Eine feministische Kritik am „Sexkaufverbot“

Es wird immer wieder argumentiert, dass ein sogenanntes „Sexkaufverbot“ bzw. „Schwedisches Modell“ (weil es zuerst in Schweden im Jahre 1999 eingeführt wurde) – die einzige gesetzliche Regelung sei, die Menschenhandel und Ausbeutung von „Frauen in der Prostitution“ verhindern kann. Es sei auch die einzig wirklich „feministische“ gesetzliche Regelung von Prostitution.

Dem widerspreche ich. Und nicht nur ich. Das Verbot, für Sex zu bezahlen, wurde in Schweden auf problematische Weise umgesetzt. Das habe ich schon vor einiger Zeit hier erläutert. Vor allem für Sexarbeiter*innen hat des Verbot negative Folgen, wie z. B. eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.

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Prostitution und Menschenhandel (1): Die „Wahrheit“ über das „Nordische“ und „Schwedische“ Modell

Aktualisiert im November 2022 (Linkliste zu Studien am Ende des Textes und im Text mit Hyperlinks).

Ein paar einleitende Bemerkungen zum sogenannten „schwedischen bzw. nordischen Modell“ 

Das sogenannte „schwedische“ bzw. „nordische“ Modell“ ist ein Prostitutionsverbot, dessen erklärtes Ziel die Abschaffung der Prostitution ist. Die Hauptmaßnahme des „Modell“ ist die pauschale Kriminalisierung aller Kund*innen von Sexarbeitenden, unabhängig von den Arbeitsbedingungen unter denen die Sexarbeit erfolgt. Unterstützer*innen des Modells betonen, dass nicht die Prostituierten, sondern nur die Freier bestraft werden, weshalb auch von „Freierbestrafung“ oder „Sexkaufverbot“ gesprochen wird. De facto handelt es sich um ein Vergütungsverbot für Sexarbeit bzw. sexuelle Dienstleistungen. Statt bessere Bezahlung zu fordern, wird ein Bezahlverbot gefordert.

Das ist aber nicht alles. Es werden alle Akteure rund um die Prostitution und Prostituierten kriminalisiert, sprich Vermietung von Räumlichkeiten und Arbeitsorten oder andere Vermittler*innen, aber auch Kolleg*innen und private Beziehungen. De facto führt das zu einer Deregulierung des Prostitutionsmarktes, denn der Staat reguliert nicht mehr, wo wie und unter welchen Bedigungen Sexarbeit stattfindet. Stattfinden darf sie legal eigentlich nirgends mehr, was zu einer vollständigen Verlagerung ins Dunkelfeld führt.

Weil auch Norwegen und Island, inzwischen auch Nordirland, Irland und Frankreich, den Kauf von Sex verboten haben, sprechen Befürworter von einem „Nordischen“ Modell, obwohl Finland und Dänemark ein allgemeines „Sexkaufverbot“ bereits abgelehnt haben (hier finden sie ältere Beiträge zu Schweden  und Norwegen). Eigentlich gibt es kein „nordisches Modell“, sagen auch Wissenschaftler*innen.

Das sogenannte „Sexkaufverbot“ wird von einer lautstarken Antiprostitutionslobby gefordert, die sich selbst mit dem Begriff „Abolitionismus“ beschreibt (in Anlehnung an den Abolitionismus, der die Abschaffung der Sklaverei forderte, wobei der Vergleich zwischen Sklaverei und Prostitution problematisch ist) und die im feministischen Diskurs auch als „Radikaler Feminismus“ bekannt ist. Sie definieren Prostitution als „Gewalt gegen Frauen“ und als patriarchale Unterdrückung par excellence. Neuerdings wird die Rhetorik des „nordischen Modells“ auch von konservativen Kräften instrumentalisiert, wobei diese unter diesem Deckmantel letztendlich ein Komplettverbot der Prostitution reinschmuggeln, wie neuerdings in Kanada oder auch im EU-Parlament.

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„Die“ politische Lösung gibt es nicht. Prostitutionspolitiken im Vergleich

Bild: Steve Rhodes (Flickr); CC BY-NC-ND 2.0

Autorin: Helga Amesberger

Prostitutionspolitiken in Europa und anderswo sind hochgradig durch ideologische und moralische Haltungen geprägt. In meinem Beitrag zeichne ich die Grundlagen der verschiedenen Prostitutionsregime nach und versuche anhand dreier Länderbeispiele deren Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von SexarbeiterInnen darzustellen.

