Menschenretter_innen und Menschenhändler_innen

Zum Umgang der EU mit Migrant_innen und ihren Helfer_innen

Die EU stellt sich als sicherer Zufluchtsort für verfolgte Menschen dar. Teil dieser Darstellung ist der proklamierte Schutz von Flüchtlingen vor „Schleusern“ und „Menschenhändlern“, weshalb deren Verfolgung verstärkt wird. Migrant_innen werden allerdings erst durch Grenzen und Abschottungsmaßnahmen der EU gezwungen, auf gefährliche Mittel und Wege der Migration zurückzugreifen und ihr Leben für viel Geld anderen Menschen anzuvertrauen. Die staatliche Verfolgung und ein kriminalisierender Diskurs gegenüber Fluchthelfer_innen dienen aber nicht in erster Linie dem Schutz von Flüchtlingen, sondern sind vielmehr Teil der Abschottungspolitik ihnen gegenüber.

Im September 2009 wurden die tunesischen Fischerei-Kapitäne Abdelkarim Bayoudh und Abdelbassit Zenzeri von der italienischen Justiz zu zweieinhalb Jahren Haft und 440’000 Euro Strafe verurteilt. Ihr Vergehen: Sie hatten zwei Jahre zuvor 44 Menschen aus hoher See im Mittelmeer gerettet und an die nahegelegene italienische Küste gebracht. Das Gericht sah es Weiterlesen →

Macht der Asylant beim Klauen auch noch Lärm?

Meine etwas provokative Überschrift hat ein Ziel: die Darstellung einer verbreiteten Haltung gegenüber AsylbewerberInnen, die sich bei genauerer Betrachtung als unhaltbar erweist.

Kommen Flüchtlinge aus Kriegsgebieten nach Europa, haben sie Erfahrungen hinter sich, die für uns kaum vorstellbar sind. Zum einen die Zustände in der Heimat, die sie zur Flucht gezwungen haben. Zum anderen die Reise in das Sicherheit und Frieden verheißende Zielland. Oft werden Schlepper bezahlt, um Grenzen zu überwinden, oft gestaltet sich die Ankunft anders als erwartet und führt zu Ausbeutung, zu Menschenhandel. Für diejenigen, die Asyl beantragen, beginnen Monate und Jahre der Unsicherheit, des Wartens und Bangens. Wird der Asylantrag akzeptiert? Solange dies nicht feststeht, müssen AsylbewerberInnen einen weiteren ‚Kampf‘ führen – den Kampf gegen Vorurteile und Ängste der Einheimischen am Unterbringungsort.

Vor einem Monat erforschte ich in meiner Heimatstadt in Bayern (ca. 14.000 EinwohnerInnen) die Haltung von Menschen, in deren Nachbarschaft ein AsylbewerberInnenheim eingerichtet wurde. Meine erste Erkenntnis: DER Asylant stellt in den Augen vieler ‚Betroffener‘ eine Gefahr dar. Schlagwort Kriminalität und Lärmbelästigung. Meine zweite Erkenntnis: Sind die AsylbewerberInnen erst einmal da – und verhalten sich wider Erwarten ganz ‚ungefährlich‘ – bröckelt die aus Ängsten und Vorurteilen gebaute Opposition schnell und macht Platz für Akzeptanz.

In diesem Beitrag beschreibe ich den Wandel der Haltung einer gegnerisch eingestellten Nachbarschaft gegenüber AsylbewerberInnen. Eine Haltung, die zwar nicht repräsentativ für die gesamte Stadt ist, zunächst aber den öffentlichen Diskurs prägte.

Vorurteile bis Ankunft

Offenbar ist die Angst vor AsylbewerberInnen ein Synonym für Angst vor Kriminalität und Lärm. Nachdem bekannt geworden war, dass ein AsylbewerberInnenheim eingerichtet werden soll, wandten sich besorgte BürgerInnen aus der Nachbarschaft mit einer Petition an den Bürgermeister. Ingesamt unterzeichneten 58 Menschen das Pamphlet. Hier ein Ausschnitt:

Die Bürger haben bereits heute allergrößte Ängste um den Wert ihres Eigentums, ihrer Gesundheit, ihres Hab und Gutes und vor einer möglichen Kriminalität. Weiter befürchten sie starke Lärmbelästigungen am Tag und in der Nacht und insgesamt das Entstehen eines furchtbaren No-Go-Viertels.

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