menschenhandel heute.

kritische perspektiven auf die bekämpfung von menschenhandel

„Palermo Protokoll“: Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitendorganisierte Kriminalität (2000)

Präambel

Die Vertragsstaaten dieses Protokolls –

unter Hinweis darauf, dass wirksame Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung des Men­schenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, ein allseitiges internationales Vorge­hen in den Herkunfts-, Transit- und Zielländern erfordern, das unter anderem Maßnahmen zur Verhütung dieses Handels, zur Bestrafung der Händler und zum Schutz der Opfer dieses Handels umfasst, namentlich durch den Schutz ihrer international anerkannten Menschenrechte,

unter Berücksichtigung dessen, dass zwar eine Reihe internationaler Übereinkünfte bestehen, die Vorschriften und praktische Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbeutung von Menschen, ins­besondere von Frauen und Kindern, enthalten, dass es jedoch keine umfassende Übereinkunft gibt, die alle Aspekte des Menschenhandels einbezieht,

besorgt darüber, dass in Ermangelung einer solchen Übereinkunft Personen, die besonders leicht Opfer des Menschenhandels werden, nicht ausreichend geschützt sein werden,

im Hinblick auf die Resolution 53/111 der Generalversammlung vom 9. Dezember 1998, in der die Versammlung beschloss, einen allen Mitgliedstaaten offen stehenden zwischenstaatlichen Ad- hoc-Ausschuss einzusetzen mit dem Auftrag, ein umfassendes internationales Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität auszuarbeiten und unter anderem die Ausarbeitung einer internationalen Übereinkunft zur Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels zu erörtern,

überzeugt, dass die Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenz­überschreitende organisierte Kriminalität durch eine internationale Übereinkunft zur Verhütung,

Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhan­dels, für die Verhütung und Bekämpfung dieser Art der Kriminalität von Nutzen sein wird –

sind wie folgt übereingekommen:

  1. Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1

Verhältnis zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität

  • Dieses Protokoll ergänzt das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenz­überschreitende organisierte Kriminalität. Es ist zusammen mit dem Übereinkommen auszulegen.
  • Das Übereinkommen findet sinngemäß auf dieses Protokoll Anwendung, sofern im Pro­tokoll nichts anderes vorgesehen ist.
  • Die in Übereinstimmung mit Artikel 5 dieses Protokolls umschriebenen Straftaten werden als in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen umschriebene Straftaten angesehen.

Artikel 2

Zweck

Zweck dieses Protokolls ist es,

  1. den Menschenhandel zu verhüten und zu bekämpfen, wobei Frauen und Kindern beson­dere Aufmerksamkeit geschenkt wird;
  2. die Opfer des Menschenhandels unter voller Achtung ihrer Menschenrechte zu schützen und ihnen zu helfen sowie
  3. die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten zur Verwirklichung dieser Ziele zu fördern.

Artikel 3

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Protokolls

  1. bezeichnet der Ausdruck „Menschenhandel“ die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Miss­brauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Organen;
  2. ist die Einwilligung eines Opfers des Menschenhandels in die unter Buchstabe a genannte beabsichtigte Ausbeutung unerheblich, wenn eines der unter Buchstabe a genannten Mittel angewendet wurde;
  3. gilt die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme eines Kin­des zum Zweck der Ausbeutung auch dann als Menschenhandel, wenn dabei keines der unter Buchstabe a genannten Mittel angewendet wurde;
  4. bezeichnet der Ausdruck „Kind“ Personen unter achtzehn Jahren.

Artikel 4
Geltungsbereich

Dieses Protokoll findet, soweit darin nichts anderes bestimmt ist, Anwendung auf die Verhütung, Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung der in Übereinstimmung mit Artikel 5 umschrie­benen Straftaten, wenn diese Straftaten grenzüberschreitender Natur sind und eine organisierte kriminelle Gruppe daran mitwirkt, sowie auf den Schutz der Opfer solcher Straftaten.

