Derzeit leben rund 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland; 20 Prozent von ihnen sind in Deutschland geboren, 48 Prozent haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Doch trotz der wichtigen Einsicht, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, lassen mit besorgniserregender Selbstverständlichkeit Jung und Alt im Osten sowie im Westen ihrem fremdenfeindlichen Gedankengut freien Lauf. Diese Ablehnung von Fremden und ZuwanderInnen kennt viele Gesichter. Da gibt es subtile Formen der Diskriminierung und Vorurteile (z.B. gegenüber von Menschenhandel betroffene Personen), aber auch fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten und rassistische Übergriffe, wie z.B. die progromartigen Ausschreitungen gegen AsylbewerberInnen in Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda sowie die aktuelle Neonazi-Mordserie an türkisch- und griechischstämmigen KleinunternehmerInnen. Aber sind solche Vorfälle die Spitze eines Eisberges oder etwa „nur“ Ausnahmefälle?
Vor dem Hintergrund, dass die Kluft zwischen Arm und Reich beständig wächst, gewinnt eine Tendenz, die sich seit einigen Jahren abzeichnet, in Deutschland zusätzliche Dramatik. So zeigt die zehnjährige Studie „Deutsche Zustände“[1] des Sozialforschers Wilhelm Heitmeyer, dass das Ausmaß an Fremdenfeindlichkeit gegenüber MigrantInnen kontinuierlich zunahm. Fast die Hälfte (47,1 Prozent) der Befragten im Mai und Juni des letzten Jahres (2011) waren der Meinung, dass in Deutschland „zu viele Ausländer“ lebten. Ein Drittel der Befragten ging sogar von „natürlichen Unterschieden“ zwischen weißen und schwarzen Menschen aus.
Darüber hinaus stellt Heitmeyer in seiner Studie fest, dass die Weltwirtschaftskrise 2008 erhebliche Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die soziale Integration hat(te). Die Krise habe zu einer Verstärkung alltagsrassistischer bzw. fremdenfeindlicher Denkmuster innerhalb der deutschen Gesellschaft geführt. Dies ist zurückzuführen auf eine allgemein verstärkte Abwertung schwacher Gruppen in Krisenzeiten, in denen sich breite Teile der Bevölkerung stärker bedroht fühlen. Menschen tendierten dazu, bei grundlegenden sozialen Veränderungen, wie etwa Finanzkrisen oder Massenarbeitslosigkeit, Sündenböcke zu kreieren, um solche Veränderungen „verständlich“ zu machen. Denn wer sich und seinen Status bedroht fühle, der ist eher dazu geneigt, andere Menschengruppen abzuwerten. Besonders Minderheiten gelten in diesem Zusammenhang als Konkurrenten um wichtige Ressourcen, wie z.B. Arbeitsplätze oder Unterstützung durch den Staat. Solch eine Minderheit stellen beispielsweise die in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund dar.
Deshalb ist es wichtig, so wie der UN-Sonderberichterstatter zu Rassismus, Githu Muigai, in seinem letzten Bericht nach einem Besuch in Deutschland forderte, vermehrt gegen Rassismus im Alltag anzugehen. Politik und Bevölkerung müssen ein breiteres Verständnis von Rassismus entwickeln und ihn nicht mit Rechtsextremismus gleichsetzen. Denn auch vermeintlich allgegenwärtige, oft benutzte Terminologien wie „eine farbige Frau“, „der Türke“ oder „die Illegale“ fallen unter subtile Fremdenfeindlichkeit bzw. latenten Rassismus, obwohl in der Öffentlichkeit vielfältig benutzt.
Dass Phänomene wie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu größeren Problematiken führen wie die Förderung und Legitimierung von Menschenhandel oder schwere gesundheitliche/traumatische Folgen für MigrantInnen haben wird oftmals verschwiegen oder kleingeredet. Auch hier müssen Studien dazu ernst genommen werden und solche Themen auf die politische Tagesordnung gebracht werden.
Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung könnten hier Aktionen sein, wie z.B. die Ernennung des Wortes „Döner-Morde“ zum Unwort des Jahres 2011, wegen seiner verharmlosenden Wirkung.
[1] Forschungsprojekt, welches Vorurteile gegenüber verschiedenen Bevölkerungsgruppen über zehn Jahre hinweg untersucht hat. Dabei geht es um das Ausmaß und die Kontexte „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“.
Heute ist ein interessanter Artikel in der taz über Wilhelm Heitmeyer erschienen: http://www.taz.de/!88520/
Hier ein interessanter Artikel, der auch auf den Zusammenhang zwischen Rassisus und Menschenhandel eingeht. http://www.tagesspiegel.de/meinung/portraet-rassismus-ist-ein-trauma/6246496.html
Dass in Krisenzeiten die Suche nach dem Sündenbock ganz groß ist, ist ja im Grunde nichts Neues (denke man nur an Deutschlands allergrößten Schandfleck der Geschichte). Warum versuchen selber was zu ändern, bzw. Veränderungen durchführen, die der Bequemlichkeit im Weg stehen, wenn ich ganz leicht den Finger auf andere zeigen kann, um mich leichtfertig als Opfer darzustellen? Die wichtigste Frage, die sich, meiner Meinung nach, ergibt ist: Was können beide Seiten (Deutsche sowie Migranten) tun, um Integration erfolgreich(er) zu gestalten? Es muss ja wohl eindeutig von beiden Seiten etwas getan werden, um diese ständigen und omnipräsenten (negativen) Hervorhebungen von vermeintlichen (nationalen, ethnischen) Unterschieden vorzubeugen und zu vermeiden.
Auf dieser Seite wird abgestimmt und diskutiert, welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration erfüllt sein sollten (von beiden Seiten)
http://www.pollphin.de/poll/Politik-Wirtschaft-Soziales-Sozialsystem/Welche-Voraussetzungen-f%C3%BCr-die-Integration-von-Migranten-in-Deutschland-ist-Ihrer-Meinung-nach-am-4359055.
Vielleicht bringt der ein oder andere ja auch gute Vorschläge oder Erfahrungen mit die Integration in Deutschland positiv zu gestalten und voranzubringen!