Schwere Form der Ausbeutung von Arbeitskraft: Arbeitnehmer*innen, die sich innerhalb der EU bewegen oder in sie einreisen

MEMO der Europäischen Agentur für Grundrechte / 2. Juni 2015. Der vollständige Bericht zum Memo ist hier zu finden (Englisch).

1. Was ist schwerwiegende Arbeitsausbeutung?

Als schwere Form der Ausbeutung von Arbeitskraft gilt zum Beispiel, wenn Arbeitnehmer jeden Tag arbeiten müssen und unregelmäßig oder überhaupt nicht entlohnt werden, wenn sie in beengten und unwürdigen Wohnverhältnissen von der übrigen Gemeinschaft isoliert leben oder wenn sie ohne Vertrag und unter ständiger Androhung der Abschiebung arbeiten müssen. Formal gesehen, bezeichnet der Begriff „schwerwiegende Arbeitsausbeutung“ alle Formen der Ausbeutung von Arbeitskraft, die nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Ausbeutung stattfindet, strafbar sind. Das Strafrecht der EU erstreckt sich nur auf bestimmte Formen der Ausbeutung von Arbeitskraft; nach Artikel 5 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind jedoch Sklaverei und Zwangsarbeit verboten, und gemäß Artikel 31 dieser Grundrechtecharta haben alle Arbeitnehmer das Recht auf „gerechte und angemessene“ Arbeitsbedingungen.

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Studie: Herausforderungen des Datenschutzes in der Politik gegen Menschenhandel – Ein Praxisleitfaden

Im Rahmen der europäischen NGO Inititative datACT – data protection in anti-trafficking action hat der KOK in Zusammenarbeit mit dem europäischen Netzwerk gegen Menschenhandel La Strada International den Praxisleitfaden „Herausforderungen des Datenschutzes in der Politik gegen Menschenhandel“ herausgegeben.

Die Studie gibt einen Überblick über die europäischen Datenschutzgesetzgebung, Methoden zur Datensparsamkeitsanalyse für Fachberatungsstellen, eine Analyse von Datenschutzrechten für Betroffene von Menschenhandel, sowie die Datenschutzstandards für die Arbeit der Fachberatungsstellen. Darüber hinaus bietet die Studie eine Erörterung der rechtlichen Argumente, die 2013 zum Scheitern des niederländischen Vorhabens zur Meldepflicht von Prostituierten führte.

Die Studie als PDF >

Roma aus (Süd-)Osteuropa als Betroffene von Frauenhandel

„Urban Shadow“. Foto: M. Accarino. Creative Commons LizenzvertragDieses Bild steht unter einer Creative Commons Lizenz.

Autorin: Romana Riegler. Ursprünglich veröffentlicht auf boell.de 

Eine Untersuchung der Vulnerabilitätsfaktoren

Nach der zweiten EU-Osterweiterung 2007 stieg in Deutschland die Zahl der von Menschenhandel betroffenen Frauen aus Rumänien oder Bulgarien signifikant an. Ein großer Teil von ihnen gehört der Bevölkerungsgruppe der Roma an. Welche Mechanismen führen dazu, dass diese Gruppe offenbar so viel vulnerabler gegenüber dem Menschenhandel ist als andere?

Noch immer sind Roma die wahrscheinlich marginalisierteste Bevölkerungsgruppe Europas, und Beobachter_innen sprechen mit Sorge von einem sich in den letzten Jahren deutlich verschärfenden Antiziganismus (Antiziganismus Watchblog, 2012). Dieser Rassismus gegen Roma wird sichtbar an degradierender Medienberichterstattung, offener Diskriminierung am Arbeits- und Wohnungsmarkt oder durch Polizei und Behörden, einem Anstieg von Gewaltakten und „hate crimes“ gegen Roma und nicht zuletzt an (nicht rechtskonformen) Massenabschiebungen, wie 2010 in Frankreich mit rund 8.000 Roma. Im Zuge dieser Abschiebung bezeichnete der damalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy die Lager der Roma unter anderem als Quelle von Drogenschmuggel, Ausbeutung von Kindern und Prostitution (Süddeutsche Zeitung, 2010).

Während oft auf Roma als Täter_innen bzw. auf die Involviertheit von Romafamilien in (organisierte) Kriminalität verwiesen wird, findet die besondere Vulnerabilität von Roma gegenüber dem Menschenhandel und ihre häufige Viktimisierung seltener Erwähnung. Diese Praxis besteht sowohl aufseiten osteuropäischer Regierungen (vgl. ERRC 2011a, S. 26) als auch der Medien in Westeuropa, die mitunter pauschal von „Roma-Zuhältern“ sprechen, wenn sie über Prozesse gegen Menschenhändler_innen berichten (Amnesty International 2011). Den von Ausländerfeindlichkeit geprägten politischen Diskursen kommt eine solche Herkunft der Täter_innen sehr gelegen.

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Menschenhandel: Abschottung, Ausbeutung und Verbrechen

Autorin: Barbara Lochbihler 

Die EU kämpft gegen den Menschenhandel. Doch mangelnde Umsetzung und eine falsche Migrationspolitik lassen die Maßnahmen ins Leere laufen.

Ob sexuelle Ausbeutung, häusliche Sklaverei oder Organentnahme, bei Menschenhandel geht es immer um schwerwiegende Verbrechen. Oftmals stehen sie im Kontext der organisierten Kriminalität. Deutschland gehört für den internationalen Menschenhandel zu den bedeutsamsten Staaten und ist ein wichtiges Durchreiseland (DIW Berlin 2012). Die Gewinne aus dem Geschäft gelten als die lukrativsten des Organisierten Verbrechens. Sie können mit denen multinationaler Konzerne mithalten (Egan, Suzanne 2008). Das Geschäft blüht aber auch, weil das Risiko der Täter_innen sehr niedrig ist. Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 425 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und 53 zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft abgeschlossen (Bundeskriminalamt 2013).

Veranstaltung „Gleichstellungsprojekt Europa?“, 21./22. März 2014, Heinrich-Böll-Stiftung Berlin. Foto: Stefan Rühl. Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Bild steht unter einer Creative Commons Lizenz.

Besonders betroffen sind Frauen und Mädchen, die meist sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind und häufig zur Prostitution gezwungen werden. 67 Prozent aller in der Europäischen Union registrierten Opfer von Menschenhandel zwischen 2010 und 2012 waren Frauen, 13 Prozent Mädchen, 17 Prozent Männer und 3 Prozent Jungen (Europäische Kommission 2014). Diese Zahlen zeigen: Frauen brauchen besonderen Schutz. Im Zeitraum von 2010 bis 2012 wurden allein in der EU 30.146 Menschen als Opfer von Menschenhandel registriert. Davon wurden 69 Prozent sexuell ausgebeutet, darunter vor allem Frauen. 19 Prozent sind Opfer von Zwangsarbeit geworden, wobei es sich hier meist um Männer handelt. 12 Prozent der Betroffenen wurden in anderer Form ausgebeutet: Man zwang sie zum Betteln und kriminellen Aktivitäten oder sie wurden Opfer von Organ- und Kinderhandel (Europäische Kommission 2014).

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Menschenhandel: Breaking the cycle

Autorin: Helga Konrad, Leiterin und Koordinatorin der ‚Regionalen Implementierungs-Initiative zur Prävention & Bekämpfung von Menschenhandel‘ am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa – IDM 

Menschenhandel ist in den vergangenen Jahren viel diskutiert worden – nicht immer frei von Sensationsmeldungen, panikmachenden Zahlen und einer Rhetorik, die oft mehr Skepsis hervorrufen als Anlass und Anstoss zu mehr und wirksameren Gegenmaßnahmen gaben und geben.Und Regierungen, Stakeholder, Behörden und andere scheinen auch tatsächlich schön langsam müde zu werden, immer die gleichen Argumente, Klagen, Beschwerden und Probleme zu hören.

Tatsache ist, dass fast 15 Jahre nach Verabschiedung des UN Protokolls zu Menschenhandel gewisse Probleme immer noch vom Tisch gewischt werden; dass etliche Probleme im Ping Pong zwischen Institutionen und/oder Ländern und Behörden hin und her geschoben werden; dass immer noch verworrene Auffassungen und unklare Abgrenzungen zwischen Menschenhandel und damit verbundenen Bereichen wie (illegale) Migration, Prostitution, Schleuser/Schleppertätigkeit existieren.

