Fair Play für Kinderrechte? Sportevents, Tourismus und sexuelle Ausbeutung von Kindern in Brasilien

Autorin: Dorothea Czarnecki

Bei sportlichen Mega-Events wie der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 oder den Olympischen Spielen 2016 in Brasilien ist es unerlässlich, auch an den Schutz und die Rechte von Kindern zu denken. Aufgrund der enormen Ausgaben für die anstehenden Sportereignisse vernachlässigt die Regierung den notwenigen Ausbau der sozialen Sicherung, der Gesundheits- und Bildungseinrichtungen. Die Leidtragenden der anhaltenden sozialen Ausgrenzung sind allen voran Kinder und Jugendliche.

Von den insgesamt 200 Millionen Einwohnern Brasiliens sind 33 Prozent jünger als 18 Jahre. Obwohl der Anteil der extrem Armen, die weniger als 1,25 US-Dollar täglich zur Verfügung haben, von 17 Prozent (1993) auf 6,1 Prozent (2012) gesunken ist, leben noch immer knapp 28 Millionen Minderjährige in Haushalten, die mit weniger als dem halben Mindestlohn auskommen müssen. Die soziale Realität in Brasilien erlaubt es vielen Familien nicht, Kindern den Schutzraum zu geben, den sie bräuchten, um gesund und glücklich aufzuwachsen.

So müssen oft auch die Kinder zum Haushaltseinkommen beitragen. Sie kellnern zum Beispiel in Imbissen oder verkaufen Schmuck am Strand. Doch von harmlos erscheinenden Tätigkeiten, speziell im Umfeld von Touristen, ist es oft nur ein kleiner Schritt hin zu ’sexuellen Diensten‘, sprich der sexuellen Ausnutzung von Kindern zu Prostitutionszwecken.

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Weltmeisterschaft 2014: Über Mythen und Realität von Menschenhandel

Dieser Beitrag wurde ursprünglich veröffentlicht auf aljazeera.com (7.Juni 2014). Autorin: Sonja Dolinsek

Bild: Clément Jacquard; CC BY-NC-SA 2.0; Flickr.

Am 12. Juni begann die Männer-Fußball-WM und Millionen von Fußball-Fans werden zu diesem Mega-Event nach Brasilien reisen. In der Zwischenzeit haben sich Nichtregierungsorganisationen und Medien auf die sozialen Probleme konzentriert, die sich durch die Vorbereitungen für die Veranstaltung verschärfen.

Drei verwandte Themen haben in den letzten Wochen besondere Aufmerksamkeit erhalten: Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung von Kindern und Sexarbeit. Es wird angenommen, dass alle drei in den kommenden Wochen zunehmen. Aber belegen die Forschung und die Erfahrung von anderen derartigen Megasportveranstaltungen tatsächlich die Behauptungen einer Zunahme des Menschenhandels und der Prostitution? Und welche anderen Fragen sollten wir aus einer Menschenrechtsperspektive betrachten?

Menschenhandel und seine Verknüpfung mit Sportveranstaltungen sind seit der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland diskutiert worden. Große und teure Medienkampagnen warnten vor dem wachsenden Problems des Menschenhandels mit erwachsenen Frauen in die Sex-Industrie. Seitdem waren Medien- und NGO-Kampagnen vor und rund um den Welt-und Europa-Fußballmeisterschaften, den Olympischen Spielen und dem Super Bowl besonders sichtbar. Was lernen wir aus vergangenen Erfahrungen und der Forschung zu dieser Verknüpfung?

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„Kinderprostitution“ und „Zwangsprostitution“: Eine kleine Medienkritik

Gestern wurde eine Sendung zum Thema „Zwangsprostitution“ und „Kinderprostitution“ (Verkaufte Seelen) im Ersten ausgestrahlt. Der dort zitierte Photograph hat als Einziger die richtige Wortwahl getroffen: Was sich da abspielt, ist „gewerbliche Massenvergewaltigung“.