Modelle der Regelung von Sexarbeit

Weltweit gibt es sehr unterschiedliche Wege des Umgangs mit Sexarbeit. Diese Prostitutionsregime werden meist nach deren jeweiligen primären politischen Zielorientierung klassifiziert: prohibitive, abolitionistische und regulative Regime sowie das sogenannte Sexarbeitsmodell.

Prohibitive Regime verbieten Sexarbeit generell und kriminalisieren damit SexarbeiterInnen, Freier und ZuhälterInnen. Beispiele hierfür sind Länder wie USA, Kanada und Rumänien. Es ist sowohl der Verkauf als auch der Kauf sexueller Dienstleistungen verboten. Während sich in prohibitiven Regimen alle Beteiligten strafbar machen, sind dies bei abolitionistischen Modellen nur all jene Personen, die entweder Sex kaufen oder direkt oder indirekt vom Verkauf sexueller Dienstleistungen profitieren; dies können BordellbetreiberInnen und ZuhälterInnen sein, aber ebenso Taxiunternehmen, Personen, die eine Website für SexarbeiterInnen erstellen oder potentiell auch erwachsene Kinder, die beispielsweise studieren und Unterstützung von der Mutter erhalten. Jegliche Art von Bordellbetrieben ist damit ebenfalls verboten. Das heißt, der Verkauf von sexuellen Dienstleistungen ist nicht unter Strafe gesetzt, lediglich deren Kauf sowie Dienstleistungen für SexarbeiterInnen, die die Ausübung der Prostitution ermöglichen oder fördern. Das langfristige Ziel ist die Abschaffung der Prostitution. Schweden verfolgt ein abolitionistisches Regime und ist damit Vorbild für andere europäische Staaten (aktuell etwa Frankreich).

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Vortrag von Ina Hunecke zum Prostitutionsgesetz, seine Hintergründe und Geschichte

Die Rechtswissenschaftlerin Ina Hunecke und Autorin von „Das Prostitutions­gesetz und seine Umsetzung“ hielt am 29.01.2013 einen Vortrag zum Thema „Die Entstehung und Umsetzung des Prostitutionsgesetzes“ an der Universität Kiel. Sie spricht u.a über die Geschichte der Prostitution, das deutsche Prostitutionsgesetz, den Umgang der Medien und zuletzt über das schwedische Modell.

Der Vortrag kann hier als Video gefunden werden.

19. Juli 2013: Internationaler Protesttag gegen Gewalt und Morde an Sexarbeiter_innen

wordpress-icrse-protest-19-juliVergangene Woche erschütterten zwei Morde an Sexarbeiterinnen in Schweden und in der Türkei Sexarbeiter_innen auf der ganzen Welt. Dadurch wird nun eine erneute Debatte über Gewalt gegen Sexarbeiter_innen und über die Stigmatisierung und Diskriminierung von Sexarbeiterinnen  angeregt. Dabei geht es nicht nur um Schweden und die Türkei sondern um die prekäre rechtliche und gesellschaftliche Situation von Sexarbeiter_innen weltweit.

Eve Marie, oder Jasmine Petite, wie sie sich als Sexarbeiterin nannte, eine schwedische Sexarbeiterin, Sexarbeit-Aktivistin und Board Member der schwedischen Sex Workers‘ Rights Organisation Rose Alliance, wurde vor einigen Tagen von ihrem Ex-Ehemann brutal umgebracht. Sie lag im jahrelangen Streit um das Sorgerecht mit ihm über die gemeinsamen Kinder. Das Sorgerecht wurde durch die Behörden dem gewalttätigen Ehemann zugesprochen, da sie als Sexarbeiterin als nicht geeignet galt. Obwohl sie wiederholt versucht haben soll, Anzeige wegen häuslicher Gewalt und Übergriffen gegen ihn zu erstatten, habe man ihre Hilferufe ignoriert – sie sei ja schließlich eine Sexarbeiterin.  Weiterlesen →

Deutschland – Schweden: Unterschiedliche ideologische Hintergründe in der Prostitutionsgesetzgebung

