Autor: Andreas Eckert (Professor für die Geschichte Afrikas am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Philosophische Fakultät III der HU Berlin). Dieser Beitrag wurde ursprünglich veröffentlicht auf APuZ- Aus Politik und Zeitgeschichte.
Aimé Césaire, der große Dichter der Négritude (jener vorallem in der frankophonen Welt einflussreichen literarisch-philosophischen Strömung, die eine positive kulturelle Andersartigkeit von Afrikanerinnen und Afrikanern behauptete), äußerte in seinem Mitte der 1950er Jahre publizierten „Discours sur le colonialisme“ den Verdacht, die Weißen könnten Adolf Hitler nicht das Verbrechen am Menschen an sich nicht verzeihen, sondern, „dass es die Demütigung des Weißen ist und die Anwendung kolonialistischer Praktiken auf Europa, denen bisher nur die Araber Algeriens, die Kulis in Indien und die Neger Afrikas ausgesetzt waren“.[1] Die von Césaire in zornigen Worten beklagte Verharmlosung, gar Negierung kolonialer Verbrechen und Gewalt rüttelte an der verbreiteten Ansicht, die Europäisierung der Erde sei letztlich ein Projekt des Fortschritts gewesen und habe die Kolonisierten vor Schlimmerem bewahrt. Als Césaire seine Schrift veröffentlichte, lag das europäische koloniale Projekt augenscheinlich bereits weitgehend in Trümmern. Die europäischen Besitzungen in Asien hatten mit wenigen Ausnahmen die Unabhängigkeit erlangt, in Afrika nahm der Prozess der Dekolonisation Fahrt auf und sollte binnen weniger Jahre zum Ende der Kolonialherrschaft in weiten Teilen des Kontinents führen. Weiterlesen →
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