(Moderne) Sklaverei in Mauretanien

Mauretanien hat vor 21 Jahren im Jahre 1981 als letztes Land Sklaverei abgeschafft. Das bedeutet, dass seitdem Sklaverei keine legitime gesellschaftliche Institution mehr ist. Sklaverei ist seitdem illegal. Kriminalisiert wurde Sklaverei als „Besitz einer Person“ jedoch erst 2007 und bislang wurde nur eine Person verurteilt. Sklaverei ist weiterhin akzeptiert und die Besitzer und Händler von versklavten Menschen werden gesellschaftlich und politisch nicht geächtet – und schon gar nicht dafür verurteilt. Gleichzeitig wird die Existenz der Sklaverei internationalen Organisationen und Journalist_innen gegenüber geleugnet. De facto existiert Sklaverei in Mauretanien bis heute – darüber schreibt auch die Internationale Arbeitsorganisation in diesem Bericht von 2010.

Sklaverei in Mauretanien ist tief in der Gesellschaft verankert. Es handelt sich um eine Institution, die historisch gewachsen ist und den traditionellen Formen der Sklaverei entspricht. Im traditionellen Sinne ist Sklaverei nicht nur mit Eigentum verbunden sondern auch mit der Vererbung des Status als „Sklave“ oder „Sklavin“. Damit einher geht die Vorstellung, dass Sklavinnen und Sklaven sozial tot sind (siehe dazu unsere Beiträge zu O. Pattersons Theorie der Sklaverei als sozialem Tod hier und hier). Von „moderner Sklaverei“ kann also nicht die Rede sein.

Slavery exists in all the countries of the Sahara desert. But it’s only when the slave lifts their head to speak that the crime is discovered. (Boubacar Messaoud)

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Newsticker: Arbeit, Migration, Ausbeutung

Menschenhandel und die vergebliche Suche nach verlässlichen Zahlen

„Halfway solutions will seldom work: the only thing worse than no data is wrong and misleading data.“ (Describing the unobserved, Tyldum/Brunovskis 2005, S. 30)

Wie viele Menschen werden jedes Jahr Opfer von Menschenhandel? Wie viele davon sind Frauen und wie viele von ihnen werden zur Prostitution gezwungen? Wie viele Kinder arbeiten auf Kakaoplantagen? Wie viele Opfer von Menschenhandel gibt es jetzt – am heutigen Tage?

Die Antwort: Wir wissen es nicht – wir wissen nicht, wie viele Menschen Opfer von Menschenhandel sind.

Bevor Sie enttäuscht im Internet weitersuchen, bis sie endlich schockierende Zahlen gefunden haben, lade ich Sie ein, noch ein bisschen weiterzulesen. Denn die Zahlen, die Sie anderswo finden, sind nur Schätzungen und nicht eine objektive Darstellung der Dinge. Sie sind mit Vorsicht zu genießen.

Warum gibt es keine verlässlichen Daten über Menschenhandel?

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Menschenhandel und moderne Sklaverei – Ein ganz und gar unmoralisches Geschäft

Eine moralphilosophische Betrachtung 

„Unmoral. Ein philosophisches Handbuch. Von Ausbeutung bis Zwang“ von Arnd Pollmann

Sklaverei ist weltweit abgeschafft und gesetzlich verboten. Trotzdem schätzen NGOs und Menschenrechtsaktivisten, wie z.B. Kevin Bales, heute die Zahl von gegen ihren Willen versklavten und ausgebeuteten Menschen auf 27 Millionen. Der Handel mit Kindern nimmt sogar noch zu.

Moderne Sklaverei ist kein Hirngespinst illustrer TV-Inszenierungen, sondern kalte und erschreckende Tatsache unserer heutigen aufgeklärten Zeit. Dies zeigt, dass es wichtig ist, sich mit der Thematik auseinander zu setzen. Warum aber finden wir den Gedanken an Sklaverei, sexueller und/oder gewaltsamer Ausbeutung der Arbeit abstoßend? Was ist daran so schlimm? Warum finden wir es unmoralisch?