Autorin: Susanne Dodillet

Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 19.2.2013 auf bpb.de in der APuZ zum Thema „Prostitution“ veröffentlicht. Einen weiteren Beitrag zur schwedischen Prostitutionspolitik und ihren Schwächen finden Sie hier

Ich tue mich schwer, sie zu verstehen, und sie verstehen uns kaum“, so fasste die schwedische Gleichstellungsministerin Margareta Winberg 2002 ihre Eindrücke von Gesprächen über Prostitution mit deutschen Kolleginnen und Kollegen zusammen.[1] Deutschland und Schweden stehen in der EU für diametral entgegengesetzte Arten mit Prostitution umzugehen. Wie kann man erklären, dass zwei Länder, deren politisches Klima sich auf den ersten Blick in vielem ähnelt, solch unterschiedliche Positionen einnehmen, wenn es um dieses Phänomen geht? Im Folgenden wird diese Frage mit einem Rückblick auf die Geschichte der schwedischen und der deutschen Gesetzgebung beantwortet. Mit Hilfe des Ländervergleichs werden Traditionen sichtbar, die im Verborgenen bleiben, solange man seinen Blick nur auf das eigene Land richtet. Weiterlesen →

Re-blogged: Just Don’t Call It Slut-Shaming: A Feminist Guide to Silencing Sex Workers

„The feminist movement really is in a pickle these days. It used to be a given that things like prostitution, pornography and stripping were bad, but nowadays there’s some resistance to these time-honoured notions. Women are increasingly coming out as sex workers and demanding rights. As feminists seek to shut down strip bars and criminalise clients, those women are complaining not just that they’ll lose their livelihood, but that they’ll be at increased risk of abuse and violence if their industries go underground! You can’t let such trivial concerns get in the way of your crusade, so below are some handy tips for discrediting these pesky meddlers. Remember: being an actual sex worker doesn’t entitle her to speak about sex work!

I don’t believe you; you don’t realise the harm you’re doing to yourself.“

mehr Just Don’t Call It Slut-Shaming: A Feminist Guide to Silencing Sex Workers.

Die schwedische Prostitutionspolitik

Seit dem 1999 das Gesetzespaket zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen „Kvinnofrid“ (übersetzt: Frauenfrieden) in Kraft trat, ist die Prostitution in Schweden verboten. Genauer genommen, bezieht sich diese Kriminalisierung, ausschließlich auf die Kunden. Die SexarbeiterInnen bleiben hingegen straffrei.  Dieses Gesetz galt damals als einzigartig und Schweden präsentierte sich als ein Vorreiter in der Bekämpfung der Ausbeutung und Gewalt gegen Frauen sowie der Reduktion von Prostitution – inzwischen ist auch in Irland und Frankreich die Einführung eines ähnlichen Gesetzes geplant. Jedoch werden seine Bewertung sowie Auswirkungen kontrovers betrachtet und der Nutzen der damit verbundenen Maßnahmen bleibt nach wie vor Gegenstand politischer Debatten. So argumentieren gerade GegnerInnen, dass das Gesetz Zwangsprostitution sogar fördern könnten.

VerfechterInnen dieses Gesetzes sehen Prostitution als Form patriarchaler Unterdrückung.  Prostitution ist also keine Tätigkeit, die aus freiem Willen ausgeübt werden kann. Deshalb lässt sich in ihren Augen Prostitution nicht mit dem allgemeinen Anspruch der Geschlechtergleichheit, der in Schweden stark in der Gesellschaft verankert ist, vereinbaren. Ihrer Meinung nach ist deshalb ein Verbot dieser Tätigkeit durch die Kriminalisierung der Kunden die richtige Lösung für eine gleichberechtigtere Gesellschaft. Diese Einstellung findet auch in der schwedischen Bevölkerung großen Anklang. So befürworten mehr als 80% der Schweden die Einführung des Gesetzes zur Strafbarkeit des Erwerbs sexueller Dienstleistungen.

Doch hat dieses Gesetz wirklich dazu geführt, dass weniger Frauen in den so genannten „Abgrund“ der Prostitution in Schweden rutschen? Bietet dieses Gesetz einen besseren Schutz vor Zwangsprostitution? Hat das Anti-Prostitutionsgesetz somit mehr Gleichberechtigung geschaffen?

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