Tatsache ist auch, dass wir uns eher auf das Abfedern der Konsequenzen von Menschenhandel als auf dessen Vorbeugung/Prävention konzentrieren – trotz der Beteuerungen, dass pro-aktives Handeln besser ist als reaktives. Prävention ging in den vergangenen Jahren nicht weit über undifferenzierte Aufklärungskampagnen und die Einrichtung von Notrufen hinaus. Letztere verdienen die Bezeichnung ‚Notruf‘ oft gar nicht, da sie oft nur einige Stunden während der in Europa üblichen Dienstzeiten von BeamtInnen besetzt sind und oft nicht multi-lingual agieren können.

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Tag gegen Menschenhandel: „Jenseits von Menschenhandel und Sklaverei“

Anlässlich des internationalen Tages gegen Menschenhandel am 18. Oktober möchte ich eine Artikelserie vorstellen, die seit einigen Wochen und über einen Zeitraum von 12 Monaten auf Open Democracy erscheint. Unter dem Titel „Jenseits von Menschenhandel und Sklaverei“ stellen Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Fachgebieten und unterschiedlichen Ländern eigene Forschung und Überlegungen zu Menschenhandel vor. Ähnlich wie auch dieses Magazin verfolgen die Autor*innen einen kritischen Ansatz. Ihr Ziel ist es,

sowohl die leere Effekthascherei von Mainstream-Medienberichten über Ausbeutung und Herrschaft als auch die hohlen technokratischen politischen Reaktionen, die von Unternehmen und Politiker*innen beworben werden, kritisch zu hinterfragen. (Quelle)

Bisher sind insgesamt vierzehn Beiträge erschienen, die vor allem den Diskurs über Menschenhandel und moderne Sklaverei und die politischen Maßnahmen gegen Menschenhandel kritisch analysieren.

Der erste Befund wiegt schwer gegen Politiken und Kampagnen gegen Menschenhandel: Aktionen, Politiken und Kampagnen gegen Sklaverei und Menschenhandel hätten bisher kaum etwas bewirkt – oder zumindest gibt es keine Daten, die das irgendwie belegen. Aber, so fragen die Autoren, was bewirken denn diese Politiken dann, wenn sie diejenigen, die sie angeblich schützen, nicht wirklich stärken?

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EuGH-Urteil beendet rechtswidrige Abschiebungshaft – Abschiebungshaft in mehreren Bundesländern vor dem Aus

Pressemitteilung von Pro Asyl

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs fordern PRO ASYL und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst die sofortige Freilassung von Abschiebungshäftlingen aus der Strafhaft.  Der EuGH hatte klargestellt, dass Abschiebungshaft nicht in einer  gewöhnlichen Haftanstalt vollzogen werden darf. Dem widerspricht die Haftpraxis in fast der Hälfte aller Bundesländer, in denen Abschiebungshaft im Strafvollzug organisiert wird.

Dem heutigen EuGH-Urteil liegen die Fälle einer Syrerin, einer Vietnamesin und eines Marokkaners zugrunde, die gegen ihre Inhaftierung in Justizvollzugsanstalten geklagt hatten. Unterstützt wurden die Verfahren aus den Rechtshilfefonds des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes und von PRO ASYL. Der EuGH stellte einen Verstoß gegen das sogenannte Trennungsgebot der europäischen Rückführungsrichtlinie fest, wonach Abschiebungsgefangene ausschließlich in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen sind, wenn diese im jeweiligen EU-Mitgliedstaat vorhanden sind.

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Sex, Sklaven und Bürgerschaft: Politiken des anti-trafficking

Autorinnen: Bridget Anderson (Oxford) und Rutvica Andrijasevic (Leicester)

Wie der Fokus auf das Übel des Menschenhandels die Debatte über Migration entpolitisiert

Menschenhandel ist in den Nachrichten. National und international ist er auf der politischen Agenda. Tausende von Menschen, Hunderte von Gruppen, Dutzende von Zeitungen sind entschlossen, ihn auszumerzen. Dieser Fokus auf Menschenhandel reflektiert und verstärkt ständig die tiefe Besorgnis der Öffentlichkeit über Prostitution und Sexarbeit, über Einwanderung, sowie über den Missbrauch und die Ausbeutung, die er so häufig beinhaltet. Wenn man den Begriff Menschenhandel oder bestimmte Maßnahmen dagegen hinterfragt, könnte man auch gleich sagen, dass man Sklaverei billigt, gegen Mutterschaft ist und Apfelkuchen nicht mag. Menschenhandel ist ein Thema, das uns alle zusammenbringen sollte. Aber wir glauben, dass es notwendig ist, ja nicht in Verdacht zu geraten, Mutterschaft und Apfelkuchen zu kritisieren und Sklaverei zu befürworten. Denn die moralische Panik in Bezug auf Menschenhandel lenkt die Aufmerksamkeit von den strukturellen Ursachen der Ausbeutung von Wanderarbeiter*innen ab. Das Interesse wird auf die bösen Übeltäter gelenkt statt auf eher systemische Faktoren. Insbesondere wird der staatliche Umgang mit Migration und Beschäftigung ignoriert, der de facto Gruppen von Nicht-Bürger*innen konstruiert, die ungestraft als ungleich behandelt werden können.

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Pro Asyl: Italien unterhöhlt Flüchtlingsschutz

Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen auf proasyl.de

Angesichts mehrerer Tausend in den letzten Tagen im Mittelmeer vor Italien geretteter Flüchtlinge sieht es so aus, als diene die italienische Operation „Mare Nostrum“ nicht nur der Lebensrettung, sondern auch dem Flüchtlingsschutz. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass Ziele des Einsatzes auch die Abschottung der Grenzen und Abwehr von Flüchtlingen sind.

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(Wütender) Kommentar: Das Europaparlament stimmt für Komplett-Verbot der Prostitution

Heute Mittag hat das Europaparlament über den sogenannten Honeyball-Bericht „über sexuelle Ausbeutung und Prostitution und deren Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter“ abgestimmt. Der Bericht wurde mit einigen kleinen Änderungen angenommen und ist aber noch nicht in seiner endgültigen Form online, aber hoffentlich bald. Mit den heute vorgenommenen Änderungen plädiert der Bericht de facto für ein Prostitutionsverbot, was ein unglaublicher Rückschritt ist.

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Die Anti-Politik der Bekämpfung des Menschenhandels

Autor: Neil Howard (@NeilPHoward), Stipendiat am European University Institute in Florenz. Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 24.01.2014 hier in englischer Sprache veröffentlicht. Es handelt sich um eine überarbeitete Version eines Vortrags, den Neil Howard für die Expert*ngruppe zur Bekämpfung des Menschenhandels des Europarates hielt. 

Der Status Quo und der Stand der Dinge

In Europa wie auch anderswo, wird „Menschenhandel“ wohl immer noch so verstanden, dass es um böse, implizit ausländische, männliche Kriminelle geht, die unschuldige Frauen und Kinder kidnappen und versklaven, in der Regel für Sex. Meistens sind die Geschichten, die wir hören, extrem, sie sind die schlimmsten der schlimmsten und vor allem zeigen sie Menschenhandel als eine Art Anomalie – mit anderen Worten, als eine Übertretung aus einer anderen Welt, die sich völlig außerhalb der sonst positiven, normalen Ordnung der Dinge befindet.

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‘Respecting the rights of sex workers in our democratic societies’

This piece was originally published on humanrightseurope.com, the Human Rights Blog of the Council of Europe, on February 5th 2014

A few years back, it was 2009, I stumbled upon the first media report on “forced prostitution”. Needless to say, I was shocked that such a thing could exist in our societies. Since then, I have been working on the topic of “human trafficking” with a particular interest on a human rights-based approach. It is in this context that I became aware of the criticism of sex workers’ organisations, as well as human rights groups, towards a certain anti-trafficking framework.

According to La Strada International, a “human rights based approach integrates core human rights principles, such as participation, non-discrimination and empowerment, and opposes anti-trafficking measures that may harm the human rights of trafficked persons or other affected groups“ and in particular human rights based anti-trafficking policies are not used „to directly or indirectly discriminate against women, migrants, sex workers or other groups.”

