Populistische Doku: „Verkauft, verschleppt, missbraucht – Vom Kampf gegen den Menschenhandel“

Die Doku „Verkauft, verschleppt, missbraucht – Vom Kampf gegen den Menschenhandel“ wurde am 21. September noch mal gesendet. Auch dieses Mal bin ich davon überzeugt, dass es sich um eine unsachliche und populistische PR-Kampagne gegen Prostitution handelt. Gezeigt werden mehrere Schicksale von Betroffenen von Menschenhandel, aber auch Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder, die mit „Prostitution“ gleichgesetzt werden und somit verharmlost werden.

Die Schicksale der Frauen werden selten kontextualisiert. Die Beschreibungen, die letztendlich gesendet werden, sind Beschreibungen von Gewalt, die ihnen Täter angetan haben. Von strukturellen Faktoren ist keine Rede. Informationen über die Gesetzeslage finden sich kaum – bis auf die ständigen Verweise, dass das Prostitutionsgesetz (drei mickrige Paragraphen) an allem Schuld sind. Eine populistische monokausale und, mit Verlaub, auch einfach falsche Erklärung wird genutzt, um aus einer Doku über Menschenhandel eine Doku gegen Prostitution und Sexarbeit zu machen. Mit allen verqueren und unsachlichen Vermischungen, die damit einhergehen.

In einen Topf geworfen wird hier vieles: Prostitution, migrantische Sexarbeit, sexuelle Gewalt gegen Kinder, Vergewaltigung von Kindern, Menschenhandel, Zuhälterei, Migration rumänischer Frauen nach Deutschland, Ausbeutung rumänischer Frauen in Deutschland. All das scheint für die Autoren der Doku das gleiche zu sein. Gerechtfertigt scheint diese oberflächliche und populistische Gleichsetzung durch das gemeinsame Ziel all derjeniger die zu Wort kommen: Der Kampf gegen die legale Prostitution. Mit einer Ausnahme. Die Betroffenen von Menschenhandel erhalten außerhalb der graphischen Beschreibung ihrer Ausbeutung keine Stimme. Und Sexarbeiter*innen sowieso nicht. Die Deutungsmacht liegt bei den Autoren, den Anti-Prostitutions-Therapeuten. Ja, gar bei einem Zuhälter und Menschenhändler.

Die Macher der Doku haben den Blick der Menschenhändler dermaßen internalisiert, dass sie selber die Betroffenen von Ausbeutung sowie Sexarbeiter*innen (die erst gar nicht vorkommen) nicht nur als „Ware“ sehen und beschreiben sondern auch als „Ware“ behandeln. Denn in der Doku dürfen sie nicht sprechen. Die Deutungsmacht über ihr Leben, ihre Erfahrungen obliegt den angeblichen Expert*innen, auch wenn diese deutlich zeigen, dass sie kein bißchen Respekt für Sexarbeiter*innen übrig haben. Die Experten haben auch kein Wort über Menschenhandel verloren zumindest kein sachliches Wort, das die Debatte weiterbringt. Sie verteufeln alleine die Prostitution. Die Doku ist ein gutes Beispiel für populistischen Anti-Prostitutions-Journalismus.

Und damit klar wird, warum ich das sage, habe ich im Detail aufgeschrieben, was an dieser Doku alles problematisch ist.

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BKA veröffentlicht Bundeslagebild Menschenhandel 2012

Opferzahlen BKA 2012 Menschenhandel

Quelle: BKA Bundeslagebild Menschenhandel 2012

Das BKA hat gerade das Bundeslagebild Menschenhandel für 2012 veröffentlicht. Dieses Jahr etwas später als sonst. Vermutlich wollte auch das BKA den Ausgang der Koalitionsverhandlungen abwarten, um schließlich selbst auch in der Pressemitteilung einen Kommentar zur den dort beschlossenen Punkten zum Thema Menschenhandel abzugeben.

Liest man den Bericht und dann die Pressemitteilung fällt auf, dass beide Texte nicht ganz deckungsgleich sind und in der Pressemitteilung einige Aspekte nicht genannt werden. Mit Blick auf das Bundeslagebild selbst, hätte man sich gewünscht, dass auch folgende Informationen genannt würden, die nun leider fehlen und somit weiterhin Gegenstand von Spekulationen sein können:

– Geschlecht

– Aufenthaltsstatus der Betroffenen sowie Tatverdächtigen

– Anzahl abgebrochener Verfahren und Gründe dafür (differenziert nach Herkunftsland der Betroffenen)

– Anzahl von Verdachtsfällen, die durch Razzien ermittelt wurden, die zu einem erfolgreichen Abschlusses der Verfahren führten

– Anzahl von Betroffenen, die weiterhin in Deutschland leben und Anzahle derjenigen, die in ihre Herkunftsländer zurückgebracht wurden

– In wie vielen Fällen kam es zu Entschädigungen bzw. Lohnnachzahlungen? Weiterlesen →

Maßnahmen gegen Menschenhandel messen? Ein Interview mit Seo-Young Cho

Interview mit Seo-Young Cho, Professorin für Empirische Institutionenökonomie an der Universität Marburg.

Sie haben kürzlich ein Ranking veröffentlicht, in dem sie das Engagement einzelner Staaten im Kampf gegen Menschenhandel bewerten und ranken (technisch heißt das „3P-Index zur Auswertung des Stands der weltweiten politischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel“). Wie steht es mit Deutschland?

Im letzten Ranking für das Jahr 2012 erreichte Deutschland eine Gesamtwertung in Höhe von 12 von maximal 15 möglichen Punkten und belegte damit lediglich Platz 41 von insgesamt 188 evaluierten Ländern. Im Einzelnen wurde für Deutschland auf einer Skala von 1 bis 5 im Bereich Opferschutz der Wert 3, im Bereich der strafrechtlichen Verfolgung der Wert 4 und die Maximalwertung von 5 im Bereich der präventiven Maßnahmen gegen Menschenhandel Deutschland gemessen.

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Menschenhandel: Die Spitze der Eisscholle

Eurostat Bericht Menschenhandel EUAutorin: Dr. Dita Vogel

Immer wieder finden sich Zahlen in den Medien, die ein alarmierend hohes Ausmaß von Menschenhandelsfällen in Europa suggerieren. Im Oktober 2013 wurde wieder anlässlich eines Berichts des EU-Sonderausschusses gegen organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäsche (CRIM-Kommission) die Zahl von 880 000 Sklavenarbeitern in Europa zitiert. Die Medienberichte bleiben nicht ohne Wirkung. Die Menschen sorgen sich und fordern die Politik zum Handeln gegen den Handel mit Menschen auf.

Eine Szene aus dem Wahlkampf in Deutschland

9. September 2013. Wahlarena. Die Kanzlerin beantwortet im Vorfeld der Bundestagswahlen Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Schlechte Arbeitsbedingungen spielen in vielen Fragen eine Rolle. Die Kanzlerin wird auf Missstände in der Pflege, bei Werkverträgen und in der Leiharbeit aufmerksam gemacht. Dann konstatiert eine Bürgerin, dass Deutschland mittlerweile als „Puff Europas“ genannt werde und dass sehr viel Menschenhandel stattfinde.

„Meine Frage an Sie: Was werden Sie konkret in den nächsten vier Jahren tun, damit Menschenhandel und Zwangsprostitution in Deutschland endlich abgeschafft – oder ja –  abgeschafft wird?“

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