Im diesem Essay möchte ich mich einer Antwort nähern. Ich setze mich mit Menschenhandel und moderner Sklaverei aus einer moralphilosophischen Perspektive auseinander. „Moralphilosophisch“ meint hier den Blick auf das Unrecht von Handlungen zu richten.

Die moralische Pflicht Unrecht zu vermeiden

Wir fühlen uns verpflichtet, in und mit unseren Handlungen, Unrecht zu vermeiden, d.h. nicht aktiv Unrecht zu verursachen (Vgl. Pollmann: 2010). Moralisch gutes Verhalten ist demnach als Sollforderung zur Vermeidung von Unrecht zu verstehen. Mit Blick auf Menschenhandel heißt das: Wir fühlen uns verpflichtet, Menschenhandel in und mit unseren Handlungen zu vermeiden. Wir wollen keine Täter_innen sein.

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Newsticker: Kinderarbeit

Unfreie freie Arbeit?

„Arbeitsplätze müssen wohl etwas Tolles und Wünschenswertes sein!“. Auf diesen Gedanken könnte mensch zum Beispiel bei der Betrachtung des Berliner Wahlkampfes 2011 verschiedener Parteien um parlamentarische Mehrheit im Abgeordnetenhaus von Berlin und dem damit verbundenen Diskurses kommen. In diesem Wahlkampf wurde unter anderem mit dem Versprechen, neue Arbeitsplätze bzw. Lohnarbeitsverhältnisse, zu schaffen, auf Wähler_innenfang (1) gegangen. (2/3/4) Den Kampf um Arbeitsplätze haben alle etablierten Parteien gemein, ob z.B. NPD, CDU, Grüne oder die Linke, auch wenn die Details diesbezüglich durchaus variieren.

Aus diesem Grund sollte mensch sich die vielgepriesene „freie Arbeit“, also Lohnarbeit, vielleicht ein wenig genauer anzuschauen. Die wohl korrekteste Theorie der Lohnarbeit hat meines Erachtens Karl Marx Mitte des 19. Jahrhunderts formuliert (5). Auch wenn einiges, was er postuliert hat, durchaus kritikwürdig ist, z.B. die historische Abhängigkeit verschiedener Produktionsverhältnisse (6) oder die Frage nach Haupt- und Nebenwiderspruch (7), so erscheint mir die marxsche Analyse des derzeitig hegemonialen Wirtschaftssystems, sprich des kapitalistischen Produktionsverhältnisses, dessen Basis eben die Lohnarbeit ist, durchaus richtig.

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18. Oktober: Der „Europäische Tag gegen Menschenhandel“ im Netz – Ein Überblick

Terre des femmes

„Der europaweite Tag gegen Menschen­handel bietet die Gelegenheit, sich die traurige Realität des lukrativen Geschäfts mit Mädchen und Frauen bewusst zu machen.

Das Geschäft mit der Ware Mensch floriert. Schätzungen gehen von 2,4 Millionen Menschen aus, die weltweit pro Jahr verkauft werden. Darunter sind laut der EU eine halbe Million Frauen, die nach Europa gebracht werden.

Die Betroffenen werden zur Prostitution gezwungen oder als billige Arbeitskräfte ausgebeutet – auch hier in Deutschland. Die Frauen sind durch die erlebte Gewalt oft traumatisiert und krank. Sie brauchen Schutz, gesundheitliche Rehabilitation und müssen ihre rechtlichen Ansprüche geltend machen können. Doch wie gehen wir hierzulande mit den Opfern um?