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Mama illegal – eine europäische Katastrophe

Unzählige Kinder wachsen in Moldau, dem ärmsten Land Europas, ohne ihre Eltern auf.

Unzählige Kinder wachsen in Moldau, dem ärmsten Land Europas, ohne ihre Eltern auf.

Der Autor: Tim Rühlig ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität Frankfurt. Dieser Artikel wurde ursprünglich auf dem Bretterblog veröffentlicht.

In Deutschland wird derzeit über die „Armutszuwanderung“ diskutiert. In der Diskussion erscheinen die Migrant_innen häufig als Sozialschmarotzer. Die wirklichen Lebensumstände dreier Moldawischer Frauen zeigt ein unglaublich ergreifender Film – „Mama illegal“.

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Undokumentierte Migrant*innen: Der europäische Diskurs muss sich endlich ändern

Autorin: Eve Geddie (PICUM), ursprünglich veröffentlicht auf Englisch auf Open Democracy (16. Januar 2014) unter dem Titel „Undocumented migrants: Time to change European discourse“

Don’t give us your huddled masses: migrants arriving at Lampedusa. Flickr / Noborder network. CC BY 2.0

2013 war ein weiteres arbeitsintensives Jahr für Migrationskorrespondent*en. Während gegen Ende des Jahres die Angst vor der Migration von EU-Bürger*innen Schlagzeilen machte, blieben die Todesfälle von Migrant*innen an Europas Außengrenze eines der am meisten behandelten Themen. Waren der öffentliche Schock, die Medienberichte und die politischen Versprechen von Solidarität nach den Todesfällen auf See aber tatsächlich Zeichen eines echten Willens, Veränderungen zu bewirken oder wird die Zahl der Toten im Jahr 2014 weiterhin so bleiben?

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Effektiv, human, nachhaltig: Wer von Prostitution redet, darf von Abschiebungen nicht schweigen

Autor: Thomas Schroedter. Dieser Beitrag wurde ursprünglich veröffentlicht in ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 589 / 17.12.2013

Die Maßnahmen zur Regulierung der Zuwanderung in die EU werden durch Aufrüstung und eine verbesserte Kommunikation zwischen den Staaten und der Grenzagentur Frontex zunehmend effektiver gestaltet. Scheinbar unabhängig davon werden aktuell in mehreren EU-Ländern Gesetze zur Regelung der Prostitution bis hin zum Verbot verschärft. Dabei stellt die Überwachung der Prostitution eine zusätzliche Maßnahme zur Migrationskontrolle dar.

Dies wird deutlich, wenn wir den Umfang des Anteils an migrantischer Sexarbeit betrachten. Z.B. besitzen in Frankreich 80 Prozent der Sexarbeiterinnen keinen französischen Pass, und in Berlin stellen Polinnen, Russinnen und Ukrainerinnen das größte Kontingent. Wie die Autorin und ehemalige Sexarbeiterin Lilli Brand schreibt, würden diese Frauen ihre Tätigkeit zu Hause »als Job im Sexbusiness begreifen, hier ist es jedoch eher ein Sprungbrett. Und ihr Problem ist dabei nicht die Anerkennung als Prostituierte, sondern Visum, Arbeitserlaubnis, Scheinehemann und so weiter«. (1)

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Zur Geschichte der Kinderarbeit in Deutschland und Europa

Lewis Hine Kinderarbeit

By Lewis W. Hine for the National Child Labor Committee [Public domain], via Wikimedia Commons

Autor: Jürgen Bönig für bpb.de

Wenn wir aktuelle Bilder und Schilderungen von Kinderarbeit sehen und hören, fällt uns sofort Kinderarbeit in Europa im 18. und 19. Jahrhundert ein – „Das ist doch wie früher bei uns!“ Konflikte um Kinderarbeit in der Industrialisierung, die Aufdeckung ihrer zerstörenden Wirkungen und die sich lang hinziehende Auseinandersetzung um Einschränkungen und Verbote im 19. Jahrhundert sind Teil des populären historischen Gedächtnisses, obwohl Ausmaß und Wandel der Arbeit von Kindern vor, in und nach der Industrialisierung gar nicht genau untersucht und feststellbar sind.[1]

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Maßnahmen gegen Menschenhandel messen? Ein Interview mit Seo-Young Cho

Interview mit Seo-Young Cho, Professorin für Empirische Institutionenökonomie an der Universität Marburg.

Sie haben kürzlich ein Ranking veröffentlicht, in dem sie das Engagement einzelner Staaten im Kampf gegen Menschenhandel bewerten und ranken (technisch heißt das „3P-Index zur Auswertung des Stands der weltweiten politischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel“). Wie steht es mit Deutschland?

Im letzten Ranking für das Jahr 2012 erreichte Deutschland eine Gesamtwertung in Höhe von 12 von maximal 15 möglichen Punkten und belegte damit lediglich Platz 41 von insgesamt 188 evaluierten Ländern. Im Einzelnen wurde für Deutschland auf einer Skala von 1 bis 5 im Bereich Opferschutz der Wert 3, im Bereich der strafrechtlichen Verfolgung der Wert 4 und die Maximalwertung von 5 im Bereich der präventiven Maßnahmen gegen Menschenhandel Deutschland gemessen.

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Frauenhandel: Wenn Mütter betroffen sind – Mütter in der Migration

Dieser Artikel wurde ursprünglich im Rundbrief 53 vom November 2013 der FIZ – Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (Zürich) veröffentlicht.

Seiten aus 5553_FIZ_Rundbrief_webFast die Hälfte aller Migrant_innen in der Schweiz sind Frauen. Ob und wieviele von ihnen Kinder haben und mit ihnen eingereist sind, oder ihre Kinder im Herkunftsland zurücklassen mussten, ist statistisch nicht eruierbar. In den letzten drei Jahren waren rund zwei Drittel der von FIZ-Makasi begleiteten Frauen (344 von total 588) Mütter oder schwangere Frauen.

Geschlechtsspezifische Diskriminierung im Herkunftsland – zum Beispiel wenig Arbeits- und Bildungschancen, sexuelle Gewalt oder Ausbeutung, starre Geschlechtsrollen  – können mit ein Grund dafür sein, dass Frauen migrieren. Diesen Diskriminierungen entkommen sie durch die Migration aber nicht: So erlaubt das Schweizer Migrationsrecht Frauen aus Drittstaaten die Einreise nur als Ehefrauen, Touristinnen, als Cabaret-Tänzerinnen oder aber als hochqualifizierte Fachkräfte. In der Realität kommt letzteres praktisch nicht vor – Frauen aus Drittstaaten sind als Ehefrauen, als Arbeiterinnen in der Sexindustrie oder illegalisiert in der Schweiz. Frauen aus dem EU-Raum dürfen hier zwar arbeiten, finden in der Regel aber nur in „typisch weiblichen“ Tätigkeiten eine Beschäftigung: im Pflegesektor, in der Hausarbeit oder in der Sexarbeit.

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Menschenhandel: Die Spitze der Eisscholle

Eurostat Bericht Menschenhandel EUAutorin: Dr. Dita Vogel

Immer wieder finden sich Zahlen in den Medien, die ein alarmierend hohes Ausmaß von Menschenhandelsfällen in Europa suggerieren. Im Oktober 2013 wurde wieder anlässlich eines Berichts des EU-Sonderausschusses gegen organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäsche (CRIM-Kommission) die Zahl von 880 000 Sklavenarbeitern in Europa zitiert. Die Medienberichte bleiben nicht ohne Wirkung. Die Menschen sorgen sich und fordern die Politik zum Handeln gegen den Handel mit Menschen auf.

Eine Szene aus dem Wahlkampf in Deutschland

9. September 2013. Wahlarena. Die Kanzlerin beantwortet im Vorfeld der Bundestagswahlen Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Schlechte Arbeitsbedingungen spielen in vielen Fragen eine Rolle. Die Kanzlerin wird auf Missstände in der Pflege, bei Werkverträgen und in der Leiharbeit aufmerksam gemacht. Dann konstatiert eine Bürgerin, dass Deutschland mittlerweile als „Puff Europas“ genannt werde und dass sehr viel Menschenhandel stattfinde.

