menschenhandel heute.

kritische perspektiven auf die bekämpfung von menschenhandel

Was ist denn diese Pro-Prostitutions-Lobby? Plädoyer für eine Differenzierung

Seit circa einem Jahr und insbesondere seitdem Alice Schwarzer im November letzten Jahres ihren „Appell gegen Prostitution“ zeitgleich mit ihrem Buch veröffentlichte, redet Deutschland verstärkt über Prostitution. Es kam zu vielen Diskussionen, Debatten und Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Gruppen, die sich mit dem Thema befassen. Es ist die Rede von den Prostitutionsgegner*innen und den Pro-Prostitution-Lobbyist*innen. Gerade von der sogenannten „Pro-Prostitutions-Fraktion“ wird oft eher abfällig geschrieben, ohne sich näher zu fragen, was denn da genau dahinter steckt. Da ich auch gerne unter die letzte Kategorie gepackt werde und viele sich damit die Mühe ersparen, sich tatsächlich mit Argumenten und Inhalten auseinanderzusetzen, werde ich hier ausbuchstabieren, was denn diese „Pro-Prostitutions-Lobby“ eigentlich ist, warum das ein missverständlicher Begriff ist und warum er sogar gegensätzliche Interessen in einen Topf wirft und somit vor allem Sexarbeiter*innen schadet.

Zum Ursprung der Begriffs

Der Begriff „Pro-Prostitutions-Lobby“ wurde ursprünglich von Anti-Prostitutions-Feministinnen formuliert. Er wird vor allem gegen Sexarbeiter*innen und ihren Organisationen, aber auch ihren Unterstützer*innen, verwendet, die sich für eine Entkriminalisierung der Prostitution und ihrer Anerkennung als „Arbeit“ einsetzen. Vor allem eine Ablehnung des sogenannte „Schwedischen Modells“ wird als Kriterium für die Position „Pro-Prostitution“ verwendet. In Deutschland wird er vor allem vom EMMA-Magazin und Unterstützer*n verwendet, z.B. in diesem Beitrag gegen Amnesty International und einem Entwurf einer Position zu Sexarbeit, die ich persönlich verteidige. Neuerdings spricht das EMMA Magazin gar von „Befürworterinnen der freiwilligen Prostitution“, als sei es moralisch angemessener „unfreiwillige Prostitution“, sprich „Zwangsprostitution“ zu befürworten – was natürlich Unsinn ist. „Dabei wird die allgemeine Ablehnung der Illegalisierung von Prostitution einfach mal muter umgedeutet in eine “Pro-Prostitutions-Haltung” und die Hure einfach mal verklärt als ein Produkt und eine “Pervertierung der sexuellen Befreiung”.

Sexarbeiter*innen und Unterstützer*innen werden deshalb als Pro-Prostitutionslobby diskreditiert. Prostitutionsgegner*innen behaupten, dass es sich nur um manipulierte Marionetten von Menschenhändler*n und Zuhälter*n handelt. Oft fällt auch der Begriff der sogenannten „Profiteure“, also Menschen, die von der Prostitution anderer profitieren (interessanterweise zählt sich Alice Schwarzer mit ihren Anti-Prostitutionsbüchern und -vorträgen nicht dazu, obwohl sie vermutlich schon seit längerem Millionärin ist – anders als die Sexarbeiter*innen des BesD).

