Deutschland, das „Hurenhaus“ und der „Puff Europas“?

Seit dem Artikel „Bordell Deutschland“ genießt der Spiegel in seinen verschiedenen Varianten (Print, Online, TV) weder Vertrauen noch Ansehen auf unserer Seite. Die Berichterstattung zum Thema Prostitution wird fälschlicherweise mit Menschenhandel vermischt und Menschenhandel wird verkürzt auf Prostitution – andere Formen von Menschenhandel existieren beim Spiegel scheinbar schlichtweg nicht. Der Medienkonzern ist für das Fehlen einer sachlichen Debatte über Menschenhandel in Deutschland mit verantwortlich und womöglich auch dafür, dass so manche Opfer nie gefunden werden. Unsere lange Kritik an Bordell Deutschland kann man hier nachlesen (Originalbeiträge beim Spiegel verlinken wir nicht. Sie können dafür gerne eine Suchmaschine nutzen).

Wenn es bislang einfach nur schlechter und einseitiger Journalismus war, der fälschlicherweise den Straftatbestand des Menschenhandels (§232 StGB) mit Prostitution (ProstG) verwechselt, muss man sagen, dass man nun von aktiver Diskriminierung von Sexarbeiter_innen sprechen kann.

Der „Begriff „Hurenhaus“ reflektiert die diskriminierende Attitüde im „Spiegelhaus“

… genauso wie „Puff Europas“ die diskriminierende Attitüde der öffentlich-rechtlichen Sender zum Ausdruck bringt. Da ich ja über unendliche intellektuelle Ressourcen verfüge, die in der Bibliothek des Spiegels wahrscheinlich nicht zur Verfügung stehen und auch im Zeitalter des Internets online nicht aufgerufen werden können, zitiere ich heute mal aus Wörterbüchern, um mein Argument zu formulieren (Duden und Wahrig, aber jedes etymologische Wörterbuch würde das bestätigen):

Hure (f.; -; -n; abwertend).

Die erste Bedeutung ist „Prostituierte“. Die zweite Bedeutung, die als (Schimpfwort) eingeleitet wird, lautet: „Frau, die zu vielen Männern (sexuelle) Beziehungen hat od. hatte“.

Hurenhaus (…. abwertend): Bordell

Der Begriff „Hurenhaus“ ist nicht nur die abwertende Variante für „Bordell“ sondern schließt zusätzlich noch die abwertende Formulierung „Hure“ ein.

Etymologisch, also von der Sprachgeschichte her, wies der Begriff ursprünglich (auf abwertende Art und Weise) auf „Ehebruch“ und „außerehelichen Geschlechtsverkehr“ hin. Sprachhistorisch enthält der Begriff eine Verurteilung nicht-ehelichen und außerehelichen Geschlechtsverkehrs. Besonders verurteilt wird dabei nicht der Mann sondern die Frau. Wer also den Begriff verwendet, bekennt sich zu einem konservativen Bild weiblicher Sexualität, dem eine tiefe Doppelmoral zugrunde liegt: Frauen werden für ihr sexuelles Verhalten verurteilt und abgewertet. Mh, und Männer, naja… das ist ja immer egal, oder?

Mit dem Begriff „Hure“ werden aber nicht nur Prostituierte auf abwertende Art und Weise beschrieben. Auch Frauen, die nicht monogam leben und somit nicht der herrschenden Vorstellung über weibliche Sexualität (und ihrer angeblich notwendigen Reinheit und Monogamie) entsprechen, werden mit diesem Begriff verhöhnt und beleidigt. Welche Folgen das hat, ist wohl unter dem Begriff „Slut-Shaming“ bekannt geworden. Zu schade, dass viele Feminist_innen noch nicht einsehen, dass der Kampf gegen Slut-Shaming nicht gewonnen werden kann, solange die echten Huren, also die Sexarbeiter_innen, weiterhin für ihren Job diskriminiert und stigmatisiert werden und dass der Feminismus sich auch endlich für ihre Rechte einsetzen muss.  Begriffe, wie „Hure“ und „Hurenhaus“ tragen leider zu dieser Stigmatisierung bei.

Wer sich wirklich für Prostituierte einsetzt bzw. einsetzen möchte, sollte damit beginnen Begriffe zu verwenden, in denen Respekt zum Ausdruck kommt. Wer auch immer so tut, als würde er/sie sich für Prostituierte einsetzen, und dabei den Begriff „Hure“, „Hurenhaus“, „Puff“ usw. benutzt (oder Prostituierte kriminalisiert, wie in Augsburg), ist wahrscheinlich nicht wirklich an einer Verbesserung ihrer Lebensbedingungen interessiert. Oder was würden Sie sagen, wenn ich hier z.B. gegen die Versklavung von Menschen argumentieren würde (wie sie z.B. in den USA stattfand) und dabei immer noch von der Minderwertigkeit Schwarzer Menschen sprechen würde? Ist der Widerspruch deutlich genug geworden? Wenn nicht, liegt das womöglich an Ihnen!

P.S. Wenn Sie nicht nur an Sprachkritik sondern auch an sachlicher Kritik interessiert sind, lesen Sie unser Blog (das können Sie hier rechts abonnieren) oder lesen Sie unsere lange Kritik an „Bordell Deutschland„.