„Meine Frage an Sie: Was werden Sie konkret in den nächsten vier Jahren tun, damit Menschenhandel und Zwangsprostitution in Deutschland endlich abgeschafft – oder ja –  abgeschafft wird?“

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Studie von Pro Asyl: Völkerrechtswidrige Push Backs – europäische Komplizenschaft

Pressemitteilung von Pro Asyl

Der neue PRO ASYL-Bericht “PUSHED BACK” beleuchtet völkerrechtswidrige Zurückweisungen von Flüchtlingen an der türkisch-griechischen Land- und Seegrenze und stellt die Frage nach der Mitverantwortung der Europäischen Union.

„Zwei kamen mit uns. Zwei maskierte Männer und der Kapitän waren an Bord. Zwei standen am Strand. Sie befestigten eines unserer Boote mit einem Seil und zogen uns zurück ins Meer. Dann löschten sie die Lichter und ließen nur ein Rücklicht an. Sie riefen: „Geht!“ Sie drängten uns zurück auf unser Boot und behandelten uns wie Tiere. Sie verschwanden. Als sie etwa 100 Meter entfernt waren, machten sie ihre Lichter wieder an.“ (A.K.)

„Sie brachten uns bis in die türkischen Gewässer und warfen uns, einen nach dem anderen, auf unser Boot. Einer von uns fiel ins Meer und wir zogen ihn wieder aus dem Wasser. Sie warfen uns weg, als wären wir Abfall. Dann schnitten sie das Seil durch.“ (A.K.N.)

Push Back von Flüchtlingen

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EU-Gipfel nach den Katastrophen vor Lampedusa (Pro Asyl)

Presseerklärung von Pro Asyl, 23.10.2013

Betroffenheitserklärungen sind angesichts geplanter Maßnahmen unglaubwürdig
PRO ASYL appelliert: Tödliche Abschottungspolitik beenden

Vor dem morgen beginnenden EU-Gipfel in Brüssel zeichnet sich ab, dass Regierungen der EU-Staaten auch nach den Katastrophen vor Lampedusa die bisherige Abschottungspolitik weiter perfektionieren wollen. „Vor diesem Hintergrund sind die zu erwartenden Betroffenheitserklärungen absolut unglaubwürdig“, so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.

PRO ASYL appelliert an die Staats- und Regierungschefs der EU, die falsche Weichenstellung der EU-Innenminister zu korrigieren. Diese wollen Frontex weiter ausbauen, die Grenzüberwachung perfektionieren und Transitstaaten wie sogar Herkunftsstaaten in die Abwehr von Flüchtlingen einbinden. Im Entwurf der Abschlusserklärung heißt es, existierende Maßnahmen sollten effektiver genutzt werden, „insbesondere in Hinblick auf Kooperationen mit den Herkunfts- und Transitstaaten, Aktivitäten von Frontex und den Kampf gegen Schleusung und Menschenhandel“.

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Frontex: Leben retten oder kontrollieren?

Autor: Frontexit (Originaltitel: „Frontex: Controlling or saving lives?„)

Sechs Tage [inzwischen sind es 16] nach der „Tragödie von Lampedusa“, nachdem die Suche nach den Schiffbrüchigen lange weiterging und die Zahl der geborgenen Leichen täglich stieg, sendete die EU-Kommissarin für Inneres, Cecilia Malmström, eine irreführende Meldung aus: Die Beschleunigung der Installation von Eurosur und der Einsatz zusätzlicher Ressourcen für eine groß angelegte, von Frontex koordinierte Such-und Rettungsaktion im Mittelmeer, um Boote von Flüchtlingen besser aufzuspüren, seien die Lösung, um Todesfälle auf See zu verhindern.

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18. Oktober EU Tag gegen Menschenhandel – Frauenhandel: Prävention und Opferschutz ausbauen

Autor: LEFÖ. Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen (PDF)

LEFÖ„Frauenhandel ist eine Verletzung von Menschen- und Frauenrechten. Das heißt: Im Zentrum aller Maßnahmen zur Bekämpfung des Frauenhandels müssen die Rechte der Betroffenen stehen“, sagt die Leiterin der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandel (LEFÖ-IBF), Evelyn Probst. Sie ortet weiteren Handlungsbedarf beim Ausbau der Rechte der Betroffenen sowie bei Prävention und Opferschutz.

Forderungen, Sexarbeit zu verbieten, wie sie in letzter Zeit wieder laut geworden sind, sieht LEFÖ kritisch. „Ein Verbot von Sexarbeit ist keine geeignete Maßnahme zur Bekämpfung des Frauenhandels. Das stärkt die Position der Frauen nicht, im Gegenteil, das stigmatisiert und kriminalisiert sie. Außerdem ist Sexarbeit nur ein Arbeitsbereich, in den Frauen gehandelt werden; die Forderung, Sexarbeit zu verbieten, ignoriert die Situation von Frauen, die in der Hausarbeit oder der Landwirtschaft ausgebeutet werden, völlig. Egal, in welchem Arbeitsfeld Frauen ausgebeutet werden – ihnen ist nur geholfen, wenn ihre Rechte gestärkt werden.“

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Datenschutz, Menschenrechte und die Politik zur Bekämpfung des Menschenhandels: eine Herausforderung im digitalen Zeitalter

Autor: Thilo Weichert

Kommentar der Redaktion: Dieser Vortrag wurde am 25. September 2013 auf der Konferenz des datACT-Projektes „Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung für marginalisierte Gruppen: eine neue Herausforderung in der Politik zur Bekämpfung des Menschenhandels“ in Berlin gehalten, die vom KOK e.V. und La Strada International organisiert wurden. Auf der Konferenz des Projekts datACT befassten sich NGOs und Datenschutz-AktivistInnen mit der Frage des Datenschutzes im Bereich der Bekämpfung und Prävention von Menschenhandel. Ein Beitrag von Sonja Dolinsek und Silvia Oitner über die Konferenz ist auch auf netzpolitik.org erschienen.

Als ich gefragt wurde, ob ich mich an der heutigen Konferenz aktiv beteiligen würde, habe ich spontan zugesagt, da das Thema „Datenschutz bei der Bekämpfung von Menschenhandel“ äußerst spannend klang. Mir war klar, dass eine direkte Beziehung zu einem Thema besteht, mit dem ich mich in der Vergangenheit über Jahre hinweg intensiv beschäftigt habe: das Thema des Datenschutzes für Ausländerinnen und Ausländer, insbesondere auch für Asylsuchende, in Deutschland.

Als ich mich mit diesem neuen Thema näher befasste, wurde mir schnell klar, dass hier viele unbeantwortete Fragen auf Antworten warten und dass eine Vielzahl bestehender Konfliktlagen normativ und empirisch intensiv untersucht werden müssen. Für die offensichtlich bestehenden grundsätzlichen Konflikte gibt es zudem keine oder zumindest keine befriedigenden Lösungen. Insofern war und bin ich neugierig auf die Ergebnisse der Studie datACT, also der Untersuchung über „data protection in anti-trafficking action“.

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Menschenschmuggel ist eine Reaktion auf Grenzkontrollen, nicht die Ursache der Migration

Autor: Hein de Haas; Urpsrünglich erschienen unter dem Titel „Smuggling is a reaction to border controls, not the cause of migration„)

Die Katastrophe des Untergangs eines Bootes am 3. Oktober vor der Küste von Lampedusa, die Hunderten von Flüchtlingen und Migranten das Leben kostete, hat bei Regierungen und internationalen Organisationen bereits zu Forderungen nach einem härteren „Durchgreifen gegen Schmuggel“ geführt. Im vergangenen Jahrzehnt war dies die übliche Reaktion, wenn solche Tragödien an den südlichen Küsten Europas geschahen.

Allerdings dreht eine solche Argumentation die Kausalität der Dinge auf den Kopf. Es sind die Grenzkontrollen, die Migranten gezwungen haben, gefährlichere Routen zu nehmen und die sie immer mehr von Schmugglern abhängig machten, um die  Grenzen zu überqueren. Schmuggel ist mehr eine Reaktion auf Grenzkontrollen, als eine Ursache der Migration an sich. Ironischerweise werden weitere Verschärfungen der Grenzkontrollen Migranten und Flüchtlinge dazu zwingen, noch mehr Risiken einzugehen und sie werden ihre Abhängigkeit von Schmugglern nur erhöhen.

