Die Situation von Sexarbeiter_innen verbessert man nicht durch mehr Repression.

Diskussion Die Situation von Sexarbeiter_innen verbessert man nicht durch mehr Repression. Eine Replik auf den Artikel »Linke Helfer der Sexindustrie« in ak 616

Von Jenny Künkel, ursprünglich veröffentlicht auf akweb.de. Eine längere Version ist auf dem Blog von Jenny Künkel zu finden.

Migration ist inhärent schädlich – denn das System Migration wird durch Rassismus, Sexismus und Kapitalismus hervorgebracht. Es zerstört Migrant_innen seelisch, wie zahlreiche Studien belegen: 68 Prozent aller Migrant_innen leiden unter posttraumatische Belastungsstörungen (hier Studie zu traumatisierten Kriegsflüchtlingen als Quelle einfügen). Die Liberalisierung der Migrationsgesetzgebung in den letzten Jahren führte zu einem Anwachsen von Menschenhandel, mehr toten Flüchtlingen im Mittelmeer und Armutsmigration (das ist evident!). Daher müssen wir die Gewalt der Migration strafrechtlich bekämpfen. Aber ohne die Migrant_innen selbst zu kriminalisieren. Packen wir das Problem also an der Wurzel und setzen bei denen an, die billige migrantische Dienstleistungen in Deutschland nachfragen. Die Nachfrage muss strafbar werden! Es ist ein Skandal, dass linke Kreise die Gewalt in der Migration seit Jahrzehnten leugnen. Sie vertrauen den von Menschenhändler_innen gesteuerten Migrantenorganisationen und ihren Forderungen nach einer Deregulierung und Liberalisierung der Migration. Damit machen sie sich zu Helfer_innen des tödlichen Migrationssystems.

Würde eine linke Zeitschrift einen derart kruden Artikel über Migration veröffentlichen, wäre die Empörung groß. Denn mit dem Thema Migration beschäftigen sich viele Linke. In ak 616 erschien ein entsprechender Artikel über Sexarbeit (»Linke Helfer der Sexindustrie«) – entsprechend deshalb, weil die obige Parodie im Prinzip nur »Prostitution« durch »Migration« ersetzt. Die Autorin Gunhild Mewes vermengt darin aktuelle konservativ-feministische Thesen über Prostitution mit etwas 1970er-Jahre-Abolitionismus (2) à la Alice Schwarzer. Doch das ist leider nicht alles. Der Beitrag macht just in dem Moment Stimmung gegen Prostitution, als ein repressives Prostitutionsgesetz in der Mache ist (siehe Seite 8) und Sexarbeiter_innen Unterstützung der Linken bräuchten. Weiterlesen →

Norwegen: Den Prostituierten hilft das „feministische“ Prostitutionsgesetz am wenigsten

Nachdem Schweden 1999 den Kauf sexueller Dienstleistungen verboten und kriminalisiert hat, folgte 2004 auch Norwegen mit einem ähnlichen Gesetz. 

Anmerkung: Die verlinkten  Texte sind größtenteils in norvegischer Sprachen. Diese können mit Hilfe von Google  Translate übersetzt werden.

Als Schweden 1999 Prostitution gesetzlich als Gewalt gegen die Verkaufenden, insbesondere gegen Frauen, einstufte und die Käufer sexueller Dienstleistungen kriminalisierte, wurde dies mit Beifall von den meisten feministische Organisationen in ganz Skandinavien empfangen. Dafür hatten sie hart gekämpft. Der Verkauf von sexuellen Dienstleistungen blieb zwar  „legal“, aber der Kauf wurde untersagt. Das Gesetz geht jedoch einen Schritt weiter: Es hat eine globale Reichweite, d. h. dass schwedische Staatsangehörige, die irgendwo auf der Welt Sex kaufen, an das Heimatland ausgeliefert werden können, um dort vor Gericht zu erscheinen.

