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SOLWODI-Gründerin: Sexarbeiter*innen als „Drecksarbeiter*innen“? Ein Kommentar

Am vergangenen Wochenende erschien in der Welt ein Interview mit der Ordensschwester und Gründerin der christlichen Beratungsstelle für Prostituierte SOLWODI Lea Ackermann. Der Titel des Artikels: „Prostitution ist Drecksarbeit, nicht Sexarbeit„.

Zuerst habe ich mir gedacht: „Na ja, das ist die übliche Anti-Prostitutions-Haltung. Daran sind wir gewohnt.“ Aber um so länger ich über diesen Satz nach dachte und nachdem ich gesehen habe, wie viele Leute auf Twitter und Facebook diesen Artikel geteilt haben, musste ich einsehen, dass dieser Artikel mehr ist als nur „Anti-Prostitution“.

Ich weiß nicht, was Frau Ackermann sich dabei gedacht hat oder was sie sich mit der Bezeichnung von Sexarbeit als „Drecksarbeit“ erhofft hat. Sicher ist: Sie hat mit ihren Worten eine alte Tradition aufgegriffen, in der Prostituierte mit Schmutz, Dreck und Krankheiten in Verbindung gebracht werden. Das ist eine Tradition des Ekels und der Abscheu.

Anders als die Überschrift der Welt suggeriert, sind es nicht die Frauenrechte, die Frau Ackermann dazu bringen, Prostituierte als „Drecksarbeiter*innen“ zu bezeichnen, sondern ein tief sitzendes Gefühl des Ekels gegenüber (in diesem Fall ausschließlich) Frauen, die Sex gegen Honorar anbieten.

Es mag ja sein, dass Frau Ackermann das alles gut meint. Aber es stellt sich mir schon die Frage, ob und wie die Sozialarbeiter*innen von SOLWODI ihre Arbeit ausüben und wie sie den Sexarbeiter*innen, die zu ihnen kommen, ja, auch den betroffenen von Menschenhandel gegenübertreten. Sagen sie dann auch: „Ach übrigens, das was Du bisher gemacht hast, ist Drecksarbeit.“ Ergo: Du bist Dreck.

Ob sich Frau Ackermann über die verachtende, entwürdigende und entmenschlichende Formulierung bewusst ist, kann ich nicht beurteilen. Fakt aber ist, dass Sexarbeiter*innen Menschen sind. Kein Dreck. Anstatt Respekt für Sexarbeiter*innen zu fordern, schürt Ackermann Gefühle des Ekels.

Angst macht mir die Tatsache, dass sie es gut meint und damit glaubt, Misstände in der Sexarbeit zu beseitigen. Aber wer die Arbeiter*innen in der Sexindustrie mit „Dreck“ beschreibt, bewirkt genau das Gegenteil: Das Stigma, der Hurenhass, der Ekel, die Verachtung werden verstärkt. Und damit wird auch die Gewalt im Gewerbe verstärkt – durch Kunden und Nicht-Kunden. Durch all diejenigen, die der Meinung sind, dass Sexarbeiter*innen eh nur Drecksarbeiter*innen sind und dass man sie deshalb wie Dreck behandeln darf (ja, sogar soll).

Und an dieser Stelle wird die Perversität von Ackermanns Beschreibung von Prostitution als „Drecksarbeit“ deutlich: Sie fördert Verachtung, Gewalt und Hass. Ja, sie ist eine Form verbaler Gewalt gegen Sexarbeiter*innen. Dass man mit so einer menschenverachtenden Haltung Gelder erhält um Betroffene von Gewalt zu beraten, ist hier nichts anderes als traurige Ironie.

Nein, Sexarbeiter*innen sind keine Drecksarbeiter*innen. Sexarbeiter*innen (die sind kein Dreck) bieten sexuelle Dienstleistungen (das ist kein Dreck) gegen Honorar an (auch das ist kein Dreck). Sie sind Menschen, wie wir alle auch. Sie verdienen Respekt und Anerkennung. Erst dann werden wir auch die Ausbeutung in der Branche abschaffen können.

Im Übrigen verbreitet Lea Ackermann auch eine Lüge: Dass der BesD ein Verband von Borderllbetreiber*innen ist. Das stimmt mitnichten und ist eine knallharte Lüge. Das sind Sexarbeiter*innen und diese Diffamierung der Sexarbeiter*innen als Bordellbetreiber*innen, die die echten Betreiber*innen von Großbordellen außen vor lässt, wird Hurenhass und Gewalt in der Branche erhöhen.

Zum Weiterlesen: 

Prostitution – eine wissensbasierte feministische Debatte ist überfällig!

Warum die Frauenbewegung Sexarbeiter_innen zuhören muss

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