Mit dem Begriff der Pro-Prostitutions-Lobby

  1. werden unterschiedlichste Gruppen und Interessen in einen Topf geworfen und es wird so getan als wollten alle Gegner*innen eines Verbots das Gleiche
  2. werden die tatsächlichen Forderungen, aber auch die kritischen Analysen der Prostitution als Gewerbe, so wie sie heute existiert, unsichtbar gemacht, ja gar absichtlich verklärt, sodass im Prinzip niemand mehr so richtig fragt, ob denn dieses Bild von „Pro-Prostitution“ überhaupt stimmt.
  3. wird auch verklärt, dass die Gründe für die Ablehnung des „Schwedischen Modell“ oder für die Forderung nach einer Entkriminalisierung von Sexarbeiter*innen nicht unbedingt bedeuten, dass man Prostitution für eine gesellschaftliche Institution hält, die es (so wie jetzt) geben soll. Tatsächlich sehen viele Sexarbeiter*innen die Sexarbeit kritisch. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie ein Verbot oder repressive Lösungen als geeignet sehen.
  4. wird letztendlich die Öffentlichkeit zulasten der Sexarbeiter*innen manipuliert. Es wird gezielt Wissen über die Forderungen und Erfahrungen von Prostituierten der Prostituiertenbewegung verschleiert und unsichtbar gemacht. Es wird letztendlich eine ganze Gruppe von Menschen unsichtbar gemacht und zum Schweigen gebracht.
  5. es wird so getan, also könne man nur gegen Menschenhandel kämpfen, indem man Sexarbeit bekämpft und Sexarbeiter*innen entmündigt und unterdrückt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Menschenhandel kann nur bekämpft werden, indem die Selbstbestimmungsrechte von Sexarbeiter*innen ernst genommen und gestärkt werden. Erst dann wird es weniger Ausbeutung geben.

Es gibt keine Pro-Prostitutions-Lobby. Es gibt nur unterschiedliche Akteure und Akteur*innen, die jeweils unterschiedliche Forderungen haben. Die meisten sind gegen ein Verbot.

Die Anti-Prostitutionslobby

Zuerst möchte ich noch ein paar Gedanken zur „Anti-Prostitutions-Lobby“ loswerden. Diese besteht einerseits aus sogenannten „Radikalfeminist*innen“ (was nichts damit zu tun hat, dass sie radikal sind, sondern einfach eine Selbst-Bezeichnung für einen bestimmten Flügel des Feminismus ist). Sie beschreiben Prostitution als „System“ der Gewalt und glauben nicht daran, dass man die Bedingungen der Prostitution bzw. „Sexarbeit“ verbessern kann. Vielmehr glauben sie daran, dass die Prostitution komplett verschwinden kann, indem man sie durch Verbote langsam abschafft, und dass das geeignete Mittel dafür die Kriminalisierung des Sexkaufs ist. Die Ansichten von Sexarbeiter*innen zu diesen Forderungen werden absichtlich und gezielt ignoriert und unterdrückt. Im englischsprachigen Raum gibt es deshalb das Konzept des „Sex-Worker-Exclusionary-Feminism“ (SWERF), also des Feminismus, der Sexarbeiter*innen von vornherein ausschließt.

Eine weitere Fraktion der Anti-Prostitutions-Lobby ist religiös motiviert (siehe z.B. Lea Ackermann von SOLWODI, Mission Freedom von Gaby Wentland oder das Weiße Kreuz). Ihr Ziel ist ebenfalls eine Gesellschaft ohne Prostitution, da diese „menschenunwürdig“ sei und da Frauen monogam oder gar keusch leben sollten. In dieser Fraktion scheint es allgemein auch ein Problem mit aktiver weiblicher Sexualität und ihren vielen Facetten zu geben – schließlich beschreibt das Weiße Kreuz auch einen One-Night-Stand als „menschenunwürdig“.

Beide Gruppen, die sehr unterschiedliche Vorstellungen von Frauenrechten und der gesellschaftlichen Rolle der Frau haben, sind sich beim Thema Prostitution näher gekommen und haben ihre Kräfte gebündelt, um Prostitution „abzuschaffen“. Die Koalition zwischen Radikalfeminist*innen und christlich bzw. religiös inspirierten Prostitutionsgegner*innen ist nicht wirklich neu und ist z. B. in den USA schon seit den 1980er Jahren zu beobachten.