Norwegen führte 2004 nach einer längeren Debatte ein ähnliches Gesetz (§201a3) ein. Auch dort hat sich die juristische Fiktion, dass jede Art von Kauf von Geschlechtsverkehr auch Gewalt gegen die Verkaufenden ist, in  der Gesellschaft als unhinterfragte Wahrheit, als Dogma, durchgesetzt. Warum aber konnte sich diese Auffassung durchsetzen?

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Frankreich: Sexarbeiter_innen protestieren gegen geplante Prostitutionspolitik

Prostitution. Weder Repression noch Kriminalisierung.
(Sondern) Rechte!

„Il faut lutter contre la traite, pas contre la prostitution“

Man muss gegen Menschenhandel kämpfen und nicht gegen Prostitution. Sexarbeiter_innen protestierten am 7. Juli gegen die von der neuen Frauenministerin Najat Vallaud-Belkacem vorgeschlagene Prostitutionspolitik. Vallaud-Belkacem möchte Prostitution abschaffen – mit einem Verbot sexuelle Dienstleistungen zu kaufen, d.h. mit einer Kriminalisierung der Kunden von Sexarbeiter_innen. Dieses “schwedische Modell” stößt jedoch auf Widerstand, insbesondere bei den Sexarbeiter_innen.

Die Ministerin solle doch erstmal ihre Hausaufgaben machen, bevor sie sich öffentlich äußert, sagt Morgane Merteuil, Chefin der Prostituiertengewerkschaft STRASS.

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Warum die Frauenbewegung Sexarbeiter_innen zuhören muss (crossblogged)

Sexarbeiter_innen durch Kthi Win organisiert.
Quelle: RHRealit

Dieser Beitrag wurde am 16. Mai 2012 auf RHRealityCheck. Reproductive Health and Justice veröffentlicht und für die Weiterveröffentlichung auf diesem Blog übersetzt.

Vor einem gedämpften Publikum von über 2000 Frauenrechtler_innen aus über 140 Ländern stand Kthi Win, eine Sexarbeiterin und Leiterin einer nationalen Organisation von weiblichen, männlichen und transgender Sexarbeiter_innen in Burma. Mit ruhigem Selbstvertrauen sagte sie:

„Die Hauptforderung der Sexarbeiter_innenbewegung in Burma, in Asien und auf der ganzen Welt ist einfach. Wir fordern die Anerkennung von Sexarbeit als Arbeit. Aber wir haben eine weitere zentrale Forderung, die sich spezifisch an bestimmte Teile der Frauenbewegung richtet. Wir fordern, dass wir nicht als Opfer gesehen werden.“ (Link zur vollständigen Rede)

Die freche Zurückweisung der Opferrolle durch eine Sexarbeiterin, die im Namen der globalen Sexarbeiter_innenbewegung (global sex workers’ rights movement) sprach, geschah anlässlich des kürzlich stattgefundenen Internationalem Forum für Frauenrechte in Entwicklung (AWID International Forum on Women’s Rights in Development), eines der größten Zusammenkünfte von Frauenrechtler_innen auf der Welt. Es war ein außergewöhnlicher Moment, weil es in manchen Teilen der Frauenbewegung eine Tendenz gibt, Sexarbeiter_innen, wie Kthi, auszuschließen, weil sie die monolithische und einfältige Erzählung, dass alle Menschen in der Prostitution auf Rettung warten, bestreitet.

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Newsticker 1/2012

Ab sofort werden wir in regelmäßigen Abständen einen Newsletter über aktuelle Themen und Entwicklungen im Themenbereich Menschenhandel verfassen. Wir werden dabei auf nationale und internationale News aufmerksam machen, sowie auf angrenzende Themenbereiche, die wir für wichtig und relevant erachten.

Die Newssammlung ist nicht vollständig und wir freuen uns auf Hinweise, die wir gerne aufnehmen und die auch auf Facebook gepostet werden können.

