Lebensgefährliche Flucht aus Nordkorea

Im Jahr 2009 veröffentlichte der WDR einen Dokumentarfilm, der die lebensgefährliche Flucht vieler Nordkoreaner_innen aus dem Grenzgebiet von Nordkorea und China thematisiert. Alexandre Dereims, Hark Jun Lee und In Taek Jung haben hierfür eine Gruppe nordkoreanischer Flüchtlinge auf ihrem Fluchtweg bis nach Thailand (Bangkok) begleitet, oftmals riskierten sie dabei ihre eigene Sicherheit (wie ein Fall zweier amerikanischer Journalistinnen verdeutlicht).

Der Kollaps der nordkoreanischen Wirtschaft Anfang der 1990er Jahre, der mit einer Hungersnot einherging die schätzungsweise 2 Millionen Menschen das Leben gekostet hat (Filmpart: 1), veranlasste Tausende die Flucht nach China und darüber hinaus zu wagen (International Crisis Group 2006: 1). Hunger und Armut sind auch heute noch die hauptsächlichen Push-Faktoren bzw. Gründe und Ursachen für die Flucht vor der nordkoreanischen Diktatur, die ihre Bevölkerung gefangen hält (vgl. ICG 2006: 8). Einem UNO-Bericht vom Oktober 2009 zufolge benötigen neun Millionen Nordkoreaner_innen, d.h. mehr als ein Drittel der Bevölkerung, Hilfe in Form von Lebensmitteln. Jedoch erreicht das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen nur zwei Millionen Menschen (vgl. Amnesty International).

Die Überwindung der Grenze zwischen Nord- und Südkorea ist unmöglich; der einzige Ausweg führt nach China. Für nordkoreanische Flüchtlinge bedeutet das Passieren des Grenzflusses Thumen zwischen Nordkorea und China dennoch keinesfalls die sichere Freiheit. In China sind sie der ständigen Gefahr ausgesetzt von der Polizei aufgegriffen und nach Nordkorea abgeschoben zu werden (ICG 2006: 11). Dies widerspricht den UNO-Flüchtlingskonventionen. Eine Auslieferung bedeutet für die Betroffenen nämlich Inhaftierung und nicht selten den Tod. Das einzige asiatische Land, das den Flüchtlingen eine Ausreise nach Südkorea gewährt, ist Thailand (Filmpart: 1). In Südkorea erhalten alle nordkoreanischen Flüchtlinge automatisch politisches Asyl (Filmpart: 4).

1999 flüchteten etwa gleich viele Männer wie Frauen über die Grenze zu China, 2006 waren es nur noch ein Viertel Männer. Männer, die häufiger verheiratet sind oder waren, tendieren eher dazu nach Nordkorea zurückzukehren und Lebensmittel und andere Güter für ihre Angehörigen zu schmuggeln (ICG 2006: 5 f.). Die existenzielle Bedrohung von Nordkoreaner_innen in China bringt viele Frauen hingegen dazu Beziehungen mit chinesischen oder koreanischstämmigen Männern einzugehen, um einen vermeintlichen Schutz zu erhalten. Nach Angaben von Befragten aus Nordostchina würde jedoch die Mehrheit der nordkoreanischen Frauen in irgendeiner Weise Missbrauch erleiden. In den schlimmsten Fällen handele es sich um systematische Vergewaltigung und Prostitution (ICG 2006: 11).

Die Journalisten, die den besagten Dokumentationsfilm produziert haben, treffen während ihrer Dreharbeiten auf einen Schleuser, der Nordkoreaner_innen bei der Überquerung des Grenzflusses hilft, indem er die Grenzpatrouillen bzw. Offiziere besticht (mit umgerechnet etwa 50 €) (Filmpart: 1). Eine Frau, die ihm viel Geld für die Überführung gezahlt hat, ahnt allerdings nicht, dass dieser sie, auf chinesischem Boden angekommen, an einen Freier und somit in die Prostitution verkauft. Das Dokumentationsteam kauft sie frei und fährt sie in eine nahe gelegene Stadt. Viele andere Frauen werden jedoch durch Schleuser wie diesen unwissentlich zum Opfer von Menschenhandel (Filmpart: 1).

Es gibt allerdings auch Menschen, die den Nordkoreaner_innen bei einer Flucht tatsächlich helfen. So versucht bspw. eine Allianz von Unterstützer_innen um den protestantischen Pastor Chun Ki-won die Flüchtenden über verborgene Wege nach Südkorea zu schleusen (vgl. Amnesty International). Diese setzen dabei meist ihre eigene Sicherheit aufs Spiel, denn Chinas Regierung inhaftiert zunehmend Personen, die nordkoreanische Asylsuchende unterstützen oder versteckt halten (vgl. ICG 2006: 30). Die Flüchtlinge, die das Journalistenteam während der Dreharbeiten begleitet, wurden ebenfalls von Mitgliedern jener Organisation des Pastors befreit. Sie mussten hierfür umgerechnet 2000 € bezahlen und zum evangelischen Glauben konvertieren (Filmpart: 1 und 2).

Die International Crisis Group, eine Organisation die Politikberatung betreibt, fordert von China und anderen asiatischen Staaten umgehend die Auslieferung von Asylsuchenden nach Nordkorea zu stoppen, da ihnen dort häufig der Tod droht (vgl. ICG 2006: 30). Die restriktive Migrations- und Flüchtlingspolitik führt außerdem dazu, dass vor allem Frauen Opfer von Menschenhandel werden, weil es keine legalen Wege gibt, aus Nordkorea auszuwandern. Hilfsorganisationen, wie die des südkoreanischen Pastors, können nur eine geringe Zahl von Flüchtenden unterstützen. Viele andere erhalten „Hilfe“ nur um den Preis ihrer Selbstbestimmung und eigenen Freiheit.

Bildquelle: Spiegel

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