Artikel 5
Kriminalisierung

  • Jeder Vertragsstaat trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um die in Artikel 3 genannten Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, als Straftaten zu umschreiben.
  • Jeder Vertragsstaat trifft ferner die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maß­nahmen, um folgende Handlungen als Straftaten zu umschreiben:
  1. vorbehaltlich der Grundzüge seiner Rechtsordnung den Versuch, eine in Überein­stimmung mit Absatz 1 umschriebene Straftat zu begehen;
  2. die Beteiligung als Mittäter oder Gehilfe an einer in Übereinstimmung mit Ab­satz 1 umschriebenen Straftat und
  3. die Organisation der Begehung einer in Übereinstimmung mit Absatz 1 um­schriebenen Straftat oder die Anleitung anderer zu ihrer Begehung.
  4. Schutz der Opfer des Menschenhandels

Artikel 6

Hilfe und Schutz für die Opfer des Menschenhandels

  • In geeigneten Fällen und soweit dies nach seinem innerstaatlichen Recht möglich ist, schützt jeder Vertragsstaat die Privatsphäre und die Identität der Opfer des Menschenhandels, namentlich indem er, unter anderem, bestimmt, dass Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Menschenhandel nicht öffentlich sind.
  • Jeder Vertragsstaat stellt sicher, dass seine innerstaatliche Rechts- oder Verwaltungsord­nung Maßnahmen vorsieht, durch die den Opfern des Menschenhandels in geeigneten Fällen
  1. Informationen über die maßgeblichen Gerichts- und Verwaltungsverfahren gege­ben werden;
  2. Hilfe gewährt wird, damit ihre Auffassungen und Anliegen in geeigneten Ab­schnitten des Strafverfahrens gegen die Täter auf eine Weise, welche die Rechte der Verteidigung nicht beeinträchtigt, vorgetragen und behandelt werden können.
  • Jeder Vertragsstaat erwägt die Durchführung von Maßnahmen, welche die körperliche, seelische und soziale Gesundung der Opfer des Menschenhandels ermöglichen, in geeigneten Fällen auch in Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen, anderen in Betracht kom­menden Organisationen und sonstigen Teilen der Zivilgesellschaft, und insbesondere die Bereit­stellung von
  1. angemessener Unterkunft;
  2. Beratung und Information für die Opfer des Menschenhandels, insbesondere über die ihnen zustehenden Rechte, in einer für sie verständlichen Sprache;
  3. medizinischer, psychologischer und materieller Hilfe sowie
  4. Beschäftigungs-, Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten.
  • Jeder Vertragsstaat berücksichtigt bei der Anwendung dieses Artikels das Alter, das Ge­schlecht und die besonderen Bedürfnisse der Opfer des Menschenhandels, vor allem die beson­deren Bedürfnisse von Kindern, namentlich was angemessene Unterkunft, Bildung und Betreu­ung angeht.
  • Jeder Vertragsstaat ist bestrebt, für die körperliche Sicherheit der Opfer des Menschen­handels zu sorgen, solange sich diese in seinem Hoheitsgebiet aufhalten.
  • Jeder Vertragsstaat stellt sicher, dass seine innerstaatliche Rechtsordnung Maßnahmen vorsieht, die es den Opfern des Menschenhandels ermöglichen, Entschädigung für den erlittenen Schaden zu erlangen.

Artikel 7

Rechtsstellung der Opfer des Menschenhandels in den Aufnahmestaaten

  • Zusätzlich zu den Maßnahmen nach Artikel 6 erwägt jeder Vertragsstaat, gesetzgeberische oder andere geeignete Maßnahmen zu treffen, die es den Opfern des Menschenhandels gestatten, in geeigneten Fällen vorübergehend oder auf Dauer in seinem Hoheitsgebiet zu bleiben.
  • Bei der Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigt jeder Vertragsstaat in angemessener Weise humanitäre und persönliche Faktoren.