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Manifest der SexarbeiterInnen in Europa (2005)

Wir kommen aus vielen verschiedenen Ländern und aus unterschiedlichen Verhältnissen, aber wir haben entdeckt, dass wir bei unserer Arbeit und in unserem Leben mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben.In dem vorliegenden Dokument erkunden wir die gegenwärtigen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, die unser Leben und die Sexindustrie bestimmen, wir fragen nach deren Ursachen, nehmen eine Position dazu ein und stellen sie infrage. Wir stellen darin unsere Sicht derjenigen Dinge dar, die geändert werden müssen, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen, in der SexarbeiterInnen, deren Rechte und deren Arbeit anerkannt und geachtet werden.
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Dieses Manifest wurde von 120 SexarbeiterInnen aus 26 Ländern auf der Europäischen Konferenz  zu Sexarbeit, Menschenrechten, Arbeit und Migration, die vom 15. bis 17. Oktober 2005 in Brüssel, Belgien stattfand, erarbeitet und verabschiedet.
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Jenseits von Toleranz und Mitleid Für die Anerkennung von Rechten
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Wir leben in einer Gesellschaft, in der Dienstleistungen angeboten und nachgefragt werden. Sexarbeit ist eine davon. Sexuelle Dienstleistungen anzubieten, sollte nicht kriminalisiert werden.Es ist nicht akzeptabel, SexarbeiterInnen aufgrund religiöser oder sexualmoralischer Überzeugungen zu verurteilen. Alle Menschen haben das Recht, eine persönliche Auffassung zu Religion und Sexualmoral zu haben. Aber sie sollte keinem anderen Individuum aufgezwungen werden oder irgendeine politische Entscheidung beeinflussen.Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der SexarbeiterInnen ihre soziale Existenzberechtigung nicht abgesprochen wird.Wir verurteilen die Scheinheiligkeit unserer Gesellschaften, in denen unsere Dienste in Anspruch genommen werden, aber unser Beruf oder unsere Unternehmen nicht legalisiert sind. Derartige Gesetzgebungen führen zu Missbrauch und zum Verlust unserer Selbstbestimmung bezüglich unserer Arbeit und unseres Lebens.Wir lehnen die Kriminalisierung von SexarbeiterInnen, ihrer PartnerInnen, KundInnen, ManagerInnen und aller anderen Personen, die im Bereich der Sexarbeit tätig sind, ab. Diese Kriminalisierung verwehrt SexarbeiterInnen den gleichberechtigten Schutz durch das Gesetz.

Migration spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht den Herausforderungen des Arbeitsmarktes zu begegnen. Wir fordern unsere Regierungen dazu auf, die grundlegenden Menschen- Arbeits und Bürgerrechte für MigrantInnen anzuerkennen und zur Anwendung zu bringen.

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Soll man die „Zigeunersoße“ umbenennen? – Gründe die dafür sprechen. Eine Artikelsammlung

Hier ein paar Hintegrundartikel zum Thema Diskriminierung, Ausgrenzung und Stigmatisierung von Sinti und Roma. Aus Zeitgründen, kann es kein Artikel werden.

Interview zum Holocaust-Gedenktag „Zigeuner ist eine Beleidigung“

Neonazis stürmen Wohnviertel, um Roma zu lynchen

NS-Verfolgung von „Zigeunern“ und „Wiedergutmachung“ nach 1945

Geschichte der Vlach-Roma (und ihrer Versklavung)

Europa erfindet die Zigeuner, um sie zu verachten

Hungary’s Roma: Living on the edge. Roma killers face justice, but the community still suffers from poverty and social exclusion.

Wikipedia-Artikel zum Thema „Antiziganismus

Gutachten zu Antiziganismus. Hartnäckig ignoriert

Für weitere Links sind wir dankbar.

Der Weg zu einem besseren Leben: Eine alternative Perspektive auf Menschenhandel (Gastbeitrag)

Autor: Christian Groes-Green (Anthropologe und assistant professor an der Roskilde Universitet in Dänemark)

Mosambik zählt zum Hauptkorridor des Menschenhandels in die Rotlichtviertel Südafrikas. Dort träumen arme junge Frauen davon, in ein reiches Land zu ziehen, wo sie in der Lage sind, für sich und ihre Angehörigen zu sorgen. Maria, eine 21 Jahre junge Frau, erzählte mir: ‚Wenn ich nur nach Amerika oder Europa kommen könnte, würde meine Familie nicht mehr leiden, und ich konnte mich um sie kümmern.“ Als ich eine großangelegte ethnographische Studien unter jungen Frauen in der seit 2007 mosambikanischen Hauptstadt Maputo durchführte, begann ich zu verstehen, warum viele Frauen innerhalb der sexuellen Ökonomien Afrikas migrierten, um das Wohlergehen ihrer Familien sicherzustellen und warum einige von ihnen hoffen, letztendlich in einem westlichen Land zu landen, trotz der damit verbundenen Risiken (Adepujo 2003; Cole 2004; Hunter 2007). Der erste Schritt der Reise der jungen mosambikanischen Frauen führt in die Hauptstadt Maputo oder in südafrikanische Städte, wo sie durch transaktionalen Sex mit sogenannten „sugar-daddies“, als erotische Tänzerinnen in Sexclubs oder in Bordellen versuchen ein Einkommen zu erwirtschaften (Groes-Green 2011). Aber im Versuch nach Europa, den USA oder in die Finanzzentren Südafrikas zu kommen riskieren sie, in die Fänge von Schleusern oder Menschenhändlern zu geraten, die jeweils für den Transport unter sehr unsicheren Umständen sorgen oder sie in der Sexindustrie ausbeuten (UNESCO 2006).

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Asylsuchende immer häufiger schon bei Einreise inhaftiert

Der Anteil von Asylsuchenden in Abschiebungshaft wird immer größer. Das zeigt eine vom Diakonischen Werk in Hessen und Nassau und PRO ASYL durchgeführte bundesweite Recherche zur Situation in Abschiebungshaft in Deutschland.

In Deutschland werden Asylbewerber grundsätzlich nicht in Haft genommen“, behauptete Bundesinnenminister Friedrich anlässlich der Verabschiedung der neuen EU-Asyl-Regelungen Anfang Juni. Das wäre schön, doch die Realität sieht anders aus. Denn obwohl die Zahl der Abschiebungshäftlinge insgesamt zurückgeht, steigt unter ihnen der Anteil von Menschen, die eben erst als Asylsuchende eingereist sind.

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Die Suche nach der perfekten Unterhose

Ein subjektiver Erlebnisbericht von der Ethical Fashion Show Berlin Januar 2013

Wenn auffällig viele gut und schlecht angezogene Menschen in Berlin unterwegs sind, liegt das üblicherweise an der Berlin Fashion Week. Wie soeben in der ersten Juli-Woche. Die halbjährlich stattfindende Messe hat mittlerweile auch eine „eco“-Abteilung, zu der unter anderem die Ethical Fashion Show gehört. Diese Präsentation alternativer Mode ist normalerweise nur Fachpersonal zugänglich. Im Januar dieses Jahres hatte ich die Gelegenheit, die Messe zu besuchen und mich auf die Suche nach ökologisch und sozial akzeptabel hergestellter Unterwäsche zu machen, die gefällt.

Die Ethical Fashion Show ist Teil der Berlin Fashion Week. Wie der Name schon andeutet, geht es bei dieser Messe nicht nur um das Aussehen hipper Menschen, schicke Werbung und Verkaufszahlen, sondern auch um die Bedingungen, unter denen die ausgestellte Kleidung produziert wird. Die Zustände in vielen Textilfabriken, unfreie Arbeitsverhältnisse und ökologische Folgen  des Baumwoll-Anbaus  und der Färbung – von tierischen Materialien wie Leder, Wolle von Schafen oder Seide ganz zu schweigen – machen den Kleidungskauf eher zu einer Bürde als zu einer Freude. Und leider listen Einkaufsführer für vertretbar Weiterlesen →

„Sie heißen nicht Natasha“ – Fotoserie auf ZEIT ONLINE

Auf Zeit Online wurde vor einigen Tagen eine Fotoserie mit dem Titel „Sie heißen nicht Natascha“ veröffentlicht. Abgebildet werden junge Frauen und Kinder, Zimmer und Räumlichkeiten, in denen angeblich Zwangsprostitution stattfindet und ein Mann mit einem Baby im Arm, der sagt: „Ich weiß, was mit meiner Frau passiert ist. Es ist nicht ihre Schuld, niemand hat das Recht, über sie zu urteilen“.