Es handelt sich dabei um gefährliche Bündnisse, denn gerade christliche Organisationen sind nicht gerade dafür bekannte, Frauenrechte oder Rechte von LGBTQ-Personen im Bereich der Sexualität und Reproduktion ausweiten zu wollen. Man kann daher mit gutem Gewissen sagen, dass die Radikalfeminist*innen sich mit diesen Allianzen Frauenrechte sowie Rechte sexueller Minderheiten und LGBTQ ausverkauft haben. Diese „unheilige Allianz“ wird in meinen Augen irgendwann auf andere, hart erkämpften Rechte zurückschlagen – aber für diese Kritik sind die feministischen Prostitutionsgegner*innen nicht empfänglich. Verbote wirken bekanntermaßen Wunder.

Wer ist denn nun diese Pro-Prostitutions-Lobby? 

Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es einziges Kriterium, um als „Pro-Prostitutions-Lobbyist*in“ zu zählen – man muss das „Schwedische Modell“ ablehnen. Wahrscheinlich gehört auch dazu, dass man sich öffentlich auf die Seite von Sexarbeiter*innen stellt, wie ich es tue, aber das eigentliche Kriterium ist die eigene Meinung zum Schwedischen Modell. Ansichten zu anderen Facetten von Prostitutionspolitiken (die sehr komplex sind) sind dabei völlig irrelevant.

So, und wer ist denn in Deutschland alles gegen das „Schwedische Modell“ und mit welchen Gründen und Interessen? Sind denn all diese Pro-Prostitutions-Lobbyst*innen denn auch wirklich alle für Prostituiertenrechte? Und warum ignoriert die Anti-Prostitutionsfraktion diese Gruppen und Differenzen?

Die christlich-konservative Fraktion der CDU/CSU 

Pro-Prostitutionslobbyistin schlechthin ist die CDU/CSU. Sie lehnt das „Schwedische Modell“ und sowieso jede Maßnahme ab, die den männlichen Kunden von Sexarbeiter*innen zu nahe gehen. Das Prostitutionsbild der CDU ist das des „notwendigen Übels“. Prostitution ist in dieser Vorstellung zwar eine notwendige und wichtige gesellschaftliche Institution, die dazu da ist, die als natürlich und unbeherrschbar aufgefassten Sexualtriebe der Männer aufzufangen. Aus dieser Fraktion kommt auch die (falsche) Vorstellung, dass mit Prostitution Vergewaltigungen verhindert würden. Auch Sperrbezirke bzw. die Eingrenzung der Prostitution in bestimmte Bezirke oder Orte, an denen sie dann „unsichtbar“ ist bzw. nicht gesehen werden kann (wie in Hamburg), ist ebenfalls Ausdruck dieser Haltung: Prostitution ist wichtig und notwendig, die Sexarbeiter*innen sollen aber unsichtbar und unsicher weit weg von „uns“ und „unseren Kindern“ arbeiten.

Die Prostituierte ist in diesem Bild nur ein „Übel“, also eine Frau, die man möglichst von den guten, keuschen bzw. monogamen Frauen trennen und unterscheiden soll. Sie gilt es zu kontrollieren, zu überwachen und sie auch möglichst von der bürgerlichen Gesellschaft fernzuhalten. In dieser Variante des Pro-Prostitutions-Lobbyismus gibt es natürlich keinen Platz für Sexarbeiter*innen und für mehr Rechte für Sexarbeiter*innen, denn damit würde man diese Frauen als Bürger*innen und Menschen anerkennen und aufwerten und das darf keineswegs passieren.

Das ist auch der Grund warum die CDU/CSU eine Riesenangst vor der Ausweitung der Rechte von Betroffenen von Menschenhandel hat. Sie fürchten, dass plötzlich sich mehr Betroffene melden und tatsächlich auch noch Schutz, Unterstützung und Entschädigungen bekommen – von einem Aufenthaltstitel ganz zu schweigen. Und da man das nachweislich nicht will, muss das Menschenhandels-Argument nun für eine repressive Prostitutionspolitik herhalten. Letztendlich werden damit aber weder Sexarbeiter*innen noch Betroffenen von Menschenhandel in ihrer Position gestärkt. Sie sind lediglich Gegenstand bzw. „Objekte“ einer repressiven Biopolitik.