Artikel 8

Rückführung der Opfer des Menschenhandels

  • Der Vertragsstaat, dessen Staatsangehöriger ein Opfer des Menschenhandels ist oder in dem die betreffende Person zum Zeitpunkt ihrer Einreise in das Hoheitsgebiet des aufnehmenden Vertragsstaats ein Recht auf ständigen Aufenthalt besaß, erleichtert und akzeptiert die Rückkehr dieser Person unter gebührender Berücksichtigung ihrer Sicherheit und ohne ungebührliche oder unangemessene Verzögerung.
  • Führt ein Vertragsstaat ein Opfer des Menschenhandels in einen Vertragsstaat zurück, des­sen Staatsangehörige die betreffende Person ist oder in dem sie zum Zeitpunkt ihrer Einreise in das Hoheitsgebiet des aufnehmenden Vertragsstaats ein Recht auf ständigen Aufenthalt besaß, so erfolgt die Rückführung unter gebührender Berücksichtigung der Sicherheit dieser Person und des Standes jeglichen Gerichtsverfahrens im Zusammenhang damit, dass die Person ein Opfer des Menschenhandels ist; die Rückführung erfolgt vorzugsweise freiwillig.
  • Auf Ersuchen eines aufnehmenden Vertragsstaats prüft ein ersuchter Vertragsstaat ohne ungebührliche oder unangemessene Verzögerung, ob eine Person, die ein Opfer des Menschen­handels ist, seine Staatsangehörige ist oder zum Zeitpunkt ihrer Einreise in das Hoheitsgebiet des aufnehmenden Vertragsstaats ein Recht auf ständigen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet besaß.
  • Um die Rückführung eines Opfers des Menschenhandels, das über keine ordnungsgemä­ßen Ausweispapiere verfügt, zu erleichtern, erklärt sich der Vertragsstaat, dessen Staatsangehö­rige die betreffende Person ist oder in dem sie zum Zeitpunkt ihrer Einreise in das Hoheitsgebiet des aufnehmenden Vertragsstaats ein Recht auf ständigen Aufenthalt besaß, damit einverstanden, auf Ersuchen des aufnehmenden Vertragsstaats die erforderlichen Reisedokumente oder sonstigen Genehmigungen auszustellen, damit die Person zu seinem Hoheitsgebiet reisen und in dieses wieder einreisen kann.
  • Dieser Artikel lässt die durch das innerstaatliche Recht des aufnehmenden Vertragsstaats gewährten Rechte der Opfer des Menschenhandels unberührt.
  • Dieser Artikel lässt die anwendbaren zwei- oder mehrseitigen Übereinkünfte, welche die Rückführung der Opfer des Menschenhandels ganz oder teilweise regeln, unberührt.
  • Verhütung, Zusammenarbeit und sonstige Maßnahmen

Artikel 9

Verhütung des Menschenhandels

  • Die Vertragsstaaten legen umfassende politische Konzepte, Programme und andere Maß­nahmen fest,
  1. um den Menschenhandel zu verhüten und zu bekämpfen und
  2. um die Opfer des Menschenhandels, insbesondere Frauen und Kinder, davor zu schützen, dass sie erneut zu Opfern werden.
  • Die Vertragsstaaten sind bestrebt, Maßnahmen wie Forschung, Informations- und breit angelegte Medienkampagnen sowie soziale und wirtschaftliche Initiativen zu ergreifen, um den Menschenhandel zu verhüten und zu bekämpfen.
  • Die in Übereinstimmung mit diesem Artikel festgelegten politischen Konzepte, Pro­gramme und anderen Maßnahmen umfassen gegebenenfalls die Zusammenarbeit mit nichtstaatli­chen Organisationen, anderen in Betracht kommenden Organisationen und sonstigen Teilen der Zivilgesellschaft.
  • Die Vertragsstaaten treffen oder verstärken Maßnahmen, so auch durch zwei- oder mehr­seitige Zusammenarbeit, um die Ursachen dafür zu verringern, dass Menschen, insbesondere Frauen und Kinder, leicht Opfer des Menschenhandels werden, wie etwa Armut, Unterentwick­lung und fehlende Chancengleichheit.
  • Die Vertragsstaaten treffen oder verstärken gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen, wie etwa erzieherische, soziale oder kulturelle Maßnahmen, so auch durch zwei- und mehrseitige Zusammenarbeit, um der Nachfrage entgegenzuwirken, die alle Formen der zum Menschenhan­del führenden Ausbeutung von Personen, insbesondere von Frauen und Kindern, begünstigt.