Menschenhandelspolitik

Die schwedische Prostitutionspolitik

Seit dem 1999 das Gesetzespaket zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen „Kvinnofrid“ (übersetzt: Frauenfrieden) in Kraft trat, ist die Prostitution in Schweden verboten. Genauer genommen, bezieht sich diese Kriminalisierung, ausschließlich auf die Kunden. Die SexarbeiterInnen bleiben hingegen straffrei.  Dieses Gesetz galt damals als einzigartig und Schweden präsentierte sich als ein Vorreiter in der Bekämpfung der Ausbeutung und Gewalt gegen Frauen sowie der Reduktion von Prostitution – inzwischen ist auch in Irland und Frankreich die Einführung eines ähnlichen Gesetzes geplant. Jedoch werden seine Bewertung sowie Auswirkungen kontrovers betrachtet und der Nutzen der damit verbundenen Maßnahmen bleibt nach wie vor Gegenstand politischer Debatten. So argumentieren gerade GegnerInnen, dass das Gesetz Zwangsprostitution sogar fördern könnten.

VerfechterInnen dieses Gesetzes sehen Prostitution als Form patriarchaler Unterdrückung.  Prostitution ist also keine Tätigkeit, die aus freiem Willen ausgeübt werden kann. Deshalb lässt sich in ihren Augen Prostitution nicht mit dem allgemeinen Anspruch der Geschlechtergleichheit, der in Schweden stark in der Gesellschaft verankert ist, vereinbaren. Ihrer Meinung nach ist deshalb ein Verbot dieser Tätigkeit durch die Kriminalisierung der Kunden die richtige Lösung für eine gleichberechtigtere Gesellschaft. Diese Einstellung findet auch in der schwedischen Bevölkerung großen Anklang. So befürworten mehr als 80% der Schweden die Einführung des Gesetzes zur Strafbarkeit des Erwerbs sexueller Dienstleistungen.

Doch hat dieses Gesetz wirklich dazu geführt, dass weniger Frauen in den so genannten „Abgrund“ der Prostitution in Schweden rutschen? Bietet dieses Gesetz einen besseren Schutz vor Zwangsprostitution? Hat das Anti-Prostitutionsgesetz somit mehr Gleichberechtigung geschaffen?

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Der richtige Umgang mit Prostitution….

Prostitution ist in Deutschland weiter verbreitet, als mensch vielleicht vermuten könnte. Das Angebot von schätzungsweise 400.000 Prostituierten,  nehmen täglich bis zu 1,5 Mio. Menschen, zum Großteil Männer, in Anspruch. Die jährlichen Umsätze in diesem „Wirtschaftsbereich“ bewegen sich im zweistelligen Milliardenbereich. Die meisten der Prostituierten sind Frauen, rund 90%, 3% Transgender und 7% Männer. (1)

Die hier genannten Zahlen beruhen allerdings auf Schätzungen und Hochrechnungen repräsentativ befragter Personen. Amtliche Statistiken hierfür gibt es zurzeit nicht. Die rot-grüne Bundesregierung reagierte am 20.12.2001 mit dem sogenannten Prostitutionsgesetz auf diese Realität. (2) Das Gesetz wurde verabschiedet, um den Prostituierten eine gewisse Rechtssicherheit zu gewähren und somit indirekt die Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern. Damit wurde Prostitution in Deutschland als sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtige Dienstleistung anerkannt. Im Vergleich dazu wurde in Schweden 1999 der Kauf von sexuellen Dienstleistungen, nicht der Verkauf, verboten, was eine direkte Kriminalisierung von Zuhälter_innen (3) wie Freier_innen zur Folge hat, aber auch negativen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der Prostituierten hat. (4)

Diskussionen um den „richtigen“ Umgang mit Prostitution werden in den verschiedensten politischen Spektren mit unterschiedlichsten Perspektiven geführt. So sind auch in feministischen Diskussionen um den Umgang mit bzw. die Bewertung  von Prostitution verschiedenste Positionen zu finden.  (5/6)

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