Die Kund*innen

Auch die Kund*innen von Prostituierten sind Pro-Prostitution. Sie sind es notwendigerweise als Teilnehmer*innen am Sexgeschäft. Da es keinen Kundenverband gibt und es kaum Sexkäufer*innen gibt, die sich öffentlich äußern (Feiglinge!!!), kann man hier aber nicht wirklich von einer Lobby sprechen. Selbst die Politikerkunden, so sagt man mir, halten sich mit ihrer Pro-Prostitutions-Meinung sehr zurück. Und schaden damit den Dienstleister*innen, dessen Dienste sie so gerne in Anspruch nehmen.

Abgesehen davon verträgt sich die „Pro-Prostitutions-Haltung“ von Kund*innen nicht unbedingt mit jener der Sexarbeiter*innen selbst. Wie in allen Gewerben haben Kund*innen bzw. Konsument*innen nicht unbedingt ein Interesse an selbstbestimmten und Dienstleister*innen, die Rechte haben und genau wissen, wie sie diese Rechte umsetzen können. Auch die Bandbreite an Kund*innen und ihren Vorstellungen von Sexarbeiter*innen fallen mit dem Begriff „Pro-Prostitution“ unter den Tisch. Während es, etwas salopp gesagt, machtgeile Arschlöcher gibt, die sich nachher auch mal gerne in anonymen Freierforen auskotzen, gehen viele Kund*innen auch sehr respektvoll mit Sexarbeiter*innen um.

Sexarbeiter*innen

Hier wird es schwierig, denn hier zeigt der Begriff „Pro-Prostitution“, dass er eigentlich zu nichts zu gebrauchen ist. Ansichten unter Sexarbeiter*innen, wie Prostitution zu beurteilen sei, ob man sie braucht, welche Praktiken ok sind und welche nicht, wie Machtverhältnisse analysiert werden usw. usf. – das alles unterscheidet sich stark. Meinungsunterschiede gibt es schließlich auch unter Sexarbeiter*innen – welch Überraschung!

„Pro-Prostitution“ ist nicht gleich „Pro-Sexarbeiter*innen“. Und Sexarbeiter*innen sind in erster Linie Vertreter*innen ihrer eigenen Interessen, also Pro-Sexworker*innen. Für die internationale aber auch deutsche Prostituiertenbewegung bedeutet das, dass eine Entkriminalisierung der Sexarbeit gefordert wird. Sexarbeiter*innen sollen nicht mehr stigmatisiert, (willkürlich) bestraft oder inhaftiert werden, nur wiel sie Sex verkaufen. Sexarbeit soll als „Arbeit“ anerkannt werden, damit Sexarbeiter*innen endlich ihr Stigma loswerden (das ist z. B. eine Forderung, die Prostitutionsgegner*innen, aber auch Pro-Prostitutions-Lobbyisten der CDU natürlich nicht wünschen).

Manche Sexarbeiter*innen finden ihren Job ziemlich cool, manche finden ihn ätzend und manche sogar scheiße. Viele würden gerne woanders ihr Geld verdienen, aber das ist leider nicht immer möglich. Trotzdem fordern sie kein Verbot, das ihnen selber schaden würde. Auch den Armutsprostituierten, die in Deutschland regelmäßig mit mindestens 200 Euro bestraft werden, nützt ein Verbot nichts, ja es verschlechtert sogar ihre Lage – denn sie müssen dann, so wie jetzt, noch mehr Sexarbeit machen, um den Staat für sein Verbot zu bezahlen. Pro-Sexarbeiter*innen, bzw. für Sex-Worker-Rechte zu sein, ist alles andere als einfach nur „Pro-Prostitution“ – wo die Arbeiter*innen und Dienstleister*innen mit ihren Forderungen erst gar nicht vorkommen.