Artikel 10

Informationsaustausch und Ausbildung

  • Die Strafverfolgungs-, Einwanderungs- oder sonstigen zuständigen Behörden der Ver­tragsstaaten arbeiten gegebenenfalls miteinander zusammen, indem sie in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht Informationen austauschen, um feststellen zu können,
  1. ob Personen, die mit Reisedokumenten, die einer anderen Person gehören, oder ohne Reisedokumente eine internationale Grenze überschreiten oder zu über­schreiten versuchen, Täter oder Opfer des Menschenhandels sind;
  2. welche Art von Reisedokumenten Personen zum Überschreiten einer internatio­nalen Grenze zum Zweck des Menschenhandels benutzt oder zu benutzen versucht haben;
  3. welche Mittel und Methoden organisierte kriminelle Gruppen beim Menschen­handel anwenden, einschließlich der Anwerbung und Beförderung der Opfer, der benutzten Wege und der Verbindungen zwischen Einzelpersonen und Gruppen, die einen solchen Handel betreiben, und welche Maßnahmen zu ihrer Aufdeckung ge­troffen werden können.
  • Die Vertragsstaaten gewährleisten oder verstärken die Ausbildung für die Bediensteten der Strafverfolgungs-, Einwanderungs- und sonstigen zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Verhütung des Menschenhandels. Diese Ausbildung soll sich auf die Methoden zur Verhütung des Menschenhandels, zur Strafverfolgung der Menschenhändler und zum Schutz der Rechte der Opfer konzentrieren, namentlich den Schutz der Opfer vor den Menschenhändlern. Die Ausbil­dung soll außerdem die erforderliche Einbeziehung menschenrechtlicher sowie kinder- und ge­schlechterspezifischer Fragen berücksichtigen und die Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Or­ganisationen, anderen in Betracht kommenden Organisationen und sonstigen Teilen der Zivilge­sellschaft fördern.
  • Ein Vertragsstaat, der Informationen erhält, kommt jedem Ersuchen des die Informationen übermittelnden Vertragsstaats nach, das ihren Gebrauch Einschränkungen unterwirft.

Artikel 11

Maßnahmen an den Grenzen

  • Unbeschadet der internationalen Verpflichtungen betreffend den freien Personenverkehr verstärken die Vertragsstaaten so weit wie möglich die Grenzkontrollen, die zur Verhütung und Aufdeckung des Menschenhandels erforderlich sind.
  • Jeder Vertragsstaat trifft gesetzgeberische oder andere geeignete Maßnahmen, um so weit wie möglich zu verhindern, dass die von gewerblichen Beförderungsunternehmern betriebenen Beförderungsmittel für die Begehung von in Übereinstimmung mit Artikel 5 umschriebenen Straftaten benutzt werden.
  • Gegebenenfalls und unbeschadet der anwendbaren internationalen Übereinkünfte gehört zu diesen Maßnahmen auch die Verpflichtung gewerblicher Beförderungsunternehmer, ein­schließlich Beförderungsunternehmen und Besitzer oder Betreiber aller Arten von Beförde­rungsmitteln, sich dessen zu vergewissern, dass alle beförderten Personen im Besitz der für die Einreise in den Aufnahmestaat erforderlichen Reisedokumente sind.
  • Jeder Vertragsstaat trifft in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht die erfor­derlichen Maßnahmen, um im Fall eines Verstoßes gegen die in Absatz 3 festgelegte Verpflich­tung Sanktionen vorzusehen.
  • Jeder Vertragsstaat erwägt, Maßnahmen zu treffen, die es in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht gestatten, Personen, die an der Begehung von in Übereinstimmung mit diesem Protokoll umschriebenen Straftaten beteiligt sind, die Einreise zu verweigern oder ihre Visa für ungültig zu erklären.
  • Unbeschadet des Artikels 27 des Übereinkommens erwägen die Vertragsstaaten, die Zu­sammenarbeit zwischen ihren Grenzkontrollbehörden zu verstärken, indem sie unter anderem di­rekte Nachrichtenverbindungen einrichten und aufrechterhalten.

Artikel 12

Sicherheit und Kontrolle von Dokumenten

Jeder Vertragsstaat trifft im Rahmen der verfügbaren Mittel die erforderlichen Maßnahmen,

  1. um sicherzustellen, dass die Qualität der von ihm ausgestellten Reise- oder Identitätsdo­kumente so beschaffen ist, dass sie nicht leicht missbraucht und nicht ohne weiteres ge­fälscht oder auf rechtswidrige Weise verändert, vervielfältigt oder ausgestellt werden kön­nen, und
  2. um die Unversehrtheit und Sicherheit der Reise- oder Identitätsdokumente zu gewähr­leisten, die von dem Vertragsstaat oder in seinem Namen ausgestellt wurden, und ihre rechtswidrige Herstellung, Ausstellung und Verwendung zu verhindern.

