Autor: T. Hanke
Im Dezember 2013 veröffentlichten Jason Zsep und Andrew A.C. Marshall von der Nachrichtenagentur Reuters eine Reportage über den Menschenhandel in Thailand, in dem auch Behörden involviert seien. Thailändische Behörden entledigen sich demnach muslimischer Rohingya Flüchtlinge aus Myanmar, indem sie diese an Menschenhändlerringe übergeben bzw. „verkaufen“. Außerdem toleriert Thailand die Existenz geheimer Dschungellager, in denen die verschleppten Menschen zur Erpressung von Lösegeldzahlungen gefangen gehalten, bzw. aus denen heraus sie in die Sklaverei, etwa an Reedereien oder landwirtschaftliche Betriebe, verkauft werden.
Warum fliehen die Rohingya aus Myanmar?
Die Rohingya, die in Myanmar überwiegend im Westen des Landes südlich der Grenze zu Bangladesh leben, gelten nach gegenwärtiger Rechtslage nicht als myanmarische Staatsbürger, sondern sie werden von den myanmarischen Behörden als staatenlose „illegale“ Emigranten aus Bangladesh betrachtet. Aufgrund ihres muslimischen Hintergrundes wurden Rohingya in Myanmar in der Vergangenheit wiederholt Opfer gewalttätiger Repressionen durch die buddhistische Bevölkerungsmehrheit, so etwa im Jahr 2012, als zwei gewalttätige Ausbrüche im Rhakine-Staat zu mindestens 192 toten Ronhingya und mehr als 140000 Heimatvertriebenen führten. Diese Verfolgung, die sich nicht nur aus direkter physischer Gewalterfahrung, sondern auch aus der Konzentrierung vieler Betroffener in desolaten Camps und Ghettos ohne ausreichenden Zugang zu Gesundheitsversorgung, Schulen oder Arbeitsstellen ergibt, führte unter den myanmarischen Rohingya in den vergangenen Jahren zu Flüchtlingsbewegungen, die insbesondere das überwiegend muslimische Malaysia zum Ziel hatten.
Zehntausende von Rohingya versuchten seitdem, den Golf von Bengalen auf überfüllten Fischerbooten und Frachtschiffen zu überqueren – in einem Exodus, der nach Angaben von Szep und Marshall zu einer der größten Bewegungen von Bootsflüchtlingen seit dem Ende des Vietnam-Krieges gehört, und von dem Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen betroffen sind. Thailand ist aufgrund seiner Küstenlinie am Golf von Bengalen und seiner gemeinsamen Grenzen mit Myanmar und Malaysia Transitland für die myanmarischen Flüchtlinge. Es betrachtet die Rohingya jedoch ebenfalls als „illegale“ Immigranten und strebte zunächst die Abschiebung internierter Flüchtlinge nach Myanmar an. Entsprechende Verhandlungen zwischen thailändischen und myanmarischen Behörden blieben ergebnislos, da Myanmar einerseits die Rohingya nicht als myanmarische Staatsbürger anerkennt und insofern keinen Handlungsbedarf sieht. Andererseits setzt sich Thailand aus wirtschaftspolitischen Erwägungen gegenüber Myanmar nicht zugunsten einer Verbesserung der Lebensumstände der Rohingya ein.
Inhaftierung von Flüchtlingen in Thailand
Die Rohingya sind ein ‚verlorenes Volk ohne Lobby‘, so sinngemäß die Worte von Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Thailand inhaftierte aufgegriffene Flüchtlinge zunächst unter menschenverachtenden Bedingungen in überfüllten ‚Immigration Detention Centres‘ (IDC) – etwa in Sadao, wo 300 Rohingya in ein für wenige Dutzend Personen ausgelegtes Lager gepfercht wurden, wo viele von ihnen wegen Unterernährung starben, oder in Phang Nga, wo die monatelange Inhaftierung bei einigen der Inhaftierten zu Muskelschwund führte. In den überfüllten Zellen gab es kaum Bewegungsmöglichkeiten. Nach Angaben des International Security Operations Command, einer Unterorganisation des thailändischen Militärs, befanden sich Anfang Oktober 2012 insgesamt 2058 Rohingya in 14 über Thailand verteilten Immigration Detention Centres. Vier Wochen später hatte sich die Anzahl der inhaftierten Rohingya auf ca. 600 Personen reduziert, und in der ersten Dezemberwoche waren nach Auskunft der thailändischen Einwanderungsbehörden nicht mehr als 154 Rohingya offiziell registriert.
Recherchen des Arakan Projects, einer in Thailand ansässigen Interessenvertretung der Rohingya, haben nachgewiesen, daß die in Thailand internierten Rohingya nicht nach Myanmar zurückgeführt wurden, wie offiziell von Thailand angestrebt, sondern in die Hände von Menschenhändlern gerieten. Diese gaben ihre Opfer erst nach Zahlung von Lösegeldern durch Angehörige frei, bzw., wenn keine Zahlungen geleistet werden konnten, verkauften sie ihre Gefangenen für Beträge zwischen umgerechnet $150 und $1550 an Reedereien oder Farmen . Bislang bestreitet Thailand offiziell die Zusammenarbeit mit Menschenhändlerringen um die Flüchtlingszahlen zu reduzieren. Einzelne Behördenvertreter, wie z.B. Chatchawal Suksomjit, der Deputy Commissioner General der Royal Thai Police, hat jedoch nicht nur bestätigt, daß Rohingya in der Vergangenheit in verdeckten Aktionen von thailändischen Behörden an Menschenhändlerringe verkauft wurden, sondern auch, daß sich im südlichen Thailand sogenannte Holding Bays befinden – Gefangenenlager, die von Menschenhändlern zur Inhaftierung ihrer Opfer genutzt werden, und in denen es unter den Rohingya wiederholt zu Mißhandlungen und Todesfällen aufgrund von Mord, Dehydrierung und Krankheiten gekommen ist.
Thailand gehört aktuell somit zu den Ländern, in denen Menschenschmuggel und Menschenhandel nicht bekämpft, sondern, in einer halboffiziellen Politik, aktiv betrieben wird. Das Land wird vom U.S. State Department im jährlich erscheinenden Trafficking in Persons Report seit vier Jahren auf der sogenannten Tier 2 Watch List geführt. Sollte es von Seiten Thailands nicht zu signifikanten Anstrengungen zur Eliminierung von Menschenschmuggel kommen, wird das Land im kommenden TIP-Report automatisch auf Tier 3 zurückgestuft, es würde somit in einer Reihe mit Staaten wie Nord Korea, der Zentralafrikanischen Republik oder dem Iran stehen.
Quelle: Jason Szep und Andrew A.C. Marshall, ‘Special Report: Thailand secretly supplies Myanmar refugees to trafficking rings’, Reuters, 4.12.2013