Die Fotoserie soll auf das Leid vieler Frauen hinweisen, die einen Wunsch nach einem besseren Leben hatten, der aber gebrochen wurde – von skrupellosen Menschen, die sie stattdessen sexuell ausgebeutet und vergewaltigt haben. Andere Inhalte bleiben hingegen unkommentiert stehen, verdienen aber mehr Aufmerksamkeit und hätten kritisch hinterfragt werden sollen.

Victim Blaming

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Menschenhandel: Nochmal schnell Scheitern am Ende der Legislatur – Ein Kommentar

Gestern fand im Rechstsausschuss des Bundestages eine öffentlichen Anhörung zum Entwurf „eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten“ statt (Liste der geladenen Expert_innen), über den hier schon an anderer Stelle geschrieben wurde.  Aus der Begründung zum Entwurf stammt auch dieses Zitat:

„Die zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels in Fachkreisen, insbesondere seitens Vertreterinnen und Vertretern von Opferinteressen sowie von Seiten der Strafverfolgungsorgane diskutierten weiteren Vorschläge hätten eine intensive Prüfung und Erörterung erfordert, die das wegen der Fristgebundenheit der Umsetzung der Richtlinie angestrebte Inkrafttreten des Gesetzes in dieser Wahlperiode kaum realisierbar erscheinen lassen.“(S. 5)

Die offizielle Pressemitteilung auf der Webseite des Deutschen Bundestages betont ebenfalls die „einhellige“ Ablehnung des Gesetzesentwurfes durch die Sachverständigen.

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Menschenhandel: „Prostitution steigt sprunghaft an“ – Beschwerde an den Deutschen Presserat

In vielen Artikeln über den EU-Bericht über Menschenhandel, der am 15. April 2013 vorgestellt wurde, wird in der Überschrift eine Zunahme der Prostitution in Europa suggeriert. Das ist falsch: Erstens ist das kein Ergebnis dieser Studie und zweitens gibt es keine Zahlen zur quantitativen Entwicklung von Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind. 

BildschirmaufnahmeAm Montag, den 15. April 2013 hat die Eu-Kommissarin einen neuen statistischen Bericht über Menschenhandel in Europa vorgestellt. Dort wird u.a. darüber berichtet, dass in den drei untersuchten Jahren von 2008 bis 2010 Menschenhandel in Europa zugenommen hat. Das trifft auf alle Formen des Menschenhandels zu, also auch auf Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung.

Wichtig ist: An keiner Stelle werden Angaben über das Ausmaß der Prostitution in Europa oder konkrete Zahlen über die Anzahl der in Europa tätigen Sexarbeiter_innen benannt. Und das aus gutem Grund: Denn das ist keine Studie über Sexarbeit sondern über Menschenhandel.

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Opfer von Menschenhandel haben Rechte – auch im Asylverfahren (Gastbeitrag)

Dieser Artikel wurde ursprünglich im Rundbrief 51 vom November 2012 der FIZ – Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (Zürich) veröffentlicht. —

Opfer einer Straftat haben, wenn die Tat in der Schweiz verübt wurde, gemäss Opferhilfegesetz das Recht auf Schutz, Beratung und finanzielle Unterstützung. Opfer von Menschenhandel im Asylverfahren haben erschwerten Zugang zu diesen Rechten. Dafür gibt es viele Gründe, die mangelnde Sensibilisierung im Asylbereich ist einer davon. Was müsste sich ändern? Weiterlesen →

Maischberger: Rassismus zur besten Sendezeit!

Bretterblog

In der ARD-Sendung „Menschen bei Maischberger“ wurde diese Woche über Vorurteile gegen Sinti und Roma diskutiert. Vor allem aber wurde ihnen eine Bühne gegeben und damit romafeindliche Stigmata zu diskussionswürdigen Themen gemacht. Ein empörendes Trauerspiel des öffentlich-rechtlichen Fernsehens!

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Maßnahmen gegen ausbeuterische Kinderarbeit (crossposted)

von Friedel Hütz-Adams (Autor) für bpb.de. Dieser Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht auf APuZ – Aus Politik und Zeitgeschichte (16.10.2012).

In Deutschland kommt es immer wieder dann zu Debatten über Kinderarbeit, wenn Studien oder Medien aufdecken, dass importierte Produkte von Kindern produziert wurden. Das Risiko, dass dies passiert, ist heutzutage höher als früher, da wesentlich mehr Produkte und Rohstoffe importiert werden. Zugleich sind die Lieferwege sehr intransparent geworden, da die Wertschöpfungsketten vieler Alltagsprodukte lang sind. Ein Mobiltelefon besteht beispielsweise aus rund 40 Stoffen, die meisten davon Metalle. Die Rohstoffe werden in mehreren Stufen zu Elektronikteilen weiterverarbeitet und überqueren auf ihrem Weg von Fabrik zu Fabrik häufig mehrfach Landesgrenzen. Erst in einem letzten Schritt werden diese Teile meist in China zu einem fertigen Gerät zusammengesetzt. Wird also beispielsweise festgestellt, dass in Minen im Osten des Kongos Kinder unter sklavenähnlichen Bedingungen das in jedem Mobiltelefon enthaltene wertvolle Metall Tantal abbauen, dann ist es schwierig, den genauen Weg dieses Tantals über die vielen Stufen zu verfolgen und zu entscheiden, wer in dieser Kette bis hin zu deutschen Kundinnen und Kunden für Kinderarbeit verantwortlich ist beziehungsweise für Maßnahmen gegen sie verantwortlich gemacht werden sollte. Weiterlesen →

Der Europäische Tag gegen Menschenhandel: Für besseren Opferschutz in der europäischen und deutschen Politik gegen Menschenhandel

Der 18. Oktober ist der Europäische Tag gegen Menschenhandel, den die Europäische Kommission im Jahre 2007 eingeführt hat. An diesem Tag findet in Brüssel eine Konferenz statt – unter dem Titel ‚Working together towards the eradication of trafficking in human beings: The Way Forward‘. Doch der im Titel dieser Veranstaltung enthaltene Optimismus, die deutsche und europäische Menschenhandelspolitik sei auf dem besten Wege dahin, Menschenhandel auszurotten, ist irreführend. Tiefgreifende Schwächen und blinde Flecken in den rechtlichen Rahmenbedingungen verurteilen diese Politik zum scheitern.

Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vom Juni 2012 sind weltweit 21 Millionen Menschen von “Zwangsarbeit” bzw. “Menschenhandel” betroffen. Migrant_innen sind am häufigsten Opfer von Menschenhandel, darunter insbesondere Frauen und Kinder, die vorwiegend Opfer von verschiedenen Formen sexueller Ausbeutung sind, wie z.B. Zwangsprostitution oder Zwangsheirat. Doch auch sklavereiähnliche Arbeitsausbeutung in verschiedenen Sektoren der Privatwirtschaft, wie z.B. Gastronomie, Bau, Landwirtschaft, Fischerei, ist ein global verbreitetes Phänomen. Menschenhandel, so die EU-Kommissarin für innere Angelegenheiten Cecilia Malmström, sei “moderne Sklaverei”. Die Politik kämpft nun schon seit mehreren Jahren mit diesem globalen Problem, doch nicht immer mit Erfolg und Commitment.

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Fluchthilfe und Menschenhandel

Wenn vonMenschenhandeldie Rede ist, denken viele an kriminelle Banden und brutale Mafiosi, die sich auf Kosten schutzlos ausgelieferter Opfer bereichern. In der DDR transportierte der Begriff ähnliche Bilder. Mit ihm wurden Menschen bezeichnet, die anderen Menschen bei der unerlaubten Ausreise aus der DDR halfen. Ganz anders war allerdings die Bewertung dieser „Menschenhändler“ in der BRD. Als „Fluchthelfer“ bezeichnet wurde ihre Hilfe bei der unerlaubten Ausreise aus der DDR im Allgemeinen positiv bewertet. Auch wenn dieseFluchthilfemit dem Ende der DDR verschwunden ist, kann uns die unterschiedliche Bewertung interessante Perspektiven auf heutige Bilder, Diskurse und den staatlichen und gesellschaftlichen Umgang mit Migration ermöglichen.