Feminist*innen

Für Feminist*innen gilt ein ähnliches Argument. Es geht nicht unbedingt und in erster Linie darum „Prostitution“, so wie sie aktuell stattfindet, gut zu finden oder sie unkritisch zu bejahen. Es geht vielmehr darum, die Forderungen von Sexarbeiter*innen zu unterstützen und sie in ihrem Kampf um Rechte und Anerkennung zu unterstützen. Es ist aus feministischer Sicht unhaltbar, dass die Perspektive der Polizei, der Kunden oder anderer repressiv orientierter Leute der Stimme und Perspektive von Prostituierten vorgezogen wird. Als Feminist*innen reißen wir uns nicht das Recht an uns, für Hunderttausende von Frauen zu sprechen, wie es die CDU-Freundinnen der EMMA machen. Als Feminist*innen respektieren wir die vielfältigen Ansichten zu Prostitution, wobei wir (ich spreche mal im „wir“) alle die freiwillige Prostitution als Ziel befürworten. Wir wollen nämlich nicht, dass Menschen zur Prostitution, oder irgendeiner anderen Arbeit, gezwungen werden.

Wir wollen aber, dass all diejenigen, die sich mit Sex ihren Lebensunterhalt verdienen (wollen), es auch straffrei und ohne Stigma tun dürfen. Ja, es ist NUR die freiwillige Prostitution, die wir befürworten. Denn Zwang gibt es schon genug.

Bordellbetreiber*innen

Dass auch Bordellbetreiber*innen Pro-Prostitution sind, ist offensichtlich – auch wenn die Heuchelei von manchen unter ihnen, die ihren Töchtern diesen Job nicht wünschen, allzu offensichtlich ist. Doch auch hier ist der Begriff irreführend. Denn genauso wie der Besitzer einer Immobilie oder der Leiter eines Großunternehmens nicht unbedingt eine Stärkung der Rechte der Angestellten bzw. der Mieter*innen will, haben auch Bordellbetreiber*innen in erster Linie eigene wirtschaftliche Interessen. Und die sind nicht ganz klein. Und es sind nicht die gleichen Interessen der Sexarbeiter*innen.

Dass gerade vom EMMA-Magazin die Angriffe gegen Sexarbeiter*innen fast schon alltäglich sind, aber die echten, großen Bordellbetreiber*innen nie genannt werden – von einem ganzen Beitrag gegen die großen Betreiber*innen mal ganz zu schweigen, zeigt wo hier die Priorität liegt: Die als Pro-Prostitutions-Lobby abgestempelten Sexarbeiter*innen werden diskreditiert, ihre Position im politischen Machtspiel zugunsten der anderen, repressiven bzw. gewinnorientierten Pro-Prostitutions-Lobbyisten gestärkt. Die EMMA scheint also eher Pro-Beitreiber*in und Anti-SexWorker*innen zu sein. Also letztendlich viel krasser Pro-Prostitution als die Sexarbeiter*innen, die sie ständig angreift.

Betreiber*in ist außerdem nicht gleich Betreiber*in. Es gibt inzwischen viele Bordelle, meistens kleinere Betriebe, die von Sexarbeiter*innen geführt werden. Selbstorganisierte Bordelle stellen einen großen Schritt in Richtung selbstbestimmte Sexarbeit und Unabhängigkeit gegenüber großen Bordellbetreiber*innen, die selber Sexarbeit ablehnen, dar. Auch hier greift das einfache Etikett „Pro-Prostitution“ zu kurz, denn Sexarbeiter*innen oder Ehemalige, die ein Bordell betreiben, interessieren sich eher für das Wohl der Prostituierten, die dort arbeiten, bzw. für die eigenen Arbeitsbedingungen, falls sie selber noch sexuelle Dienste anbieten.

