Chain Gangs und Prison Farms: Systematische Ausbeutung der Arbeitskraft von Ex-Sklaven in Südstaatengefängnissen

Die Fotografie zeigt eine "chain gang" an einer Eisenbahntrasse in North Carolina. Sie wurde zwischen 1890 und 1892 von Thomas S. Lindsey für die fotografische Serie "Stripes but no Stars" aufgenommen.

Wer kennt nicht die Bilder von Strafgefangenen in gestreifter Gefängniskluft, die aneinander gekettet an Eisenbahntrassen oder auf Plantagen arbeiten? Doch wie kam es, dass nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg die Sklaverei zwar abgeschafft war, die Mehrheit der Häftlinge jedoch ehemalige Sklaven waren, die weiterhin wegen ihrer Arbeitskraft ausgebeutet wurden?

Eine Folge der Abschaffung der Sklaverei, der Abolition war es, dass ehemalige Sklaven erstmals dem amerikanischen Strafvollzugssystem unterworfen waren. Vor der Abolition konnten Sklavenbesitzer die vermeintlichen Vergehen von Sklaven direkt bestrafen und wurden dabei durch die sogenannten „slave codes“ geschützt. Das amerikanische Strafvollzugssystem betraf daher zuvor nur „Weiße“ und sollte in den folgenden Jahren der „Reconstruction Era“ und der darauffolgenden „Jim Crow Era“ einige Veränderungen durchlaufen.

Die Einführung der „Black Codes“ ermöglichte es, Afroamerikaner für Aktivitäten zu kriminalisieren, die für Weiße legal waren. Aus dem Herumstehen auf öffentlichen Plätzen wurde das Delikt des Herumlungerns und aus dem Wandern bei Nacht ein Übertreten der Ausgangssperre. Das Resultat war ein exponentieller Anstieg afroamerikanischer Inhaftierter. (Browne, Jaron. S. 79). Am 14. Juni 1868 saßen 203 schwarze und 85 weiße Männer, 9 schwarze Frauen und keine weißen im Louisiana State Penitentiary. (Carleton, Mark. S. 15). 1878 zählte man in Georgia von insgesamt 1239 Insassen 1122 Afroamerikaner. Über 95% der Insassen in den meisten Südstaatengefängnissen waren Afroamerikaner. (Adamson, Christopher. S. 565). Volle Gefängnisse entwickelten sich zu lukrativen Unternehmungen.

Die Gefängnisse in den Südstaaten waren im Krieg zum größten Teil zerstört worden. Die Staatskassen waren leer und ein Wiederaufbau finanziell nur schwer möglich. Bestehende Gefängnisse wurden an privatwirtschaftliche Unternehmen übergeben, um die Kosten für das Gefängnissystem zu senken. Durch ein Verleihsystem wurden Gefängnisinsassen an Privatunternehmen vermietet, um als billige Arbeitskräfte zu arbeiten. Es war die Regel, dass die Haftinsassen harte körperliche Arbeit verrichteten. 1880 nutzen alle Südstaaten, Nebraska und New Mexiko das Verleihsystem. (Carleton. S. 22). Durch dieses System kamen die Gefängnisinsassen selbst durch ihre Arbeit für die Kosten ihrer Haft auf.

Ehemalige Sklaven galten aufgrund ihrer Vergangenheit als besonders für die Farmarbeit geeignet, welche in der Zeit nach dem Bürgerkrieg große wirtschaftliche Bedeutung in den Südstaaten gewann. Neben privatwirtschaftlich geleiteten Gefängnissen wurden auch ehemalige Plantagen als „Penal Farms“ weitergeführt. (Carleton. S. 13f). Neben der Arbeit auf Baumwollplantagen und für Eisenbahnunternehmen, arbeiteten die Insassen in Minen, in Terpentinwäldern und in Fabriken. Die Möglichkeit einen Beruf zu erlernen und an Resozialisierung und Rehabilitierung der Insassen zu arbeiten, war durch das Verleihsystem quasi komplett ausgeschlossen. (Carleton. S. 13)

Durch das Strafvollzugssystem wurden – zumindest aus der Sicht der Südstaaten – gleich mehrere Probleme gelöst, die sich nach der Abolition ergaben. Zum einen wurden die nach der Abolition fehlenden Arbeitskräfte durch die Strafgefangenen ersetzt. Das Strafrecht und die Kriminalisierung der ehemaligen Sklaven ermöglichten die Mobilisierung billiger Arbeitskräfte. Niemand stellte sich zu dieser Zeit gegen die grausamen und inhumanen Bedingungen, die in den Sträflingslagern existierten; sowohl die Regierungen der Bundesstaaten als Vermieter als auch die Unternehmen als Mieter profitierten hiervon. Die ehemaligen Sklaven wurden als mögliche Problempopoulation, aber auch als wirtschaftliche Ressource identifiziert. Die Verleiharbeit von Sträflingen diente neben den wirtschaftlichen Gründen der Rassenkontrolle und dazu ehemalige Sklaven davon abzuhalten, den Status von Lohnarbeitern mit den dazugehörigen Rechten zu erlangen.

Literaturnachweise:

Browne , Jaron: Rooted in Slavery: Prison Labor exploitation. In: Race, Poverty & the Environment, Spring 2008. S. 78 – 80.

Carleton, Mark T. . Politics and Punishment: The History of the Louisiana State Penal System. Louisiana State University Press 1971.

Adamson, Christopher R. . Punishment after Slavery: Southern state Penal Systems, 1865 – 1890. In: Social Problems, Vol. 30, No. 5, June 1983. S. 555 – 569.

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