Am 22. Juni 2010 wurde Hartmut Horst das Bundesverdienstkreuz alsAuszeichnung für seine großen Verdienste in der Fluchthilfeverliehen. Er habemaßgeblich dazu beigetragen, dass mehr als 60 Menschen aus der damaligen DDR ihr Leben in Freiheit und Unabhängigkeit fortsetzen konnten. Tatsächlich war Hilfe zur illegalen Ausreise aus der DDR – in der BRD damals wie heute gemeinhinalsFluchthilfebezeichnetfür Tausende, die die DDR verlassen wollten, unverzichtbar. Denn ohne Genehmigung aus der DDR auszureisen, wurde von der DDR als Weiterlesen →

(Moderne) Sklaverei in Mauretanien

Mauretanien hat vor 21 Jahren im Jahre 1981 als letztes Land Sklaverei abgeschafft. Das bedeutet, dass seitdem Sklaverei keine legitime gesellschaftliche Institution mehr ist. Sklaverei ist seitdem illegal. Kriminalisiert wurde Sklaverei als „Besitz einer Person“ jedoch erst 2007 und bislang wurde nur eine Person verurteilt. Sklaverei ist weiterhin akzeptiert und die Besitzer und Händler von versklavten Menschen werden gesellschaftlich und politisch nicht geächtet – und schon gar nicht dafür verurteilt. Gleichzeitig wird die Existenz der Sklaverei internationalen Organisationen und Journalist_innen gegenüber geleugnet. De facto existiert Sklaverei in Mauretanien bis heute – darüber schreibt auch die Internationale Arbeitsorganisation in diesem Bericht von 2010.

Sklaverei in Mauretanien ist tief in der Gesellschaft verankert. Es handelt sich um eine Institution, die historisch gewachsen ist und den traditionellen Formen der Sklaverei entspricht. Im traditionellen Sinne ist Sklaverei nicht nur mit Eigentum verbunden sondern auch mit der Vererbung des Status als „Sklave“ oder „Sklavin“. Damit einher geht die Vorstellung, dass Sklavinnen und Sklaven sozial tot sind (siehe dazu unsere Beiträge zu O. Pattersons Theorie der Sklaverei als sozialem Tod hier und hier). Von „moderner Sklaverei“ kann also nicht die Rede sein.

Slavery exists in all the countries of the Sahara desert. But it’s only when the slave lifts their head to speak that the crime is discovered. (Boubacar Messaoud)

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Norwegen: Den Prostituierten hilft das „feministische“ Prostitutionsgesetz am wenigsten

Nachdem Schweden 1999 den Kauf sexueller Dienstleistungen verboten und kriminalisiert hat, folgte 2004 auch Norwegen mit einem ähnlichen Gesetz. 

Anmerkung: Die verlinkten  Texte sind größtenteils in norvegischer Sprachen. Diese können mit Hilfe von Google  Translate übersetzt werden.

Als Schweden 1999 Prostitution gesetzlich als Gewalt gegen die Verkaufenden, insbesondere gegen Frauen, einstufte und die Käufer sexueller Dienstleistungen kriminalisierte, wurde dies mit Beifall von den meisten feministische Organisationen in ganz Skandinavien empfangen. Dafür hatten sie hart gekämpft. Der Verkauf von sexuellen Dienstleistungen blieb zwar  „legal“, aber der Kauf wurde untersagt. Das Gesetz geht jedoch einen Schritt weiter: Es hat eine globale Reichweite, d. h. dass schwedische Staatsangehörige, die irgendwo auf der Welt Sex kaufen, an das Heimatland ausgeliefert werden können, um dort vor Gericht zu erscheinen.

Norwegen führte 2004 nach einer längeren Debatte ein ähnliches Gesetz (§201a3) ein. Auch dort hat sich die juristische Fiktion, dass jede Art von Kauf von Geschlechtsverkehr auch Gewalt gegen die Verkaufenden ist, in  der Gesellschaft als unhinterfragte Wahrheit, als Dogma, durchgesetzt. Warum aber konnte sich diese Auffassung durchsetzen?

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Über „all you can fuck“ und „Frischfleisch“ für Freier – eine Reportage von Rita Knobel-Ulrich

Wussten Sie, dass “jedes Jahr ca. 200 000 Frauen aus Osteuropa nach Westeuropa verschleppt und zur Prostitution gezwungen werden?“ Über diese und andere Fakten berichtet eine Dokumentation von Rita Knobel-Ulrich, die im Jahre 2011 im NDR ausgestrahlt wurde. Doch „Das Geschäft mit dem Sex“ ist jedoch nicht so objektiv, wie es vorzugeben scheint.

In den ersten Szenen der Reportage befindet sich Knobel-Ulrich auf dem Straßenstrich in Hannover. Dort steuert sie zielbewusst sich prostituierende Frauen an und fragt sie, warum sie dort seien („um die Kinder zu ernähren?“) und wie denn „das Geschäft so laufe.“ Danach begleitet sie Beamte der Hannoveraner Polizeiwache auf Kontrollen in verschiedene Bordelle und Wohnwagen. Es wird kontrolliert, ob es sogenannte „Neuzugänge“ gibt, die möglicherweise verschleppt und zum „Anschaffen gezwungen“ werden. Gegen Ende der Streife besucht die Gruppe ein Bordell, vor dem die Regisseurin nun die Freier anspricht und fragt, ob diese jemals nachgefragt hätten, ob die Frauen freiwillig in dem Etablissement als Sexarbeiterin arbeiten würden. Die Antworten der Männer fallen überwiegend ablehnend aus. Die meisten sagen „es geht mich nichts an“ und gehen schnell weiter.

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Menschenretter_innen und Menschenhändler_innen

Zum Umgang der EU mit Migrant_innen und ihren Helfer_innen

Die EU stellt sich als sicherer Zufluchtsort für verfolgte Menschen dar. Teil dieser Darstellung ist der proklamierte Schutz von Flüchtlingen vor „Schleusern“ und „Menschenhändlern“, weshalb deren Verfolgung verstärkt wird. Migrant_innen werden allerdings erst durch Grenzen und Abschottungsmaßnahmen der EU gezwungen, auf gefährliche Mittel und Wege der Migration zurückzugreifen und ihr Leben für viel Geld anderen Menschen anzuvertrauen. Die staatliche Verfolgung und ein kriminalisierender Diskurs gegenüber Fluchthelfer_innen dienen aber nicht in erster Linie dem Schutz von Flüchtlingen, sondern sind vielmehr Teil der Abschottungspolitik ihnen gegenüber.

Im September 2009 wurden die tunesischen Fischerei-Kapitäne Abdelkarim Bayoudh und Abdelbassit Zenzeri von der italienischen Justiz zu zweieinhalb Jahren Haft und 440’000 Euro Strafe verurteilt. Ihr Vergehen: Sie hatten zwei Jahre zuvor 44 Menschen aus hoher See im Mittelmeer gerettet und an die nahegelegene italienische Küste gebracht. Das Gericht sah es Weiterlesen →

Die schwedische Prostitutionspolitik

Seit dem 1999 das Gesetzespaket zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen „Kvinnofrid“ (übersetzt: Frauenfrieden) in Kraft trat, ist die Prostitution in Schweden verboten. Genauer genommen, bezieht sich diese Kriminalisierung, ausschließlich auf die Kunden. Die SexarbeiterInnen bleiben hingegen straffrei.  Dieses Gesetz galt damals als einzigartig und Schweden präsentierte sich als ein Vorreiter in der Bekämpfung der Ausbeutung und Gewalt gegen Frauen sowie der Reduktion von Prostitution – inzwischen ist auch in Irland und Frankreich die Einführung eines ähnlichen Gesetzes geplant. Jedoch werden seine Bewertung sowie Auswirkungen kontrovers betrachtet und der Nutzen der damit verbundenen Maßnahmen bleibt nach wie vor Gegenstand politischer Debatten. So argumentieren gerade GegnerInnen, dass das Gesetz Zwangsprostitution sogar fördern könnten.

