Menschenhandel bei Chez Krömer

Ein Kommentar zur Sendung „Chez Krömer“ von 22. November 2022.
Eine leicht überarbeitete Version dieses Textes ist am 4. Dezember 2022 in der Berliner Zeitung erschienen.

Täuschung“ ist eine der Hauptstrategien von Menschenhändlern. Menschenhändler ködern ihre Opfer mit falschen Versprechen. Manchmal bieten sie keine Informationen. Sie nutzen Hoffnungen und Träume, das meist etwas vorschnelle Vertrauen, um ihre Opfer etwas tun zu lassen. Sie verleiten sie dazu, irgendwo hinzugehen, mit jemandem mitzugehen, dort zu arbeiten, in der Hoffnung, dass dort etwas Gutes passiert, dass es ihnen danach besser geht. Viele wissen, dass man sie vielleicht nicht immer gut behandelt, wenn sie mitgehen. Manche können sich die Risiken und Gefahren gut vorstellen, andere sind getrieben von der Hoffnung und dem vielleicht etwas naiven Glauben, dass Menschen insgeheim doch gut sind. Doch dann wird nach und nach klar, dass dem nicht so ist. Die Freude über die angebotene Chance verschwindet aus dem noch hoffnungsvollen Gesicht, das Vertrauen wird Sekunde für Sekunde, Minute für Minute zerstört. Die Frauen – aber auch Männer – werden nach und nach gebrochen. Sie machen das „Spiel“ mit, weil sie nichts tun können, weil sie glauben, nichts tun zu können. Geködert, gezielt getäuscht über das, was eigentlich kommt, dauert es erstmal Zeit, bis sie bemerken, dass vor ihnen kein Helfer ist, sondern ein Ausbeuter, der von vornherein nur eines zum Ziel hatte: Die Menschen fertig so fertig zu machen, dass sie sich dann gar nicht mehr trauen, etwas zu sagen.

Nicht nur Menschenhändler täuschen und missbrauchen. Die Medien machen das auch – und das besonders gerne mit Prostituierten. Sie täuschen ihre Gäste, sie täuschen ihr Publikum. Und vielleicht täuschen sich diese ganzen Medienleute auch selbst ein bisschen.

Krömer hat keine Ahnung von Menschenhandel. Das hat er zumindest zugestanden. Nein, falsch, eigentlich hat er nur zugestanden, nichts über Prostitution zu wissen. Aber eigentlich glaube ich, dass er von beidem keine Ahnung hat. Und das sieht man daran, dass das eine Sendung über Prostitution war, in der eine sehr gut verdienende Escort mit der Frage des Menschenhandels konfrontiert wurde. Warum eigentlich? Sie ist doch offensichtlich keine Expertin über Menschenhandel. Das ist, als würde man die glückliche Ehefrau in eine Talkshow einladen, um sie zu befragen, wie es den Betroffenen häuslicher Gewalt gehe, um ihr vielleicht sogar die Verantwortung für die Gewalt in die Schuhe zu schieben, die andere ausüben.

Es ist beachtlich. Beachtlich populistisch. Es wurde über Menschenhandel geredet, aber dieses Wort – Menschenhandel – wurde kein einziges Mal ausgesprochen. Was ist mit denen, die gezwungen werden, die verschleppt wurden und denen der Pass weggenommen wird, fragt Krömer. Ja, was ist mit denen? Warum fragst Du das eine Salomé Balthus? Was war Ihre Agenda, Krömer? Weiterlesen →

Sex-Sklaven und der Überwachungsstaat. Warum „Menschenhandel“ ein gefährlicher Begriff ist

Autor: Thaddeus Russell für reason.com

Ihr Name ist unbekannt, wie der von fast allen Opfern. Sie ist nicht älter als ein Teenager und hat große Augen, die auf den Boden starren, lange gewellte Haare und blasse Haut. Sie trägt ein unscheinbares weißes Kleid, was darauf hindeutet, dass sie ein unschuldiges Leben führte, bevor sie sich in diesem Verließ wiederfand. Sie starrt durch die Gitterstäbe ihres Käfigs und weil sie sich nicht selbst retten kann, betet sie für ihre Rettung. Hinter ihr ein Mann mit Hut und einem lasziven Lächeln, der gebannt durch den Rauch seiner Zigarre auf seine Beute blickt. Er hat bezahlt, um sie zu vergewaltigen und sie ist machtlos und kann ihn nicht stoppen. Sie ist eine “weiße Sklavin”.

Dieses Mädchen ist eine Zeichnung. Sie existierte nur in einem Bild, welches Teil einer Flut von Darstellungen im frühen 20. Jahrhundert war, in der Heerscharen von weißen amerikanischen Mädchen und Frauen gegen ihren Willen festgehalten und zur Prostitution gezwungen wurden. Tausende von Zeitungsartikeln, Büchern, Predigten, Reden, Theaterstücke und Filme zeigten eine große Schattenwirtschaft, in der Entführer und Zuhälter eine gottesähnliche Macht über junge weibliche Sexsklavinnen hatten. Historiker*innen sind sich heute einig, dass diese Darstellungen größtenteils oder gänzlich erfunden waren. Es gibt kaum einen nachprüfbaren Beweis, dass amerikanische Frauen entführt und körperlich zur Prostitution gezwungen wurden oder dass ein Mädchen, wie auf dem Bild, überhaupt existierten.

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Sondernutzungsgebühr für „Lustmobile“? (Gastbeitrag)

Anmerkung der Redaktion: Seit einigen Monaten wird zunehmend über die Besteuerung von sogenannten „Lustmobilen“, also von Prostitution in Wohnwagen, gesprochen. Besonders intensiv wird aktuell in Koblenz darüber debattiert. Dabei geraten Themen und Argumente oft durcheinander. So wird diese Besteuerung auch mit Verweis auf die Bekämpfung des Menschenhandels gerechtfertigt – eine Verknüpfung, die fragwürdig und empirisch nicht fundiert ist.

Vor diesem Hintergrund veröffentlichen wir die kritische Stellungnahme der in Koblenz vor Ort tätigen Beratungsstelle für Prostituierte ‚Roxanne‘. Die Stellungnahme kann auch auf der Homepage von Roxanne abgerufen werden.

Stellungnahme zum aktuellen Geschehen in Koblenz

In den vergangenen Wochen ist das Thema „Prostitution“ immer wieder in der Koblenzer Medienlandschaft aufgegriffen worden und eine entsprechende Diskussion ist augenscheinlich in Bewegung gekommen.

Mit Bedauern stellt die Koblenzer Prostituiertenberatungsstelle ROXANNE allerdings fest, dass – wie so oft – Begriffe wie Menschenhandel, Kriminalität und Zwangsprostitution mit der Sexarbeit synonym gesetzt werden. Weiterlesen →