veranlasste Tausende die Flucht nach China und darüber hinaus zu wagen (International Crisis Group 2006: 1). Hunger und Armut sind auch heute noch die hauptsächlichen Push-Faktoren bzw. Gründe und Ursachen für die Flucht vor der nordkoreanischen Diktatur, die ihre Bevölkerung gefangen hält (vgl. ICG 2006: 8). Einem UNO-Bericht vom Oktober 2009 zufolge benötigen neun Millionen Nordkoreaner_innen, d.h. mehr als ein Drittel der Bevölkerung, Hilfe in Form von Lebensmitteln. Jedoch erreicht das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen nur zwei Millionen Menschen (vgl. Amnesty International).

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Der richtige Umgang mit Prostitution….

Prostitution ist in Deutschland weiter verbreitet, als mensch vielleicht vermuten könnte. Das Angebot von schätzungsweise 400.000 Prostituierten,  nehmen täglich bis zu 1,5 Mio. Menschen, zum Großteil Männer, in Anspruch. Die jährlichen Umsätze in diesem „Wirtschaftsbereich“ bewegen sich im zweistelligen Milliardenbereich. Die meisten der Prostituierten sind Frauen, rund 90%, 3% Transgender und 7% Männer. (1)

Die hier genannten Zahlen beruhen allerdings auf Schätzungen und Hochrechnungen repräsentativ befragter Personen. Amtliche Statistiken hierfür gibt es zurzeit nicht. Die rot-grüne Bundesregierung reagierte am 20.12.2001 mit dem sogenannten Prostitutionsgesetz auf diese Realität. (2) Das Gesetz wurde verabschiedet, um den Prostituierten eine gewisse Rechtssicherheit zu gewähren und somit indirekt die Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern. Damit wurde Prostitution in Deutschland als sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtige Dienstleistung anerkannt. Im Vergleich dazu wurde in Schweden 1999 der Kauf von sexuellen Dienstleistungen, nicht der Verkauf, verboten, was eine direkte Kriminalisierung von Zuhälter_innen (3) wie Freier_innen zur Folge hat, aber auch negativen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der Prostituierten hat. (4)

Diskussionen um den „richtigen“ Umgang mit Prostitution werden in den verschiedensten politischen Spektren mit unterschiedlichsten Perspektiven geführt. So sind auch in feministischen Diskussionen um den Umgang mit bzw. die Bewertung  von Prostitution verschiedenste Positionen zu finden.  (5/6)

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