Laut einem neuen Amnesty Bericht sind im vergangenen Jahr über 100 Menschen auf dem Weg nach Griechenland ertrunken. Die EU sei mitverantwortlich.
BERLIN/ATHEN, 09.07.2013 – Die griechische Küstenwache macht Flüchtlingsboote manövrierunfähig und schiebt sie in türkische Gewässer zurück. Sie setzt damit das Leben von Männern, Frauen und Kindern aus Ländern wie Syrien und Afghanistan aufs Spiel, das stellt ein heute vorgestellter Amnesty-Bericht fest. Über 100 Menschen sind seit August 2012 ertrunken als sie versuchten, Griechenland zu erreichen.
„Die Geschichten hinter diesen sogenannten ‚Push-backs‘ sind schockierend“, sagt Franziska Vilmar, Asylexpertin von Amnesty International in Deutschland. „Unsere Recherchen zeigen, dass die griechische Küstenwache internationales Recht schamlos ignoriert, Boote manövrierunfähig macht und in türkische Gewässer zurückdrängt. Dadurch verhindert sie, dass Flüchtlinge Asyl beantragen können und setzt Menschenleben aufs Spiel.“
Amnesty dokumentiert 39 Vorfälle, in denen Menschen beim Versuch, die Ägäis oder den Fluss Evros zu überqueren, in türkische Gewässer zurückgedrängt wurden. Ein Beispiel ist der Fall eines 17-jährigen Afghanen. Er versuchte, gemeinsam mit seinen jüngeren Geschwistern mit einem Boot von der Türkei nach Griechenland zu fahren. Die Küstenwache entdeckte das Boot und schlug die Insassen. Anschließend montierten die Beamten den Motor ab und ließen die 42 Insassen, darunter Kinder, hilflos im offenen Meer treiben. Schließlich wurden sie von der türkischen Küstenwache festgenommen.
Darüber hinaus stellt der Bericht fest, dass auch Asylsuchende, die schon seit Jahren in Griechenland sind, von kollektiven Ausweisungen betroffen sind. „Menschen werden willkürlich auf der Straße aufgegriffen und, wenn sie sich nicht ausweisen können, zur Grenze gefahren und dort ausgesetzt“, sagt Vilmar.
„Die EU-Staaten scheinen ganz froh darüber zu sein, dass die Griechen die Drecksarbeit für sie machen. Sie stellen sich blind für die Methoden, die Griechenland anwendet, um die Grenzen gegen Flüchtlinge und Migranten abzuschotten. Statt wegzusehen, muss die Europäische Union Maßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen an ihren Toren zu stoppen“, fordert Vilmar. „Wir rufen die EU dazu auf, Griechenland bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu unterstützen, statt die Grenzen noch mehr abzuriegeln.“
Außer den „Push-Backs“ und kollektiven Ausweisungen kritisiert Amnesty die lange Inhaftierung von Asylsuchende und Migranten. „Asylsuchende, die nichts getan haben, als Schutz in der EU zu suchen, werden über Monate und zum Teil Jahre in Haft gehalten, darunter auch Kinder. Oft herrschen in den Hafteinrichtungen unmenschliche Bedingungen.“
Vom 13. bis zum 20. Juli 2013 nimmt eine Gruppe von etwa 50 Amnesty-Aktivisten aus der ganzen Welt auf der griechischen Insel Lesbos am 2. Internationalen Menschenrechts-Camp teil.
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Anmerkung der Redaktion:
Flüchtlinge und Asylbewerber_innen sind weder Menschenhändler noch Opfer von Menschenhandel, obwohl die Medien inzwischen beide Themen ungerechtfertigt vermischen.
Dort wo Flüchtlingen die legalen Wege zu einem Asylgesuch genommen werden (wie aktuell an den europäischen Außengrenzen), müssen diese auf Fluchthelfer und „Schleuser“ zurückgreifen, um ihr Menschenrecht auf Flucht zu realisieren. Dadurch werden sie auch für Ausbeutung und Menschenhandel verletztlich.
Abschiebehaft ist eine staatliche Maßnahme, die wir ablehnen, insbesondere wenn es sich um potentiell schwer traumatisierte Flüchtlinge handelt, darunter sich oft auch Minderjährige befinden. Sie entspricht unserer Ansicht nacht einem illegitimen (wenngleich legalen) Freiheitsentzug, der aus unserer Sicht mit einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik inkompatibel ist. Aus diesem Grund veröffentlichen wir auf „menschenhandel heute“ auch zum Thema Flucht in der Kategorie „Seitenblicke“.