VerfechterInnen dieses Gesetzes sehen Prostitution als Form patriarchaler Unterdrückung.  Prostitution ist also keine Tätigkeit, die aus freiem Willen ausgeübt werden kann. Deshalb lässt sich in ihren Augen Prostitution nicht mit dem allgemeinen Anspruch der Geschlechtergleichheit, der in Schweden stark in der Gesellschaft verankert ist, vereinbaren. Ihrer Meinung nach ist deshalb ein Verbot dieser Tätigkeit durch die Kriminalisierung der Kunden die richtige Lösung für eine gleichberechtigtere Gesellschaft. Diese Einstellung findet auch in der schwedischen Bevölkerung großen Anklang. So befürworten mehr als 80% der Schweden die Einführung des Gesetzes zur Strafbarkeit des Erwerbs sexueller Dienstleistungen.

Doch hat dieses Gesetz wirklich dazu geführt, dass weniger Frauen in den so genannten „Abgrund“ der Prostitution in Schweden rutschen? Bietet dieses Gesetz einen besseren Schutz vor Zwangsprostitution? Hat das Anti-Prostitutionsgesetz somit mehr Gleichberechtigung geschaffen?

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Roma in Europa

"Rund um den Hauptbahnhof gehören bettelnde Menschen wie diese Frau mit Kind fast schon zum gewohnten Bild." Goetzfried
„Rund um den Hauptbahnhof gehören bettelnde Menschen wie diese Frau mit Kind fast schon zum gewohnten Bild.“ Goetzfried

Bettelnde Roma gehören zum alltäglichen Stadtbild westeuropäischer Innenstädte. Seit dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens haben auch europaweite Maßnahmen gegen bettelnde Roma, die sich antiziganistischer Motive bedienen, wieder Hochkonjunktur. So vermuteten unlängst etwa die österreichischen Medien, hinter den bettelnden Roma, weniger Bedürftigkeit, sondern vielmehr eine organisierte Bettlerkriminalität, Menschenhandel und Ausbeutung. Dabei sollen die Roma, die größtenteils aus osteuropäischen Ländern stammen, von „organisierten Banden“ und „Hintermänner“, in Bussen zum Betteln in die westeuropäischen Großstädte gebracht worden sein, um ihnen im Nachhinein das Geld abzunehmen. Frankreich löste mit der Abschiebung von mehr als 8000 Roma, allein im Jahr 2010, gar eine europaweite Debatte um die Situation der Roma in der EU aus, in deren Folge es sich mit dem Vorwurf der ethnischen Diskriminierung konfrontiert sah. In vielen europäischen Ländern gehören die Roma zu den Volksgruppen, denen starke Ablehnungsgefühle und Vorurteile entgegenschlagen, wodurch sie zu Opfern von Diskriminierung und gesellschaftlicher Ausgrenzung werden. Ihre Ungleichbehandlung wird deshalb nicht selten als eines der dringendsten Menschenrechtsprobleme Europas angesehen. Denn lediglich jene Roma Familien schaffen es, sich gesellschaftlich zu etablieren, die ihre Ethnizität als Roma verbergen können.

Die Ursachen für die anhaltende Diskriminierung der Roma sind vielseitig. Länderstudien verweisen insgesamt auf eine Komplexität der Ausgrenzung und Ethnisierung der Roma- Bevölkerung. In allen europäischen Ländern kann von multidimensionalen Prozessen gesprochen werden, die sowohl Folge von Antiziganismus sind, als auch Folge der strukturellen sozialen Ausgrenzung (u. a. Bildungs- und Ausbildungssysteme, Arbeitsmärkte). Und sie hängen auch von der öffentlichen Sichtbarkeit dieser Bevölkerungsgruppe ab.

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Wir sind alle Migrant_innen! – 18. Dezember: Internationaler Tag der Migranten (International Migrants Day)

„When their rights are violated, when they are marginalized and excluded, migrants will be unable to contribute either economically or socially to the societies they have left behind or those they enter. However, when supported by the right policies and human rights protections, migration can be a force for good for individuals as well as for countries of origin, transit and destination.“ UN-Generalsekretär Ban Ki-moon

International Migrants Day
International Migrants Day

Im Jahr 2000 haben die Vereinten Nationen den Internationalen der Migranten eingeführt. Anlass dafür war die stetig wachsende Zahl an Menschen, die nicht an ihrem Geburtsort ihr Leben führen.  Das Ziel: Die grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten von Migrantinnen und Migranten zu schützen und  auf ihren positiven Beitrag in den Zielländern hinzuweisen. Ein wenig salopp gesagt – das Ziel ist es, Migration positiv zu konnotieren.

Das versucht auch die EU-Kommissarin für Innenpolitik.

„On the occasion of International Migrants Day (Sunday 18 December), let me reiterate that the diversity brought by immigrants is a source of dynamism and of cultural richness for our economies and societies.

Europe is changing. We cannot afford to ignore the role immigration plays for our growth and for European competitiveness in the global arena – Migrants contribute to the economies of their receiving countries, as employees, entrepreneurs, consumers and investors, while increasing the diversity of our societies.“ Cecilia Malmström, EU-Kommissarin für Innenpolitik

Sie schreibt über den positiven Beitrag von Migrant_innen für „unsere“ Gesellschaften. Der Versuch ist lobenswert, aber sie rutscht dabei in ein Muster, das einer positiven Darstellung von Migration eher im Wege steht. Sie spricht von „ihnen“ und „uns“  und merkt dabei nicht, dass sie selbst zur Zeit nicht an ihrem Heimatort arbeitet, sie merkt nicht, dass sie selbst Politiken für Orte und Menschen macht, die hunderte oder tausende Kilometer von ihrer nordischen Heimtstadt entfernt sind. Sie hat vergessen, dass Europa der Inbegriff freier Bewegung – also der Migration – ist. Sie macht den Fehler, nur eine kleine Gruppe der Migrant_innen tatsächlich als solche anzuerkennen – also jene Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft, ihres Aussehens und ihres sozio-ökonomischen Status auch diskriminiert werden. Migrant_innen sind die Anderen, aber nicht wir – das ist ihre Botschaft, eine falsche Botschaft. Denn wir sind alle Migrant_innen. Ist sie, Frau Malmström, nicht auch eine  Migrantin?

“We are all migrants and as such are contributing to the global economy and to global cultural diversity,” he noted. “How many of us live today in the city of birth of our four grandparents? Not many. We are all children, grandchildren or great-grandchildren of migrants. Rare are those who have settled in one and the same place for numerous generations.” François Crépeau, Special rapporteur on the human rights of migrants

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18. Oktober: Der „Europäische Tag gegen Menschenhandel“ im Netz – Ein Überblick

Terre des femmes

„Der europaweite Tag gegen Menschen­handel bietet die Gelegenheit, sich die traurige Realität des lukrativen Geschäfts mit Mädchen und Frauen bewusst zu machen.

Das Geschäft mit der Ware Mensch floriert. Schätzungen gehen von 2,4 Millionen Menschen aus, die weltweit pro Jahr verkauft werden. Darunter sind laut der EU eine halbe Million Frauen, die nach Europa gebracht werden.

Die Betroffenen werden zur Prostitution gezwungen oder als billige Arbeitskräfte ausgebeutet – auch hier in Deutschland. Die Frauen sind durch die erlebte Gewalt oft traumatisiert und krank. Sie brauchen Schutz, gesundheitliche Rehabilitation und müssen ihre rechtlichen Ansprüche geltend machen können. Doch wie gehen wir hierzulande mit den Opfern um?

Christa Stolle, Geschäftsführerin von TERRE DES FEMMES: „Wenn eine Frau aus Angst nicht bereit ist, als Zeugin gegen ihre Peiniger auszusagen, muss sie Deutschland meist innerhalb einiger Wochen verlassen.“ Stolle weiter: „Von zig deutschen Männern vergewaltigt lassen wir sie mit ihren traumatischen Erlebnissen allein. Eine unhaltbare Situation“.“

Anti-Slavery Day von Anti-Slavery International Catherine McKinnel (UK) 

„1807 is the date that is commemorated as the year in which Wilberforce’s campaign to abolish slavery succeeded, with the passing of The Slave Trade Act 1807. But it was not until 1833 that the Abolition of Slavery Act was passed – Wilberforce died just three days after. His public work and tireless campaigning on this issue of profound importance was done.

Yet – almost 180 years after slavery was abolished – there is one form of trade that is still thriving in austerity Britain: the modern-day slavery that is the trafficking of human beings.“

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