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„Sound of Freedom“ und falsche Darstellungen von Kinder- und Menschenhandel

Am 4. Juli 2023 wurde der Thriller „Sound of Freedom“ mit Jim Caviezel. Der Film behandelt das Thema Kinderhandel und verfolgt die Handlung eines ehemaligen Homeland-Security-Agenten (Caviezel), der eine riskante Mission startet, um Kinder aus einem kolumbianischen Menschenhändlerring zu retten. Wie das Magazin Rolling Stone berichtet, wurde der Film stark kritisiert, u.a. wegen seines übertrieben ernsten Tons, der Verbreitung von Verschwörungstheorien durch den Star und der fragwürdigen Quellen.

In der Vergangenheit erlangte Caviezel, besonders durch seine Rolle als zu Tode Gefolterter in Mel Gibsons The Passion of the Christ, Bekanntheit. In jüngerer Zeit wurde er zu einer auffälligen Figur unter rechten Verschwörungstheoretikern. In seinen Reden und Interviews deutet er einen geheimen Krieg zwischen Patrioten und einer finsteren Verbrecherlegion im Untergrund an, die sich am Blut von Kindern laben. Seine Aussagen ähneln stark den Ansichten der QAnon-Bewegung, inklusive Schlagwörtern wie „Der Sturm ist über uns“. Im Spielfilm „Sound of Freedom“ kann er nun eine fiktive Version von Tim Ballard darstellen, dem Leiter der gemeinnützigen Organisation Operation Underground Railroad (O.U.R.), die sich gegen den Sexhandel einsetzt. Der Film stellt Ballard als Retter im Batman-Stil für Kinder dar, die in den Sexhandel verkauft werden.

Tatsächlich ist Ballards Aktivismus gegen Kinderhandel fragwürdig und beruht auf ethisch fragwürdigen Rettungsaktionen, die weniger den Kindern helfen als seiner eigenen öffentlichen Darstellung. Kritische Berichte über Ballards Aktionen haben u.a. Foreign Policy, eine ehemalige Aktivistin, die Juristin Anne Gallagher und VICE veröffentlicht. Die Legitimität von Ballards Organisation Operation Underground Railroad, ihre Behauptungen über heldenhafte Rettungen von Opfern des Menschenhandels und ihre Methodik wurden schon so oft von Journalisten infrage gestellt und untersucht. Forbes hat die Verbindungen zwischen Ballard und Trump aufgedeckt. Und trotzdem werden diese Narrative nun in einem Hollywood-Film noch einmal aufgelegt.

Trotz der Kritik spielte „Sound of Freedom“ bisher 40 Millionen Dollar an den Kinokassen ein. Verteidiger hingegen beschuldigen Mainstream-Kinos, den Film zu unterdrücken (der CEO von AMC bezeichnete solche Gerüchte als „wirklich seltsam“). Angel Studios, das „Sound of Freedom“ vertrieben hat, reagierte nicht auf eine Anfrage von Rolling Stone nach Kommentaren. Das Studio räumte jedoch ein, einige biografische Details von Ballard verändert und bei der Darstellung verschiedener Methoden des Kinderhandels kreative Freiheiten genommen zu haben.

Experten im Kampf gegen Kinderhandel äußerten jedoch Bedenken hinsichtlich der Darstellung von Kinderhandel im Film. „Ich war buchstäblich in vier verschiedenen Gruppen-Chats über diesen verfluchten Film“, sagt Erin Albright, eine Anwältin, die seit 15 Jahren im Bereich der Anti-Menschenhandelsarbeit tätig ist. Albright kritisiert, dass „Sound of Freedom“ auf eine „sensationalistische Perspektive dessen beruht, was Kinderhandel sein könnte“, anstatt die grausame Realität darzustellen.“Sound of Freedom“ vermittelt laut Albright eine „falsche Wahrnehmung“ darüber, wie der Großteil des Kinderhandels tatsächlich stattfindet.

Die meisten Opfer von Kinderhandel kennen ihre Menschenhändler und vertrauen ihnen. Viele sind von zu Hause verstoßen worden und tauschen Sex gegen Essen und Unterkunft, erklärt Teresa Huizar, CEO der National Children’s Alliance. Forschungsarbeiten zeigen, dass viele Opfer von Kinderhandel LGBTQ+- oder Gender-nonkonforme Jugendliche sind, die von jemandem, der ihnen nahesteht, in zur Prostitution gezwungen wurden.

Während „Sound of Freedom“ fast ausschließlich sehr junge Kinder in den Mittelpunkt rückt, sind die meisten Opfer von Kinderhandel Jugendliche oder Teenager, so Huizar. Fälle, in denen die Opfer viel jünger sind, drehen sich überwiegend um Eltern mit Drogenmissbrauchsproblemen, die ihre Kinder für Drogen verkaufen, erklärt Huizar.

Die Verzerrung der Realität zugunsten dramatischer Erzählungen führt zu einem verzerrten Bild von Kinderhandel. Anti-Menschenhandelsfilme wie „Sound of Freedom“ könnten dazu führen, dass ein sehr ernstes und reales Problem nicht beleuchtet, sondern verdeckt wird.

Einige der Freiheiten, die solche Filme mit der Wahrheit nehmen, können auf die Anforderungen einer schnelllebigen Erzählung zurückgeführt werden. Albright hat Einwände gegen eine Szene in „Sound of Freedom“, in der Ballard ein Opfer in ein Burger-Restaurant mitnimmt. Der Film bietet auch nicht viel Einblick in den umfangreichen Prozess der Unterstützung von Opfern und der Bewältigung ihres Traumas nach ihrer Flucht aus gefährlichen Situationen.

Die großen Ungenauigkeiten in solchen Filmen können falsche Vorstellungen über Menschenhandel verbreiten, die für die Opfer materielle Konsequenzen haben können.

Es ist wichtig zu betonen, dass niemand die Existenz von Kinderhandel und seine Schrecken leugnet. Diejenigen, die ihr Leben dem Schutz von Kindern widmen und gegen diejenigen kämpfen, die versuchen, sie auszunutzen, wissen aus erster Hand, dass Kinderhandel nicht nur real ist, sondern dass die Realität sogar noch schrecklicher sein kann als das, was in teuren Thrillern gezeigt wird. Ihre Hoffnung ist, dass Zuschauer von „Sound of Freedom“ sich mit seriösen Organisationen in Verbindung setzen, um die Wahrheit darüber zu erfahren, wie Kinderhandel aussieht und wie sie helfen können. Es ist nicht notwendig, Verschwörungstheorien über Kindesmissbrauch zu erfinden, wenn es doch genügend Fakten gibt, die sich nicht auf schreckliche Gerüchte stützen.

Auch das feministische Magazin Jezebel berichtete kritisch über den Film.

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Für mehr Informationen über Menschenhandel, schauen Sie hier vorbei:

Human trafficking

Menschenhandel mit Minderjährigen

https://www.kok-gegen-menschenhandel.de/menschenhandel/was-ist-menschenhandel/formen-der-ausbeutung

Kritik „Sound of Freedom“ Kritische Betrachtung Kinderhandel Menschenhandel schlecht

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