Artikel 13

Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Dokumenten

Auf Ersuchen eines anderen Vertragsstaats überprüft ein Vertragsstaat in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht innerhalb eines angemessenen Zeitraums die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Reise- oder Identitätsdokumenten, die tatsächlich oder angeblich in seinem Na­men ausgestellt wurden und die mutmaßlich für den Menschenhandel benutzt werden.

  1. Schlussbestimmungen

Artikel 14
Vorbehaltsklausel

  • Dieses Protokoll berührt nicht die Rechte, Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten von Staaten und Einzelpersonen nach dem Völkerrecht, namentlich dem humanitären Völkerrecht und dem Völkerrecht auf dem Gebiet der Menschenrechte und insbesondere, soweit anwendbar, dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und dem darin verankerten Grundsatz der Nichtzurückweisung.
  • Die in diesem Protokoll genannten Maßnahmen sind so auszulegen und anzuwenden, dass Personen nicht auf Grund dessen, dass sie Opfer des Menschenhandels sind, diskriminiert wer­den. Die Auslegung und Anwendung dieser Maßnahmen muss mit den international anerkannten Grundsätzen der Nichtdiskriminierung im Einklang stehen.

Artikel 15

Beilegung von Streitigkeiten

  • Die Vertragsstaaten bemühen sich, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung dieses Protokolls durch Verhandlungen beizulegen.
  • Jede Streitigkeit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder An­wendung dieses Protokolls, die nicht innerhalb einer angemessenen Frist durch Verhandlungen beigelegt werden kann, wird auf Verlangen eines dieser Vertragsstaaten einem Schiedsverfahren unterworfen. Können sich die Vertragsstaaten binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiedsverfahren verlangt worden ist, über seine Ausgestaltung nicht einigen, so kann jeder dieser Vertragsstaaten die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof unterbreiten, indem er ei­nen seinem Statut entsprechenden Antrag stellt.
  • Jeder Vertragsstaat kann bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmi­gung dieses Protokolls oder dem Beitritt zu diesem erklären, dass er sich durch Absatz 2 nicht als gebunden betrachtet. Die anderen Vertragsstaaten sind gegenüber einem Vertragsstaat, der einen solchen Vorbehalt angebracht hat, durch Absatz 2 nicht gebunden.
  • Ein Vertragsstaat, der einen Vorbehalt nach Absatz 3 angebracht hat, kann diesen Vorbe­halt jederzeit durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete Notifikation zurückziehen.

Artikel 16

Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt

  • Dieses Protokoll liegt für alle Staaten vom 12. bis 15. Dezember 2000 in Palermo (Italien) und danach bis zum 12. Dezember 2002 am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung auf.
  • Dieses Protokoll liegt auch für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration zur Unterzeichnung auf, sofern mindestens ein Mitgliedstaat der betreffenden Organisation dieses Protokoll nach Absatz 1 unterzeichnet hat.
  • Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifika- tions-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Na­tionen hinterlegt. Eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration kann ihre Ratifika- tions-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegen, wenn dies mindestens einer ihrer Mitgliedstaaten getan hat. In dieser Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde erklärt die Organisation den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Protokoll er­fassten Angelegenheiten. Die Organisation teilt dem Verwahrer1 auch jede maßgebliche Ände­rung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.
  • Dieses Protokoll steht jedem Staat und jeder Organisation der regionalen Wirtschafts­integration, von der mindestens ein Mitgliedstaat Vertragspartei dieses Protokolls ist, zum Beitritt offen. Die Beitrittsurkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Bei ihrem Beitritt erklärt eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Protokoll erfassten Angelegenheiten. Die Organi­sation teilt dem Verwahrer auch jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.