Christa Stolle, Geschäftsführerin von TERRE DES FEMMES: „Wenn eine Frau aus Angst nicht bereit ist, als Zeugin gegen ihre Peiniger auszusagen, muss sie Deutschland meist innerhalb einiger Wochen verlassen.“ Stolle weiter: „Von zig deutschen Männern vergewaltigt lassen wir sie mit ihren traumatischen Erlebnissen allein. Eine unhaltbare Situation“.“

Anti-Slavery Day von Anti-Slavery International Catherine McKinnel (UK) 

„1807 is the date that is commemorated as the year in which Wilberforce’s campaign to abolish slavery succeeded, with the passing of The Slave Trade Act 1807. But it was not until 1833 that the Abolition of Slavery Act was passed – Wilberforce died just three days after. His public work and tireless campaigning on this issue of profound importance was done.

Yet – almost 180 years after slavery was abolished – there is one form of trade that is still thriving in austerity Britain: the modern-day slavery that is the trafficking of human beings.“

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Haiti und der Sklav_innenaufstand

Toussaint LouvertureErfährt mensch heute etwas zu Haiti, so sind es meist negative bis katastrophale Nachrichten über das Erdbeben 2010, den andauernden Kampf gegen den Hunger großer Teile der Bevölkerung oder die allgemeine instabile politische Situation und westliche Gegenmaßnahmen. (1/2) Wenig Aufmerksamkeit erhält dagegen die Geschichte des Landes mit dem wohl einzigen „erfolgreichen“ Sklav_innenaufstand in der Geschichte.

1791 begann die haitianische Revolution mit einem Sklav_innenaufstand (3) in der französischen Kolonie Saint-Domingue. Sie führte im Jahr 1804 zur Gründung des Staates Haiti und der Umbenennung St. Domingues in Haiti. Die Revolution war nicht nur auf die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Frankreich gerichtet, sondern auch durch grundlegende Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur in Bezug auf Klassenwidersprüche und Rassismus gekennzeichnet.

Die Revolution in Haiti stand im Spannungsfeld mehrerer ineinander verschränkter Konflikte: der Französischen Revolution, dem Streit um die Abschaffung der Sklaverei, innere Konflikte in Saint-Domingue wie auch dem Kampf der Imperialmächte Frankreich, Spanien und England um globalen Einfluss. Ebenso ist hier auch die komplexe Sozialstruktur Saint Dominguez zwischen den sog. „freien Weißen“, den sog. „gens de couleur libres“ wie den Sklav_innen und deren unterschiedliche soziale Stellungen zu nennen.

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Die Sklavenbefreiung in Lateinamerika – Ein historischer Abriss

Bevor man sich mit der Sklavenbefreiung in Lateinamerika befasst, muss man sich zunächst die Ausgangssituation vor Augen führen, die sich deutlich von der Sklavenbefreiung in Nordamerika unterschied. Zum einen gab es schon um 1800 in Lateinamerika mehr freie „Schwarze“ und „Farbige“ als Sklaven und Sklavinnen, da diese in dort öfter in die Freiheit entlassen wurden, als im Norden. Da auch ihre Nachkommen frei waren, konnte sich eine bedeutende afrikanisch-stämmige freie Bevölkerungsgruppe bilden, der jedoch im ständischen System keinerlei Rechte zufielen. Zum anderen war die versklavte Bevölkerung sehr heterogen, da sie sich aus unterschiedlichen Gruppen zusammensetzte: Neben den afrikanisch-stämmigen Sklaven und Sklavinnen wurden vor allem in Mexiko und im Andenraum hauptsächlich indigene Menschen versklavt beziehungsweise als Zwangsarbeiter_innen eingesetzt. Vor allem klimatische und geografische Gegebenheiten, wie Kälte und dünne Höhenluft, haben die Versklavung indigener Menschen gegenüber Afrikaner_innen begünstigt.