Von der Großen Koalition geplante Auflagen gegenüber Bordellbetreiber*innen könnten dazu führen, dass nur große Bordelle, die sich auch teuere Anwält*inn(e)n und Berater*innen leisten können, die Erlaubnis bekommen, während die selbstorganisierten Bordelle, in denen Sex-Worker-Rechte die Priorität sind, de facto verschwinden oder illegalisiert würden. Wie in allen anderen Branchen muss man zwischen Groß- und Kleinbetrieben unterscheiden. Die Interessen stehen sich auch in der Sexindustrie oft diametral gegenüber. Auch hier ist die pauschale Bezeichnung „Pro-Prostitution“ irreführend. [Dieser Absatz wurde am 23.8. hinzugefügt]

Die Polizei 

Verhaftete Prostituierte in Montréal, 1941 In dieser Auflistung darf man die Polizei natürlich nicht vergessen. Vor noch 100 Jahren waren Prostituierte bei der Polizei registriert. Mit ihrer Anmeldung verloren sie ihre bürgerlichen Rechte und ihr Recht auf Bewegungsfreiheit. Als „Hure“ durften sie sich nur noch beschränkt in der Öffentlichkeit aufhalten, da die Polizei davon ausging, dass eine angemeldete Prostituierte immer auch arbeiten würden. – arbeiten durften sie aber wiederum nur an bestimmten Orten, bzw. in konzessionierten Bordellen. Nur durch Heirat konnten sich die Prostituierten abmelden. Die Hure und Heilige…

Gegen die Beschneidung dieser Rechte und gegen die polizeiliche Registrierung und Zwangsuntersuchungen kämpften damals, vor 100 Jahren, tapfere Abolitionist*innen. Sie kämpften für die Abschaffung der „staatlichen Reglementierung“ der Prostitution, anders als die Pseudo-Abolitionistinnen von heute, die eine staatliche Regulierung inzwischen gar befürworten.

Die Polizei weint seit 1927 der Macht hinterher, die sie bis dahin über Sexarbeiter*innen hatte. Seit 1949 ist die Polizei, die auch bei Prostituierten an das Grundgesetz gebunden ist, damit beschäftigt, ihre Kompetenzen und Befugnisse auszuweiten. Es ist nichts neues, dass sich die Polizei beschwert, dass sie die Prostitution nicht ordentlich überwachen könne – das wird in jedem Polizeipapier über Prostitution seit 1949 gefordert. Zum Glück gilt auch hier das Grundgesetz, denn niemand soll willkürlich der Polizei ausgesetzt sein. Niemand soll aufgrund des eigenen Berufes jederzeit kontrolliert und  überwacht werden dürfen.

Und wie ist das „Pro-Prostitution“? Nun ja, eine Überwachung ist nur möglich, wenn Prostitution sichtbar ist und wenn man weiß, wo sie stattfindet. Die Polizei ist somit eine starke Partei der Lobby für legale bzw. legalisierte (also staatlich regulierte) Prostitution. Was auch sie nicht will: Rechte für Sexarbeiter*innen und eine Entkriminalisierung der Sexarbeit. Denn damit würde die Polizei die Zugriffsrechte auf diese Menschen verlieren. Also auch hier: Pro-Prostitution aber nicht für Sex-Worker-Rechte.

„Pro-Prostitution ist nicht gleich „Pro-Sexarbeiter*innen“ und Pro-Sex-Worker-Rechte. Ganz im Gegenteil. Aber mit dem Begriff der Pro-Prostitutions-Lobby werden die Interessen der Sexarbeiter*innen schön unsichtbar gemacht, unter den Tisch gekehrt, ja, gar diffamiert. Danke, liebe Anti-Prostitutions-Lobby.

 Quellennachweise auf Anfrage.

Anmerkung: Die Analyse, inwiefern unterschiedliche Akteure hier Pro-Prostitution sind und was das genau bedeutet, ist nicht abgeschlossen. Es fehlen noch viele!

Es geht hier nur um Frauen? Das liegt nicht an uns sondern an der Prostitutionsdebatte, wie sie gerade geführt wird. Das hier ist eine Analyse und es kann nur das analysiert werden, was gesagt wird.

Folgende Akteure und Akteurinnen fehlen hier noch:

  • Beratungsstellen für Prostituierte und Betroffene von Menschenhandel, die ein Prostitutionsverbot ablehnen;
  • Christliche Organisationen, die ebenfalls gegen ein Verbot sind
  • Wissenschaftler*innen, die ein Verbot auf der Basis ihrer Forschung ablehnen
  • Wer noch?

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