Artikel 17
Inkrafttreten

  • Dieses Protokoll tritt am neunzigsten Tag nach Hinterlegung der vierzigsten Ratifika- tions-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft, jedoch nicht vor Inkrafttreten des Übereinkommens. Für die Zwecke dieses Absatzes zählt eine von einer Organisation der re­gionalen Wirtschaftsintegration hinterlegte Urkunde nicht als zusätzliche Urkunde zu den von den Mitgliedstaaten der betreffenden Organisation hinterlegten Urkunden.
  • Für jeden Staat und jede Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, der bezie­hungsweise die dieses Protokoll nach Hinterlegung der vierzigsten entsprechenden Urkunde rati­fiziert, annimmt, genehmigt oder ihm beitritt, tritt das Protokoll am dreißigsten Tag nach Hinter­legung der entsprechenden Urkunde durch diesen Staat beziehungsweise diese Organisation oder zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach Absatz 1 in Kraft, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist.

Artikel 18
Änderung

  • Nach Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Protokolls kann ein Vertragsstaat des Protokolls eine Änderung vorschlagen und sie beim Generalsekretär der Vereinten Nationen einreichen; dieser leitet die vorgeschlagene Änderung den Vertragsstaaten und der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens zu, damit diese den Vorschlag prüfen und darüber be­schließen können. Die Vertragsstaaten dieses Protokolls, die in der Konferenz der Vertragspar­teien zusammentreten, bemühen sich nach Kräften um eine Einigung durch Konsens über jede Änderung. Sind alle Bemühungen um einen Konsens erschöpft und wird keine Einigung erzielt, so ist als letztes Mittel eine Zweidrittelmehrheit der auf der Sitzung der Konferenz der Vertrags­parteien anwesenden und abstimmenden Vertragsstaaten dieses Protokolls erforderlich, um die Änderung zu beschließen.
  • Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration üben in Angelegenheiten ihrer Zu­ständigkeit ihr Stimmrecht nach diesem Artikel mit der Anzahl von Stimmen aus, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, die Vertragsparteien dieses Protokolls sind. Diese Organisatio­nen üben ihr Stimmrecht nicht aus, wenn ihre Mitgliedstaaten ihr Stimmrecht ausüben, und um­gekehrt.
  • Eine nach Absatz 1 beschlossene Änderung bedarf der Ratifikation, Annahme oder Ge­nehmigung durch die Vertragsstaaten.
  • Eine nach Absatz 1 beschlossene Änderung tritt für einen Vertragsstaat neunzig Tage nach der Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde zu der Ände­rung beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft.
  • Tritt eine Änderung in Kraft, so ist sie für diejenigen Vertragsstaaten, die ihre Zustim­mung ausgedrückt haben, durch sie gebunden zu sein, bindend. Die anderen Vertragsstaaten sind weiter durch dieses Protokoll und alle früher von ihnen ratifizierten, angenommenen oder ge­nehmigten Änderungen gebunden.

Artikel 19 Kündigung

  • Ein Vertragsstaat kann dieses Protokoll durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete schriftliche Notifikation kündigen. Die Kündigung wird ein Jahr nach Ein­gang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.
  • Eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hört auf, Vertragspartei dieses Protokolls zu sein, wenn alle ihre Mitgliedstaaten es gekündigt haben.

Artikel 20

Verwahrer und Sprachen

(1) Der Generalsekretär der Vereinten Nationen wird zum Verwahrer dieses Protokolls be­stimmt.

(2) Die Urschrift2 dieses Protokolls, dessen arabischer, chinesischer, englischer, französi­scher, russischer und spanischer Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, wird beim General­sekretär der Vereinten Nationen hinterlegt.

Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten, von ihren Regierungen hierzu gehörig befugten Bevollmächtigten dieses Protokoll unterschrieben.

***

Link zum Abkommen auf Englisch.

Forschung zum Palermo Protokoll:

Bhabha, Jacqueline and Monette Zard.  2006.  “Smuggled or Trafficked?”  Forced Migration Review, no. 25 (May): 6-8.  URL: https://www.fmreview.org/peopletrafficking/bhabha-zard

Goździak, Elżbieta M., und Kathleen M. Vogel. 2020. „Palermo at 20: A Retrospective and Prospective“. Journal of Human Trafficking 6 (2): 109–18. https://doi.org/10.1080/23322705.2020.1690117.
Sonderheft des anti-trafficking revie (2015): No. 4 (2015): Fifteen Years of the UN Trafficking Protocol (frei zugänglich): https://www.antitraffickingreview.org/index.php/atrjournal/issue/view/12

Bloggen auf WordPress.com.