Die „weißen“ europäischen Eliten sahen sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts immer höherem sozialen Druck ausgesetzt. Eine außerordentliche Bevölkerungsdynamik in der afroamerikanischen, indigenen und kreolischen Bevölkerung, wobei vor allem letztere die alles entscheidende Rolle in der Befreiungsbewegung einnehmen sollte, zeichnete sich ab. Die „Mutterländer“ versuchten zunächst mit absolutistischen Reformprojekten die Kolonien wieder einer stärkeren Kontrolle unterwerfen. Doch mit dem Zusammenbruch der spanischen Monarchie 1808 und der Flucht des portugiesischen Hofes nach Brasilien ergaben sich neue Ausgangspositionen. In Brasilien wurde die Legitimation der Herrschaft zunächst noch nicht so sehr in Frage gestellt, wie in Spanisch-Amerika. Dort hatte es schon zum Ende des 18. Jahrhunderts immer wieder Rebellionen Indigener und afroamerikanischer Sklaven und Sklavinnen gegen die spanische Herrschaft gegeben, doch wurden diese immer brutal niedergeschlagen.

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Der Soziale Tod und der Sklave als Eigentum

Autor: Norbert Fori 

Mit Slavery and Social Death (1982) legte Orlando Patterson eine der konsequentesten und detailliertesten Analysen von Sklaverei vor. In seiner vergleichenden Studie identifizierte er die Sklaverei als eine besondere Form parasitärer sozialer Beziehung und stellte eine (idealtypische) Theorie und Definition von Sklaverei auf, die in allen Gesellschaften, in denen Sklaverei von einiger Bedeutung war, wiederzufinden war.

Im Gegensatz zu den, auch heute noch im allgemeinen Sprachgebrauch beobachtbaren, rechtlichen Definitionen von Sklaverei, die Sklaverei als Eigentumsverhältnis definiert sehen wollen, bildet für Patterson das Zwangs- bzw. Machtverhältnis zwischen Versklavten und Versklavenden die Grundlage für die Definition von Sklaverei: naked force [is] the basis of the master-slave relationship. Eines der entscheidenden Kriterien bildete hierbei der soziale Tod des Versklavten.

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Sozial tot oder lebendig?

Die Folgen des transatlantischen Sklav_innenhandels sind nicht zu unterschätzen: Weil dieser Sklav_innenhandel mit Afrikaner_innen zunehmend mit Rassismus begründet wurde, rief er bis heute andauernde Herrschaftsstrukturen hervor. Diese schlagen sich für Schwarze häufig in einer Einschränkung ihrer Lebenschancen, schlechterer Bildung und Gesundheit sowie hohen Gefängnis-, Armuts- und frühen Sterberaten nieder (Brown 2009). Dennoch sind die heutigen rassistischen Herrschaftsverhältnisse anders als sklavische. Orlando Patterson versucht letzteres mit seiner Theorie des Sozialen Tods zu erklären. Weiterlesen →

Das blutige Silber vom Cerro Rico, Potosí, Bolivien.

Es hat sich nicht viel verändert am Cerro Rico. Noch immer schuften die Männer mit den vom Koka ausgebeulten Wangen tagtäglich 12 Stunden in den stickigen, feuchten und nur vom flackernden Licht einzelner Taschenlampen mehr schlecht als recht erhellten Stollen. Unter ihnen immer wieder auch zahlreiche Kinder, die zum Lebensunterhalt ihrer Familien beitragen müssen. Noch immer ist die Lebenserwartung vergleichsweise niedrig und die Familien der Bergarbeiter leben in bitterer Armut. Doch – und das ist wohl die bitterste Entwicklung – sie nur noch einen Bruchteil dessen, was ihre Vorfahren zwischen 1545 und 1825 aus dem „reichen Berg“ herausgeschafft haben.

Potosí

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Menschenhandel heute

„Deutschland ist Ursprungs-, Transit- und Zielland für Frauen, Männer und Kinder, die Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Ausbeutung der Arbeitskraft werden.“ Dies berichtet der Trafficking in Persons oder TIP-Report 2011 (Länderbericht zum Menschenhandel 2011) über die Bundesrepublik Deutschland. Seit einigen Jahren wird auch in der Presse zunehmend über Fälle von Menschenhandel berichtet.

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