Interview mit Betroffener von Menschenhandel Jes Richardson (USA)

Jes Richardson.

Ruth: Wie kam es zu Deinem Engagement in der Bewegung gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung?

Jes: Vor vier Jahren habe ich zum ersten Mal von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung (sex trafficking) gehört. Ich hatte an einer Stadtteilversammlung mit einer Freiwilligen-Organisation teilgenommen, wo es einen Vortrag zum internationalen und nationalen Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung gab. Während des Vortrags verstand ich zum ersten Mal, dass ich Menschenhandel erfahren hatte und dass der Missbrauch nicht meine Schuld war. Hinzu kam, dass ich genau in dem Hotel, wo die Stadtteilversammlung abgehalten wurde, zwölf Jahre zuvor gehandelt wurde. In diesem Moment wusste ich, dass ich mich melden musste. Ich musste meine Erfahrung mit anderen teilen. Wenn ich selbst nicht das Bewusstsein darüber hatte, was ich erlebt hatte, dann wie viele andere Menschen musste es noch geben, die die gleichen Erfahrungen hatten? So begann meine Suche nach einem tieferen Verständnis der Sprache zur Beschreibung meiner eigenen Erfahrung und danach, wie wir am effektivsten Menschenhandel stoppen können.

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Maßnahmen gegen Menschenhandel messen? Ein Interview mit Seo-Young Cho

Interview mit Seo-Young Cho, Professorin für Empirische Institutionenökonomie an der Universität Marburg.

Sie haben kürzlich ein Ranking veröffentlicht, in dem sie das Engagement einzelner Staaten im Kampf gegen Menschenhandel bewerten und ranken (technisch heißt das „3P-Index zur Auswertung des Stands der weltweiten politischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel“). Wie steht es mit Deutschland?

Im letzten Ranking für das Jahr 2012 erreichte Deutschland eine Gesamtwertung in Höhe von 12 von maximal 15 möglichen Punkten und belegte damit lediglich Platz 41 von insgesamt 188 evaluierten Ländern. Im Einzelnen wurde für Deutschland auf einer Skala von 1 bis 5 im Bereich Opferschutz der Wert 3, im Bereich der strafrechtlichen Verfolgung der Wert 4 und die Maximalwertung von 5 im Bereich der präventiven Maßnahmen gegen Menschenhandel Deutschland gemessen.

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Menschenhandel und legale Prostitution: Ein Interview mit Axel Dreher (Uni Heidelberg)

Anmerkungen der Redaktion: Axel Dreher, Professor für Internationale Wirtschafts- und Entwicklungspolitik an der Universität Heidelberg, ist Mitautor einer viel zitierten Studie über den (theoretischen) Zusammenhang zwischen legaler Prostitution und Menschenhandel „Does Legalized Prostitution Increase Human Trafficking?“. Über diese Studie gibt es auch auf „menschenhandel heute“ zwei kritische Beiträge jeweils von mir und von LEFÖ, Wien Ein kritischer Beitrag ist auch auf Forbes erschienen. 

Die Studie von Axel Dreher & Co. wird gerne zitiert, um das Scheitern des deutschen Prostitutionsgesetzes zu verkünden oder, im Ausland, um gegen eine Legalisierung bzw. Entkriminalisierung von Prostitution zu argumentieren. Auch entsteht der Eindruck, dass in den deutschen Medien die Studie eingesetzt wird, um insbesondere die SPD und Bündnis90/Die Grünen für die empirisch nicht belegbare Zunahme des Menschenhandels verantwortlich zu machen, obwohl damals die CDU ein umfassenderes Prostitutionsgesetz blockierte, wodurch viele Schwächen von vornherein vermieden hätten werden können.

Vor diesem Hintergrund habe ich mich dazu entschlossen, Prof. Axel Dreher für ein Interview anzufragen. Schließlich ist die oben genannte Studie differenzierter als die schockierende Meldung, die es in die Medien schafft. Auch habe ich mich gefragt, ob Herr Dreher nicht vielleicht auch mehr zu sagen hat, als „legale Prostitution fördert Menschenhandel“. Ich hoffe, dass dieses (schriftlich geführte) Interview dazu beiträgt, einige Ansichten von Herrn Dreher der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Antworten von Herrn Dreher werden vollständig und unverändert veröffentlicht. Die Fragen wurden von Sonja Dolinsek gestellt.

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