Dazu haben wir zwei Kommentare, die sich auf alle Dokus, Artikel und Berichte, die diese Begriffe verwenden, anwenden lassen:

Kinderprostitution: Der Begriff „Prostitution“ ist bei Kindern völlig fehl am Platz. Eigentlich ist es gewerbliche Massenvergewaltigung bzw. gewerblicher sexueller Missbrauch (von Minderjährigen). (Tweet zum Re-tweeten)

Zwangsprostitution: Wer nie in die Prostitution wollte, „prostituiert sich“ nicht sondern wird zu gewerblichen Zwecken massenvergewaltigt. (Tweet zum Re-tweeten)

Zu sagen, dass ein junges Mädchen oder ein Kind dazu gezwungen wurde „sich zu prostituieren“, verschiebt den Blick wieder auf das Mädchen, das sich selbst etwas antut, nämlich sich zu prostituieren. Das Verb ist reflexiv und die Verantwortung für die Tat wird sprachlich vollständig auf das „Opfer“ abgewälzt. Somit wird victim blaming gefördert: Letztendlich wird sprachlich auch die Schuld auf das Mädchen, den Jungen, die Frau,  die „Hure“ geschoben.

„Prostitution“ bzw. „Sexarbeit“ ist ein Begriff der per se Freiwilligkeit sowie die Vorstellung, dass „sexuelle Dienstleistungen“ angeboten als Form der Erwerbstätigkeit angeboten werden, beinhaltet. In den beiden oben genannten Fällen, ist der Sex nicht freiwillig.

Unfreiwilligen Sex nennt man in der deutschen Sprache „Vergewaltigung“. Eine Vergewaltigung ist keine „sexuelle Dienstleistung“. Also: Die Verwendung der Begriffe „Zwangsprostitution“, „Kinderprostitution“ sowie „Kinderpornographie“ ist völlig fehl am Platz.

Das alles erfordert eine tiefergehende Auseinandersetzung. Aber erstmal kann sich jede_r Gedanken darüber machen, wie die Art, wie wir über „gewerbliche Massenvergewaltigung“ von Kindern, Frauen und Männern sprechen – nämlich als „sexuelle Dienstleistung“, unser Bild und unsere Politik zu diesem Thema prägt. Kein Wunder, dass der Opferschutz immer noch unzureichend ist.

Kommentare, die zu einer konstruktiven Kritik und Weiterentwicklung dieses Ansatzes beitragen, sind ausdrücklich erwünscht.

Pressemitteilung des BKA: „Bundeskriminalamt veröffentlicht aktuelle Zahlen für Deutschland „

Quelle: BKA

„Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 482 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung abgeschlossen. Dies bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um knapp drei Prozent (2010: 470). Weiterlesen →

Jungen ohne Rechte – Missbrauch und Zwangsprostitution in Pakistan

Missbrauch an Jungen: Ein Thema, bei welchem viele Menschen sofort an die Missbrauchsskandale in kirchlichen Institutionen denken. Geschlechtertrennung, Zölibat und Ablehnung des Weiblichen werden oft als Erklärung für die begangenen Verbrechen herangezogen. Doch wie sieht es in Ländern aus, in denen Geschlechtertrennung zum Alltag gehört und nicht auf wenige Enklaven beschränkt ist?

Straßenkinder in Pakistan

In Pakistan, wie auch in vielen anderen islamischen Ländern, stellt die Abschottung von Frauen, dort purdah, genannt, eine weit verbreitete Tatsache dar.[2] Diese Trennung von Männern und Frauen wird von vielen Organisationen und AutorInnen für ein anderes weit verbreitetes Phänomen des pakistanischen Alltagslebens verantwortlich gemacht: Für den geradezu institutionalisiert zu nennenden Missbrauch und/oder Zwangsprostitution von Jungen. Statistiken sind schwer zu erstellen. Laut der NGO „Sahil“ sind 73% der 2010 in Zeitungen dokumentierten Missbrauchsopfer Mädchen.[3] Man kann aber davon ausgehen, dass gerade im Falle des Missbrauchs von Jungen die Hemmschwelle größer ist, TäterInnen anzuzeigen.[4] Vor allem aber ist in zwei Bereichen, in denen Missbrauch an Jungen häufig verübt wird, die Dunkelziffer besonders hoch: In den zumeist Jungen vorbehaltenen Madrassas (Koranschulen) und unter den meist männlichen Straßenkindern und Kinderarbeitern.[5]

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